Multiplattform-Strukturen

Auch wenn uns das gerne als zutiefst innovativ verkauft wird, die Struktur für transmediale Erzählformen ist in den meisten Fällen die des "Alternate Reality Game" (ARG), einer Verknüpfung von Erzählinhalten über mehrere mediale Plattformen hinweg, wie sie schon bei Filmen wie dem "Blair Witch Project" (Daniel Myrick und Eduardo Sánchez, 1999) oder A.I (Steven Spielberg 2001) erfolgreich konzipiert und durchgeführt wurde.

Besonderes Kennzeichen dieser Erzählformen ist die präzise strukturelle Planung, die zugleich versucht die Illusion einer aktiven Zuschauerbeteiligung zu erzeugen. Tatsächlich aber sind die Spielräume für die User extrem gering, während der Aufwand einen gegenteiligen Eindruck zu vermitteln, extrem groß ist.

 

Pseudo-Beteiligung

Das liegt vor allem an der Grundannahme ihrer Macher, dass der User auf den second, third oder wer weiß wievielten Screen geht, um vertiefende Informationen, Nebenhandlungen und Hintergründe zu erfahren. Und diese müssen nun mal redaktionell aufbereitet und entsprechend angeboten werden. Doch dafür ist eine feste, einseitige Erzählweise notwendig, schließlich kann sich der User keine Geschichte selbst erzählen. Derartige transmediale Elemente wirken dann letzlich nur wie Poesiealben, in denen man Fotos, Videos und vermeindlich wichtige Hintergrundinformationen aufblättern kann.

 

Zwangsläufig sind deshalb die allermeisten dieser gehypten Transmedia-Expeditionen minutiös geplant, gewollt abgesteckt, wichtige Informationen müssen verborgen werden, damit der User ein wenig "Fun" dabei hat, pseudowichtige Hinweise einzusammeln. Transmediales Storytelling bleibt auf diese Weise stets die Erzählleistung von Autoren, die ihrem Publikum vorgefertigte Häppchen anbieten. Nicht selten leidet darunter die Dramaturgie, die Geschichte, die Emotion. Deshalb sind die meisten transmedialen Projekte nicht um einzelne Hauptpersonen und ihre Emotionen herum gebaut, sondern wie ein Computerspiel in komplexen Erzählräumen, bei denen das Fühlen nicht mehr wirklich wichtig ist (was im Kern jedem guten szenischen Ansatz widerspricht).

 

Das ist vielleicht ein teures und aufwändiges Puzzlespiel, was aber eher verärgert, als wirklich sinnstiftend ist. Interaktiv ist das schon gar nicht. Das wäre nur gegeben, wenn die User an den Geschichten beteiligt wären, was wiederrum auf das Problem stößt, dass nicht jeder User automatisch ein begnadeter Geschichtenerzähler ist.

 

Multitasking war gestern, Multiablenkung ist angesagt

Wenn junge Zuschauer, welche die Fernsehsender in einem aufwändigen Überlebenskampf per facebook & Co für sich zu gewinnen versuchen, ihr Tablett und den Laptop neben sich oder auf dem Schoss balancierend eingeschaltet haben, während der Fernseher läuft, reduziert sich die emotionale und rationale Konzentration auf das laufende TV-Programm proportional.

 

Zudem ist die Entscheidungsfreiheit, wann welche Seite aufgerufen, wann was hochgeladen oder geschrieben wird, ein bei den Usern hoch angesiedeltes Gut, sie wollen sich nicht vorschreiben lassen, wann sie wohin zu klicken haben. Der zunehmende Einfluss versteckter Markenwerbung in transmedialen Formaten wird auch immer augenfälliger und wird früher oder später zu Abwehrmechanismen innerhalb der jungen Zielgruppe führen. Vor allem wollen sie, wenn sie denn nicht das Fernsehprogramm ausschließlich schauen, eher parallel Konversationen mit Anderen über die sozialen Medien führen.

 

Das bedeutet aber nicht, dass sie sich zwangsläufig auf Sender- eigenen Facebook Seiten aufhalten und mühsam angelegte Story-Spuren oder Pseudodiskussionen verfolgen wollen.

 

Alternative Ansätze

Will man den User wirklich aktiv beteiligen, dann sind es nicht weitere Bilder,- Video,- Game,- und Textergänzungen der eigentlichen Geschichte, die eine Beteiligung herstellen, sondern vor allem Dinge aus dem eigentlichen Film, der Serie, der Dokumentation, die den User persönlich berühren. In vielen Filmen werden Dinge verhandelt, die die Zuschauer aus eigenen Zusammenhängen kennen, die ihnen wichtig sind und über die sie sich mit Anderen austauschen wollen. Es geht also darum, herauszufinden, welches die Kernthemen eines Filmes sind, welches die Grundprobleme seiner Filmfiguren und auf welche Weise man den Zuschauer mit diesen verknüpfen kann.

 

Die Zuschauer sind echt, sie sind authentisch, leben in der Wirklichkeit. Die Kernelemente die die Zuschauer berühren, die sich per Internet ergänzend mit einem Film auseinandersetzen, haben Entsprechungen in der Realität und genau dort können aufregende und plötzlich tatsächlich interaktive Beiträge entstehen. Beiträge so facettenreich wie das Leben selbst. Das ist der große Unterschied zu den raffinierten, immer noch mehr Storyelemente versteckenden Fiktionalisten.