Fussgängerzone

 

Frauen sind im deutschen Film und Fernsehen deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt eine Studie der Universität Rostock vom Juni 2017, die auf Initiative der Schauspielerin Maria Furtwängler hin entstand. Untersucht wurden dabei knapp 3000 Fernseh-Vollprogramme aus dem Jahr 2016 sowie 883 Kinofilme aus den letzten 6 Jahren. Das Ergebnis ist ernüchternd, denn von audiovisueller Diversität sind wir weit entfernt. Nur ein Drittel der zentralen Figuren im TV sind Frauen. Das betrifft sowohl fiktionale Filme und Serien, non-fiktionale Formate wie z.B. Shows und Sendungen sowie auch den Bereich Information und Fernsehpublizistik. Dabei sind Frauen in fast jedem Genre unterrepräsentiert, mit Ausnahme von Soaps und Telenovelas. Im Kinofilm ist es etwas ausgeglichener, doch auch hier werden mit 58% mehr Männer als Frauen in Hauptrollen gezeigt.

 

Er liebt mich, er liebt mich nicht

Wenn Frauen in Film und TV vorkommen, so scheint es sie interessierten sich für nichts anderes als für Beziehungen (und damit für ihre männlichen Kollegen). Immer wieder sind Partnerschaft und Schwangerschaft die Themen, welche die Frauen in den Filmen hauptsächlich beschäftigen. Das bestätigt auch der sogenannte Bechdel-Test, der zwar keinen wissenschaftlichen Test darstellt, aber dennoch häufig verwendet wird, um den Status von Frauenrollen in Filmen zu beurteilen. Der Test wurde 1985 von der Cartoon-Zeichnerin und Autorin Alison Bechdel entwickelt und besteht aus drei einfachen Fragen: Gibt es zwei Frauenrollen? ; Sprechen diese miteinander? ; Über etwas anderes als Männer und Beziehung? Lassen sich alle diese Fragen mit Ja beantworten, so gilt der Test als bestanden. Tatsächlich sind es in der Untersuchung aber nur 43% der Filme, die den Test bestehen. Den umgekehrten Test, das heißt in Bezug auf Männer, bestehen dagegen ganze 87% der Filme.

 

Jung und schön

Die Studie zeigt zudem, dass wenn Frauen in TV- und Kinoproduktionen vorkommen, dies häufig junge Frauen sind. So kommen bis Mitte 30 Jahre Frauen und Männer in Filmen etwa gleich oft vor, Frauen ab 50 sind jedoch nur noch zu 20% zu sehen. Damit scheinen Frauen in den Filmen hauptsächlich schönes Beiwerk zu sein. Komplexe Charaktere mit Ecken und Kanten, Erfahrungen, Erfolgen und Problemen (jenseits von Beziehungen) stellen die Frauen eher selten dar. Warum nun so eine Ungleichheit der Geschlechterdarstellung in Film und TV herrscht, beantwortet die Studie nicht. Betrachtet man jedoch die Produktionsseite, so lässt sich in dieser Hinsicht ein Zusammenhang vermuten, denn auch der Produktionsbereich von Film und TV wird von Männern dominiert. So entstehen beispielsweise nur 15% der Kinofilme unter weiblicher Regie. Auf Filme von Regisseurinnen entfallen zudem nur 10% der Fördergelder.

 

Der Stoff aus dem Heldinnen gemacht sind

Sofia Coppola

Sofia Coppola gehört als Regisseurin zu einer Minderheit im Kinofilm

 

An der Qualität der kreativen Produkte von Frauen liegt es vermutlich nicht. Eine Studie, die ebenfalls an der Uni Rostock im Jahr 2015 entstand, zeigt, dass Filme von Frauen im Verhältnis häufiger Filmpreise erhalten und erfolgreicher auf Filmfestivals laufen. Und das obwohl die Filme oft mit einem niedrigeren Budget als die ihrer männlichen Kollegen produziert wurden. Trotzdem scheint es, als erreichten die Gelder der Filmförderung nur wenige Filmemacherinnen. Die Stellvertretende Geschäftsführerin des FilmFernsehFonds Bayerns, Gabriele Pfenningsdorf, meinte auf den Medientagen 2017 hierzu nur, dass der FFF nach den Inhalten entscheidet und sich keine Einschränkungen aufgrund des Geschlechterverhältnisses auferlegen will. Trotzdem wünsche sie sich persönlich mehr Heldinnen in den Geschichten.

 

Die Quote als Lösung?

Aufgrund der bestehenden Schieflage fordert der Verein Pro Quote Regie eine gesetzliche Frauenquote von 50% für die Vergabe von Regieaufträgen im Fernseh- und Filmbereich in den nächsten 10 Jahren. Ziel ist es mehr Frauen vor und hinter die Kamera zu stellen. Doch die Frauenquote ist, ob nun im Filmbereich oder in anderen Berufsfeldern, ein sensibles Thema. Aber warum eigentlich? Viele glauben, dass die Qualität der Filme durch eine gesetzliche Quote sinken würde. Ein schwieriges Argument, denn einerseits ist es zwar vorstellbar, dass Stoffe durchgewinkt werden, nur um die Quote zu erfüllen, andererseits ist dies aber auch eine leise Unterstellung, dass man den Filmen von Frauen wohl nicht die gleiche Qualität, wie denen von Männern zutraut. Dabei geht Schweden mit gutem Beispiel voran. Das schwedische Filminstitut (SFI) formulierte 2013 als erstes europäisches Land die explizite Zielvorgabe bis 2015 Geschlechtergleichheit bei der Vergabe von Fördermitteln zu erreichen. Der Qualität hat das keinen Abbruch getan. Andere sehen die Lösung eher in einer freiwilligen Selbstverpflichtung. So sollten Redaktionen, öffentliche Gremien und Filmhochschulen für das Thema sensibilisiert werden. Ob sich dadurch aber tatsächlich etwas ändert, kann nicht garantiert werden.

 

Männer erklären uns die Welt

Filmteam

 

Die fiktionalen Produktionen sind die eine Sache. Dass man die Kunst, zu welcher der Film ja auch gehört, nicht einschränken will, ist nachvollziehbar. Aber in non-fiktionalen TV-Formaten sowie im Bereich der Information und Fernsehpublizistik sollten uns durchaus mehr und öfter Frauen begegnen. Ob Experten, Sprecher, Moderatoren oder Journalisten, es sind überwiegend die Männer, die uns die Welt erklären. Hier sollten Redaktionen und Journalisten dazu angehalten sein, bewusst auch nach weiblichen Expertinnen zu suchen, selbst wenn diese vielleicht schwerer zu finden sind.

 

Diversität als gesellschaftliche Debatte

Da Film und Fernsehen eben nicht nur Unterhaltung darstellen, sondern auch Wertvorstellungen vermitteln und unsere Kultur wiederspiegeln, ist das Thema auch besonders wichtig. Die Perspektiven von Frauen kamen bisher zu kurz. Auch die häufig vermittelten überholten Rollenbilder sollten längst nicht mehr vorherrschen. Die deutsche Film und TV-Landschaft stellt dabei nur ein Beispiel für ein viel größeres gesellschaftliches Problem dar. Denn Deutschland ist in Bezug auf ein faires Geschlechterverhältnis weit hinterher und muss die bestehenden Verhältnisse ändern. Während es aber oft so scheint, als würden die Frauen alleine für ihre Rechte kämpfen, darf nicht vergessen werden, dass genauso auch die Männer diese Veränderungen vorantreiben sollen, können und wollen. Es gilt also die Männer mit ins Boot zu holen.

 

(von: Daniela Magnani Hüller)