Baugerüst

 

Geschichten möglichst plastisch und dramatisch zu erzählen, ist eine Kulturleistung, die tausende Jahre alt ist, das Theater, die bildende Kunst, später die Fotografie und dann der Film haben auch die visuelle Ebene hinzugefügt und bis ins 21te Jahrhundert immer mehr verfeinert.

Wer heute Filme anschauen möchte, kann unter diversen Distributionswegen wählen, das Kino ist da, wenn man mal von manch harter oder durchgesessener Bestuhlung absieht, die komfortabelste und durch das Erleben mit vielen Anderen auch die interessanteste Variante. Allerdings mit durchschnittlich 10 Euro auch die teuerste Möglichkeit, Filme anzusehen.

Aus dem finanziellen Einsatz, den Umständen wie Fahrweg, Zeitaufwand etc. generieren nicht wenige Zuschauer, vor allem der jüngeren Generation, höchste Erwartungen an das Kinoerlebnis. Man möchte etwas Erleben, was man im Alltag so nicht erfährt, möchte das Außergewöhnliche zu Popcorn und Süßgetränk serviert bekommen.

Der überwiegende Teil kommerzieller Kinofilme bedient diesen Anspruch mit mehr oder weniger aufsehenerregenden visuellen Momenten, die nahezu pausenlos auf die Zuschauer einprasseln. Da wird pausenlos die Welt gerettet, werden sämtliche physikalischen Grenzen mühelos überschritten, fliegt, schleudert, taumelt oder explodiert alles, was sich visuell ansprechend verwirbeln lässt.

Im Zweifel geschieht das auch in 3D oder auch per VR und nicht mehr im Kino, sondern höchst individuell und mehr als plastisch. Allein die Geschichten und Filmfiguren werden immer weniger plastisch, verlieren ihre erzählerische Tiefe, werden immer eindimensionaler. Vielschichtigkeit ist im Blockbuster-Kino nicht allzu gefragt, es lebe die Eindeutigkeit.

Damit weicht die klassische Spannung, die sich aus Charakteren, Konstellationen und dramatischen Entwicklungen nährte, mehr und mehr dem visuellen Augenkitzel, dem akustischen "Crescendo" (Immer lauter werden). Wenn nicht jede Minute neue Reize gezündet werden, langweilen sich die, ähnliche Feuerwerke gewohnten, Zuschauer schnell.

Zum Glück kann man die Lücken mit dem Smartphone oder angeregten Gesprächen mit den Sitznachbarn überbrücken. In vielen asiatischen Kinos kann man konsequenterweise seine Gedanken auch gleich per App im Kinosaal für alle sichtbar neben dem eigentlichen Film auf die Leinwand beamen. So eine Art Live-Facebook im Kinosaal und nur konsequent, wenn einen die immer wiederkehrenden visuellen Effekte langweilen. Second Screen quasi als Kompensation fehlender Erzählfähigkeiten.

Von der einstigen Kulturleistung der Menschheit, haben sich diese Investoren,- und Geldvermehrungs-Produktionen inzwischen meilenweit entfernt. Und es scheint fast so, als wenn sich auch das jüngere Publikum längerfristig mehr und mehr von den Kinoleinwänden entfernen wird. Internet, Streaming-Dienste, Games und Virtual Reality nehmen enorm viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Dafür gehen immer mehr Zuschauer über Vierzig in die Kinos, Menschen, die noch wissen, dass es Filme gibt, die sich nicht ausschließlich aus Augenkitzel nähren.

Die demographische Entwicklung zeigt schon jetzt an, dass in ein paar Jahrzehnten auch diese Klientel den Kinos fernbleiben wird, doch momentan ist das spürbare Wachstum dieser Zuschauergruppe kein schlechter Grund, wieder verstärkt über bessere Geschichten und gut entwickelte Charaktere im Film nachzudenken.

 

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