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Siegeszug der inhaltlichen Seifenblasen

Siegeszug der inhaltlichen Seifenblasen

Fließbandgefühle

Ein Begriff, mit dem zumindest hierzulande bis vor einigen Jahren noch niemand etwas anfangen konnte, erobert unsere Bildschirme. Dabei ist die Telenovela gar kein neues, junges, sondern ein ziemlich altes Fernsehformat.

Eigentlich bedeutet "Telenovela" (Spanisch) "Fernsehromane" und bezieht sich direkt auf die "Seifenopern", die amerikanischen Serien-Vorbilder. Vorläufer der Telenovelas waren  im Hörfunk vorgelesene Romane, sogenannte Radionovelas im Kuba der 30er Jahre.

Hauptgrund für diese Eroberungswelle sind einmal mehr die Produktionskosten, die bei Telenovelas sehr niedrig sind im Vergleich zu regulären Serien oder gar Fernsehspielen.

 

 

Basics

Lange haben wir sie belächelt, haben den Versuch der ARD mit der "Sklavin Isaura" oder "Sinha Mossa" aus Brasilien zu punkten verächtlich kommentiert. Telenovela war das Synonym für schnell runtergedrehte, die Welt vereinfachende Primitivgeschichten. 
Die Prinzipien "Arme unschuldige Schönheit trifft auf reichen Märchen-Industriellen-Chef verliebt sich und muss viele Widrigkeiten überwinden bis es zur Hochzeit kommt" oder "Auch gescheiterte, unehrenhaft verstoßene Kinder von Reichen sind liebenswerte Menschen" zogen sich durch praktisch alle Telenovelas. Wichtigste dramaturgische Regel war der kompromisslose Sieg der Guten am Ende jeder Staffel.

Paten für die Inhalte stehen Märchen und Melodramen. Dramaturgisch gesehen haben Telenovelas Ähnlichkeiten mit Serien, allerdings werden sie stets aus der Perspektive der weiblichen Hauptfigur erzählt und es steht schon zu Beginn das gute Ende fest. Damit wird auch deutlich, welche Zuschauerkreise durch Telenovelas vornehmlich angesprochen werden sollen.

Am Ende jeder Folge steht meist ein kurzes pseudodramatisches Ereignis, der berühmte "Cliffhanger", wodurch in den Zuschauern das Interesse geschürt wird, die nächste Folge einzuschalten, um zu erfahren, wie es weitergeht.

 

Spielregeln in den Ursprungsländern

Die Akteure der bis zu 300 Folgen währenden Novelas sind häufig Laien, fast gehört es zum Stil, dass die Darstellung dilettantisch rüberkommt. Texte werden auch nicht zwingend gelernt, in einigen Studios mit besonders hohem Output werden die Texte den Darstellern per Ohrhörer vorgesagt, inklusive Handlungsanweisungen. Kein Problem bei durchgehend einfältigen Handlungssträngen. Gerade die begrüßen auch weniger gebildete Zuschauer, aufwändige dramaturgische Strukturen würden hier nur verwirren.

Für Jahrzehnte war klar, dass Derartiges nur in den Armenvierteln Lateinamerikas erfolgreich vermarktbar sei, dort wo die meisten Menschen kein Geld, aber eine Fernsehantenne besitzen. Je mehr Arme es in einem Land gibt, die man von ihrer traurigen Wirklichkeit ablenken muss, desto erfolgreicher das Format. Je mehr von Unterdrückung, Opposition, Ungerechtigkeit und Demonstrationen abzulenken war, desto wichtiger die sedative Wirkung dieser Formate. Führende Telenovela-Nationen sind Brasilien und Mexiko mit täglich bis zu sieben Stunden verfilmter Groschenromane.

 

Importierte Seifenblasen

Doch die Zeiten ändern sich. Ob es inzwischen hierzulande mehr Armenviertel gibt oder die Sparzwänge der Sender Billigformate plötzlich unausweichlich scheinen lassen, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass auch über die heimischen Fernseher eine Telenovela-Welle ungeahnten Ausmaßes hereinbricht. Dabei werden nicht nur eingekaufte und synchronisierte lateinamerikanische Novelas wie etwa "Salome" (Story um eine Waisenkind-Tänzerin, die sich in einen Milliardärssohn verliebt) gesendet, sondern auch massenhaft Eigenproduktionen, die von heimischen Produktionsfirmen wie der Bavaria oder Grundy-UFA im Eiltempo runtergekurbelt werden.

Titel wie "Sophie-Braut wider Willen", "Bianca", "Verliebt in Berlin", "Sturm der Liebe", Rote Rosen oder "Tessa -Leben für die Liebe" entstehen in rasantem Eiltempo. 43 bis 50 Minuten pro Tag abzudrehen ist Standard, ein Produktionsausstoß, die für szenische Serienproduktionen bisher als völlig absurd galt. Selbst der Klassiker "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" schafft es am Tag nur auf 25 Sendeminuten. Eine Arbeitswoche Drehzeit galt bisher als Minimum für Serien.

 

Fließband-Produktion

Hinter den Produktionen der deutschen Telenovelas stehen die üblichen Großproduktionen: Grundy UFA TV oder auch die Bavaria. Die Innenmotive werden weitgehend in Studiokulissen gedreht, wahlweise in den Bavaria Studios oder in Potsdam-Babelsberg, das spart jede Menge Zeit. Die Kosten für etwa 50 Minuten Programm liegen bei ca. 75.000 Euro, ein vergleichsweise kleiner Betrag.

Die industrielle Massenware fordert auch andere Produktionsmethoden. So werden die Drehbücher etwa von ganzen Teams oder vielen einzelnen Autoren geschrieben.  Meistens gibt ein Autor eine Handlungslinie vor, die dann von den anderen in die jeweiligen Folgen eingearbeitet wird. Für "Julia -Wege zum Glück" etwa schreiben Petra Bodenbach und ein nicht näher benanntes Autorenteam, für "Sophie -Braut wider Willen" Cornelia Deil-Sanoh und ihr Autorenteam.

Einige der Novelas werden bereits bandlos auf Wechselfestplatten gedreht, um die hohen Produktionsgeschwindigkeiten zu unterstützen. Dadurch entfallen sonst übliche Wartezeiten wie Eindigitalisieren oder Einspielen in der Postproduktion. Auch der hier und da favorisierte etwas süßliche Märchenlook wird per Avid-Plug-In gleich in einem Arbeitsgang über das Material gelegt.

 

Was bleibt...

Was das unterirdische Niveau angeht, brauchen sich die aktuellen deutschsprachigen Telenovelas, die teilweise in Koproduktion deutscher, österreichischer und schweizer Fernsehanstalten entstehen, nicht vor ihren südamerikanischen Vorbildern zu verstecken. Fürchten muss man sich allerdings vor einer neuen Generation von Fernsehzuschauern, die aus den zweifelhaften Erzählphilosophien Maßstäbe für ihr reales Leben gewinnen werden.

Ihre holzschnittartigen Figuren erinnern in ihrer Differenziertheit eher an Comics, das Gute, das Böse, Reich und Arm. Romantik und Schicksal als Konzentrat medialer Glanzbilder. Noch geben die Einschaltquoten der deutschsprachigen Zuschauer auf ihren Sofas in den Slums, den Faveilas, den Fernsehmachern Recht. Vielleicht hält der Trend ja an, bis auch der letzte Zuschauer vergessen hat, wie gut gemachte Serien aussehen.

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