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Warum synchronisieren?

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Sprachsynchron ist Schauspielkunst ohne Kamera

 

Deutschland und Spanien sind neben Türkei oder Indien die Länder, in denen die meisten Filme synchronisiert werden. Während allerdings in der Türkei und Indien inländische Produktionen schlichtweg stumm gedreht und nachträglich im Studio mit Ton versehen werden, sind es in Deutschland hauptsächlich fremdsprachige Filme, die in deutscher Sprache nachsynchronisiert werden.

Es ist vermutlich die Sehgewohnheit, die dazu geführt hat, dass hierzulande angeblich die Mehrheit der Kinobesucher keine Lust hat, ständig Untertitel zu lesen. In anderen Ländern wird nur sporadisch nachsynchronisiert, etwa, wenn bestimmte Textteile des Originaltons einfach nicht verwendet werden können. Über den Sinn von Synchronisationen kann man vortrefflich streiten. Gehört denn nun das Timbre einer Stimme zum Schauspieler dazu oder kann man sie einfach ersetzen? Eigentlich gehört die Stimme doch ganz wesentlich zur schauspielerischen Darbietung dazu. Bedenkt man, dass die meisten Synchronsprecher für mehrere Originalstimmen besetzt werden (natürlich nicht innerhalb eines Films), wird klar, dass hier, auch bei sorgfältiger sprecherischer Arbeit, ein Stück Individualität verloren geht.

 

Einer für alle

Synchrontext

Die Take-Liste mit den Dialogen

Eine Sprecherin, die je nach Film Nicole Kidman, Julianne Moore sowie Uma Thurman synchronisiert, hat ein Problem, wenn zwei der Stimmen in einem Film gleichzeitig benötigt werden. Man rettet sich in solchen Fällen, indem eine zweite Sprecherin eine der anderen Originalstimmen ersetzt. Die legendäre Marion Degler sprach die von der Tonalität sehr weit auseinander liegenden Stimmen von Audrey Hepburn, Sophia Loren und Marilyn Monroe. Glücklicherweise spielten die drei Schauspielstars nie in einem Film gemeinsam, sodass es nie zu einem Konflikt kam.

In manchen Fällen besonders rigider Sparpolitik werden Kinderstimmen gar durch erwachsene Sprecher synchronisiert, die dann mit Quietschstimme sprechen. In manchen Ländern kommt es vor, dass innerhalb eines Filmes ein Sprecher gleich mehrere Stimmen übernehmen muss.

 

 

Ein aufwändiges Unterfangen

So gut wie jede Produktion, die für eine internationale Verwertung vorgesehen ist, wird mit einem IT-Band (M&E-Mix), auf dem alle Geräusche, Effekte, Atmos, Musiken aber keine Sprache vorhanden sind, angeliefert. Auf diese Weise kann man die Synchronstimmen in jedem Land individuell dazumischen ohne auch noch die übrigen Töne neu aufnehmen zu müssen. Manchmal allerdings sind die mitgelieferten IT-Bänder lückenhaft, dann müssen Geräusche und Atmos aus dem Tonarchiv hinzugefügt werden.

 

Technische Abläufe

Früher zerteilte man die nach zu synchronisierenden Szenen in kleine Schleifen, versah sie mit einem Synchronstart (Achtung 1-2-3) und ließ sie als Endlosschleifen (looping) durch den Filmprojektor laufen. Synchron verkoppelt liefen analoge Tonträger (Mehrspurtonband, Perfoband etc.) und nahmen die nachgesprochenen Sätze auf. Die Sprecher sprachen dann immer wieder die Sätze, bis die Länge und Betonung der neuen Sprachfassung passte. War ein Textteil fertig, wurde nächste Schleife eingelegt.

Heute werden die kleinen ein oder zwei Sätze langen Teile von Band oder Festplatte zugespielt. Die Cutterassistenten müssen keine Starts mehr kleben, der Steuercomputer generiert Vorzähler automatisch. Video-Zuspieler, Computer und Aufnahmedium (DAT-Recorder, ADAT, DA88, AUGAN MOD Rekorder, Pro-Tools, AudioVision etc.) werden mit dem Bild elektronisch per Timecode (Link) verkoppelt. Nach einigen Versuchen liegen die verschiedene Fassungen dann zur weiteren Bearbeitung gleich synchron zum Bild.

Der Arbeitsablauf wird durch moderne Verfahren, ADR (Automated Dialog Replacement) genannt, etwas vereinfacht. Der Sprecher hört, bevor die zu sprechende Stelle mit Dialog  beginnt, ein akustisches Signal (z. B. drei Piepser) und weiß auf diese Weise genau, wann es losgeht. Das System spult alle Geräte immer wieder zurück an den Startpunkt und der Vorgang wiederholt sich so lange, bis die Aufnahme gelungen ist. Das entscheidet in der Regel der Cutter oder der Synchronregisseur. Dann fährt das System automatisch zum Beginn des nächsten Synchrontexts (Cue-point). Das System arbeitet die vorher von den Cutterassistenten erfassten Take-Listen automatisch ab. Manche Systeme passen sogar die Länge des nachgesprochenen Textes an die vorgegebene Dialoglänge an.

Zudem erstellt es automatische Gruppen/Spurenpläne, erzeugt Einblendungen, welche die Länge des Takes anzeigen (Take-Längen-Indikator/Laufbalken), schützt vor dem versehentlichen Löschen bereits fertiger Aufnahmen oder der Timecode-Spur, findet automatisch eine freie Spur. Auch so angenehme Features wie das „Achtung, Aufnahme!“-Rotlicht vor der Studiotür oder das automatische Abschalten der Abhöre (für den Originalton) oder der Klimaanlage während der Aufnahme können vom System automatisch gesteuert werden.

 

In der Sprecherkabine

Synchronsprecherin 2000

Auch Emotionen wollen übersetzt sein.

 

Die Sprecherkabine oder der Aufnahmeraum ist meistens so ausgelegt, dass die Stimmen möglichst „trocken“, also ohne Schallreflexionen aufgenommen werden können. Damit man das Filmbild gut sehen kann, ist der Raum abgedunkelt und am Sprecherpult gibt es eine kleine Lampe um das Textmanuskript zu beleuchten. Im Regieraum, der durch eine Glasscheibe vom Aufnahmeraum getrennt ist, sitzen neben Tonmeister und Cutterin meist auch ein Synchronregisseur, um die Aufnahmen zu beurteilen und zu entscheiden, ob sie stimmlich sowie von der Synchronität her einwandfrei waren.

Neuere Konzepte trennen Regie- und Sprecherraum nicht mehr voneinander. Auf diese Weise ist der Dialog direkter, man spricht und hört gemeinsam ohne Umweg über Mikro und Talkback. Diese Arbeitsweise ist intuitiver, auch wenn viele Sprecher gerade die räumliche Trennung als Konzentrationshilfe begrüßen.

Die meisten Synchronsprecher sind auch selbst Schauspieler und können durch diese Vorgabe die geforderten Emotionen ihrer Schauspielkollegen, dies sie nachsprechen, besser umsetzen. Meist bekommen sie für ihre Anfahrt zum Studio einen Grundpreis und werden dann nach der Anzahl ihrer gesprochenen Takes bezahlt. Nicht selten sprechen sie auch an einem Tag Stimmen für ganz unterschiedliche Filme. Der Sprecher beobachtet am Sprecherpult das Bild (meist vom Videobeamer) und hört über (geschlossene) Kopfhörer oder Studiolautsprecher (vor der Aufnahme) den Originalton. Dazu spricht er seinen Text möglichst passend zu den Lippenbewegungen und der gehörten Sprechweise ins Mikrofon. Vielfach versuchen die Sprecher auch die Körperbewegungen mitzuspielen, um eine authentische Wiedergabe zu erzielen. Oft genug kommt es vor, dass die synchronisierte Version sogar emotional besser ausfällt als das Original. Die Synchronisation ist somit auch eine Chance, sogar Inhalte zu verändern und schlecht gespielte Szenen zu retten.

Manche Tonmeister bestehen darauf, sogar die Synchrongeräusche mit Tonangel aufzunehmen und platzieren die Sprecher in ähnliche Situationen wie im Film. Sitzt die Filmfigur am Tisch, wird auch der Synchronsprecher an einen Tisch gesetzt. Man hört den Unterschied! Die Stimme ändert sich, wenn man sitzt und zudem reflektiert die Tischoberfläche die Stimme ein wenig.

 

Mehr Infos zum Beruf Synchronsprecher gibt es im Bereich Schauspiel.

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