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Ich poste, also bin ich

Blogger, die per Text, Fotos und / oder Videos ihre Fans zu regelmäßigen neuen Seitenbesuchen animieren wollen, um nicht in Bedeutungslosigkeit zu versinken, haben ein permanentes Problem. Sie brauchen ständig Besucher und Wachstum auf ihrer Webseite oder ihrem Videokanal.

Deshalb widmen sie sich einerseits Themen, die aktuell hip zu sein scheinen oder Dingen, die irgendeine andere Art von Attraktivität für die Seitenbesucher haben könnten. Genau diese Notwendigkeit bewirkt, dass die Inhalte der meisten Blogs schlicht und einfach darauf ausgerichtet sind, den unstillbaren Hunger der Fans nach bestimmten Themen zu stillen bzw. scheinbar aktuelle Schlüsselthemen aufzugreifen, die vielleicht Wochen später schon wieder abgeschrieben sind.

Damit haben sie eigentlich das gleiche Problem wie Revolverblätter oder Klatschmagazine, die ebenfalls permanent auf der Suche nach dem nächsten Kitzel sind. Zugleich müssen sie ihre jeweils neuesten Zeilen, Fotos oder Videos auch noch massiv in möglichst allen Social-Media Kanälen ankündigen, über Kommentare, Live Streams, eben allen Instrumenten, die dazu verhelfen, weiter in der Gunst der User zu bleiben.

Blogger*Innen versuchen, ihre Posts so anzuteasen und zu platzieren, dass sie möglichst viele „Likes“ erhalten. Das hat auch sehr stark mit der Selbstwahrnehmung und dem Selbstwertgefühl zu tun. Je mehr „Likes“ sie bekommen, desto häufiger, und je weniger, desto seltener posten sie. Ein recht einfacher Zusammenhang, der etwas mit unserem Lernverhalten zu tun hat. Warum lieben wir das Gefühl, wenn ein Insta, Twitter oder Facebook-Eintrag geliked wird?

 

Belohnsystem

Längst hat die Wissenschaft herausgefunden, dass die allermeisten Elemente von Social Media das Belohnsystem des Menschen nutzen, um eine gewisse Abhängigkeit zu erzeugen. Nicht nur die User verhalten sich dabei wie Labormäuse,- auch die Blogger sind emotional abhängig davon, möglichst viele Likes für einen Postzu erhalten. Ihre Belohnsystem im Körper will immer mehr davon. Tatsächlich schüttet unser Körper einerseits Hormone aus, wenn wir scheinbar Erfolg (=Klicks, Likes, Kommentare) haben, andererseits funktioniert unser Belohnungsystem auch so, dass wir lernen, Verhaltensweisen, die bei Instagram und Co. erfolgreich waren, immer öfter zu wiederholen.

Forschungsreiehen mit Probant*Innen, deren Gehirnaktivitäten im MRT gescannt wurden, haben belegt, dass beim Liken von Posts, dem Erhalten von Likes oder auch dem Weiterleiten von kuriosen Bildern mit Phrasen oder „Memes“, im Gehirn exakt die gleichen Belohnungszentren aktiviert werden, wie bei positiv empfundenen realen Erfolgen wie Nahrung, Sex oder Geld. Dass unser Belohnungszentrum im Gehirn Dopamin ausschüttet, hat in der Evolutionsgeschichte des Menschen den Antrieb gesteuert, Zucker haltige Nahrung zu suchen, mit dem der Körper Fettreserven für schlechte Zeiten aufbauen konnte. So wie die Süßwarenindustrie heute diesen Mechanismus perfekt nutzt, so tun es auch die sozialen Netzwerke mit unserem Medienkonsum.

Diese Erkenntnisse beantworten teilweise die Frage, weshalb der Alltag vieler Menschen von sozialen Medien so stark dominiert wird. Psychologen erkennen darin klare Belege für menschliches Belohnungslernen und natürlich auch die Nähe zur Sucht.

 

Gemeinsame Einsamkeit

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die scheinbare soziale Anerkennung, welche soziale Medien vorgaukeln. Wer viele Likes erhält, empfängt dadurch scheinbar hohe Anerkennung und fühlt sich als Teil einer großen Gemeinschaft. Die Sehnsucht danach ist ebenfalls in der Evolutionsgeschichte des Menschen angelegt. Es war in der Frühzeit der Menschheit schlicht überlebenswichtig, Teil einer Gruppe zu sein. Diese bot Schutz vor Feinden, erleichterte die Jagd oder Suche nach Nahrung und war bei Verletzungen oder Krankheiten zwingend notwendig. Wer von seiner Gruppe ausgestoßen wurde, hatte nur geringe Überlebenschancen.

Gemeinsamkeit mit anderen Menschen verschafft Vertrauen, Zuwendung, ja Liebe. Das Problem mit sozialen Medien ist, dass diese nur noch auf Reflexe, auf eine Art technisch simulierter Gemeinsamkeit beruhen. Ohne die tatsächlichen Vorzüge von Gemeinsamkeit von Gruppenerfahrungen und sozialem Austausch, nutzen sie lediglich deren Effekte. So haben Forscher herausgefunden, dass reale Menschen, die sich treffen und austauschen, eine deutliche Ausgewogenheit im Dialog zeigen. Etwa ein Drittel der Gesprächszeit sprechen sie über sich selbst, ein weiteres Drittel hören sie zu, was ihr Gegenüber von sich erzählt und ein weiteres Drittel gehört anderen, neutralen Themen. Bei Posts ist das ganz anders, dort wird zu zwei Dritteln über sich selbst und eigene Erlebnisse oder Erfahrungen berichtet, eine deutliche Verschiebung in den Kommunikationsmustern.

Auch im realen Leben haben die meisten Menschen ein gwisses Mitteilungsbedürfnis. Allerdings ist man da ja mit Anderen zusammen, die das ebenfalls haben und man teilt die gemeinsame Zeit irgendwie untereinander auf. Interessant ist übrigens, dass unser Belohnungssystem bereits allein dadurch stimuliert wird, dass wir anderen Menschen Informationen über uns selbst mitteilen. 

 

Faktor Mensch

Allein bei Facebook sind Milliarden Nutzer registriert, die nahezu täglich Milliarden Statusmeldungen senden. Über eine halbe Milliarde Tweets werden täglich auf Twitter versendet, hunderte Millionen Bilder auf Instagram täglich geteilt. Die Konzerne verdienen auf vielfältige Weise hervorragend daran. Natürlich hat all das auch Nebenwirkungen. User*Innen, die das scheinbar glamouröse und bewundernswerte Leben insbesondere von Blogger*Innen sehen, emfinden ihr eigenes Leben dadurch als minderwertiger, als schlechter. Und sie verbringen sehr viel Zeit auf Social Media. Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen, die nicht auf Social Media aktiv sind, glücklicher und mit ihrem Leben viel zufriedener sind.

Dass zu große Abhängigkeit von Social Media, sei es als Blogger oder als User negative psychische Auswirkungen haben kann, ist hinlänglich bekannt. Man geht beispielsweise von 3-4 % an Menschen in Deutschland aus, die von Social Media krankhaft abhängig sind. Studien belegen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Social Media Aktivitäten und Depressionen. Dabei sind sich Fachleute weitgehend einig, dass es nicht die sozialen Medien sind, die so etwas von allein auslösen. Es gehört eine gewisse Grunddisposition dazu, damit negative Folgen von Social Media zum Tragen kommen. Labile Menschen sind hier deutlich gefährdet, wenn ihre Posts nicht geliked werden oder sie sogar negative Kommentare erhalten, kann das in die Depression führen. Wer in sich stabil ist, kann die Wirkungen von Facebook, Twitter, Insta, TicToc & Co besser relativieren. Soziale Medien sind aus unserer heutigen Medienwelt nicht mehr wegzudenken, doch es kann nichts schaden, wenn man deren Bedeutung ab und an hinterfragt und relativiert. Es ist wie in der Pharmazie,- die Dosis macht das Gift.

Nicht wenige Blogger, die irgendwann aufgehört haben, waren überrascht, wie schnell die Besuche ihrer Auftritte abgenommen hatten und das Interesse sich auf Andere verlagert hat. Spätestens dann zeigt sich der Unterschied zwischen echten, menschlichen Kontakten und den flüchtigen Klicks im Internet. Im Idealfall pflegt man Beides.

 

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