Gradationssteuerung in der Kamera

VorbelichtetBurg 2000

 

Kameraleute versuchen stets Wege zu finden, den Stil und Look ihres Filmes möglichst optimal an die Story anzugleichen. Manchmal stoßen sie  dabei an technische Grenzen des Filmmaterials, dann beginnen sie, selbst zu experimentieren.

 

Im Gegensatz zu professionellen Videokameras kann man nämlich beim Film die Gradation (Gamma) nicht an der Kamera einstellen. Die Gradation bestimmt hier weitgehend der Filmhersteller.

 

Bei der Gestaltung von Filmen ist aber die Einflussnahme auf die Gradation von wesentlicher Bedeutung. So haben Kameraleute die Vorbelichtung des Filmmaterials als einen Weg herausgefunden, die Gradation des Materials weicher zu machen.

 

Prinzip

Wenn man Filmmaterial vorbelichtet, wird der Abstand zwischen den dunkelsten und den hellsten Stellen in der Aufnahme verringert, die Kameraleute sprechen auch von einer Verflachung der Gradation.

 

Jedes Filmmaterial benötigt ein gewisses Minimum an Licht, um überhaupt im Negativ eine Schwärzung hervorzurufen. Wenn nun in dem Motiv, welches man aufnimmt, stellenweise oder auch im Ganzen so wenig Licht vorhanden ist, dass keine Schwärzung eintreten würde, kann man durch Vorbelichtung, also vor der eigentlichen Aufnahme soviel Licht gleichmäßig aufbelichten, dass es gerade noch keine Schwärzung erzeugt.

 

Bei der eigentlichen Aufnahme dann benötigt der Film nur noch wenig zusätzliches Licht, um eine Schwärzung zu erzeugen. Auf diese Weise werden dunkle Bereiche, etwa die Schatten heller und differenzierter. In den hellen Bereichen hat das praktisch keine Auswirkung, weil hier das auftreffende Licht viel stärker ist, als das schwache Licht bei der Vorbelichtung. Grundsätzlich hat die Vorbelichtung deshalb hauptsächlich Einfluss auf die Schattenbereiche.

 

Wirkungsweisen

Kopierwerk oder Kamera

Harter Kontrast links, Vorbelichten im rechten Teil

Früher wurde dieses Verfahren fast ausschließlich im Kopierwerk angewendet. In der Kamera geht es auch, ist aber riskanter: Wenn man den Film einmal zum Vorbelichten durch die Kamera laufen lässt, ist nicht sicher, ob die Stege zwischen den Bildern beim Belichten der eigentlichen Aufnahmen dann an der gleichen Stelle sind.

 

Dennoch kam es vor, dass Kameraleute sich mit einem Stift die Position des Bildfensters markierten und dann eine Graukarte mit definierter Helligkeit oder auch eine gleichmäßige milchige Plexiglasscheibe, ja sogar einen Frostrahmen mit Diffusorfolie bespannt möglichst unscharf abfilmten.

 

Doch wehe, das Bild war nur ein Perforationsloch versetzt beim eigentlichen Belichten. Deshalb sollte man am Besten vor Ort, dort wo man dreht, seine Filmrolle in der Kamera vorbelichten, darauf achten, dass das Material nicht ganz durch die Kamera läuft, sondern kurz vor Ende der Rolle stoppen und die Kamera (mit Deckel vor dem Objektiv, geschlossenem Okular, so heißt der Sucher, und geschlossener Blende) rückwärts laufen lassen.

 

Dabei ebenfalls darauf achten, das man nur so weit rückwärts laufen lässt, dass das Material am Filmanfang nicht rausläuft. Digitale Zählwerke sind da eine wichtige Hilfe. Dann wird beim eigentlichen Dreh jedes Bild an der richtigen Stelle der Vorbelichteten Bildfelder aufbelichtet.

 

Kopierwerke belichten deshalb außerhalb einer Kamera, also ohne Bildfenster gleichmäßig vor. Oder aber auch erst nach dem Dreh, auch hier gibt es unterschiedliche Philosophien. Auch kann man das Material, da ist der Name etwas irreführend, auch nach der eigentlichen Aufnahme "flashen".

 

Wegen der mechanischen Belastung des Materials wird dieser Prozess aber nur sehr ungern von den Kopierwerken gemacht. Niemand will für Kratzer, Schrammen etc. haften, die dabei entstehen könnten. Alternative Verfahren etwa um die Farbigkeit zu reduzieren, wie die Bleichbadüberbrückung haben den Nachteil, dass die Schattenbereiche darunter leiden.

 

Moderne Varianten

Neben der Vorbelichtung im Kopierwerk gibt es auch Verfahren, bei der Aufnahme gleichzeitig eine Vorbelichtung vorzunehmen, die Systeme nennen sich Panaflasher, Varicon oder Lightflex. Hier wird ein Filtervor- oder Einsatz in das Kompendium, also vor das Objektiv gebaut, der dort wo der Glasfilter eingesetzt wird, beleuchtbar ist. Also das, was man sonst versucht, von der Optik fern zu halten, nämlich Streulicht, wird etwa beim Varicon gezielt erzeugt.

 

Kommt es zum Einsatz, leuchtet der jeweils eingesetzte Filter. Werte von 5, 10 oder 15 % Flashing sind durchaus üblich und können sogar helfen, Licht zu sparen. Es erhöht die Empfindlichkeit um etwa eine Blende, ohne dass sich am Filmkorn irgend etwas ändert. Es kann aber sein, dass die Schattenpartien etwas wärmer wirken, wenn man diesen Effekt nicht wünscht, muss man mit dem verwendeten Glasfilter entgegenwirken.

Generell kann man sagen, dass es etwa wie eine Aufhellung wirkt, also wie zusätzliche Scheinwerfer oder Reflektoren in den Schattenbereichen.

In jedem Fall sind Tests notwendig, um dieses ungewöhnliche Verfahren auch sinnvoll nutzen zu können. Etwas hilfreich ist es auch, wenn man die Kamera auf dunkle Bereiche des Bildes richtet und dort die Wirkung und die Einstellungen ausprobiert. Dann kann ein erfahrener Kameramann die Wirkung auch durch den Sucher einschätzen.

 

Wenn man sie lange eingeschaltet lässt, erhitzen sie sich unter Umständen sehr. Man muss sich also daran gewöhnen, es immer nur dann einzuschalten, wenn die Kamera auch tatsächlich läuft. Der Sinn, dass das Bild dadurch weicher wird, sollte nur in Kontrastreichen Situationen angewendet werden. In diffusen, kontrastarmen Situationen sollte man es nicht verwenden.

 

Verwendet wurde das Verfahren etwa bei "The Long Goodbye", (Kamera: Vilmos Zsigmond) "Nickel Ride", (Kamera: Jordon Cronenweth) oder "Dune" (Kamera: Freddie Francis)

 

Sie ahnen schon,- das waren spannende Arbeitsweisen. Heute rechnet man die entsprechenden Wirkungen einfach per PlugIn beim Grading über das Videobild und kann viel präziser die gewünschte Wirkung erzielen.