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Deuces Wild

Regie: Scott Kalvert, USA 2002

Brooklyn 1958: Die Deuces, angeführt von dem charismatischen Leon (Stephen Dorff), beherrschen den Sunset Park. Ihre Regel: Keine Drogen in unserem Revier. Drei Jahre zuvor starb einer von Leons Brüdern an einer Überdosis, die er dem damaligen Anführer der gegnerischen Vipers – Marco (Norman Reedus) – zu verdanken hatte. Marco wanderte ins Gefängnis und die Reviere wurden unter der Oberherrschaft von Fritzy (lustlos: Matt Dillon) abgesteckt. Als Marco aus dem Gefängnis entlassen wird, ist die Zeit relativer Ruhe vorbei: Marco dringt in das Gebiet der Deuces ein, um sein Drogengeschäft auszubauen und Rache für seinen Gefängnisaufenthalt zu nehmen. Leons hitzköpfiger Bruder Bobby (Brad Renfro) gießt weiter Öl in das Feuer der eskalierenden Gewalt. Dass er sich in die Schwester (Fairuza Balk) des Viper-Anhängers Jimmy (Balthazar Getty) verliebt, verschärft die Situation nur noch mehr...

Was passiert, wenn „Braveheart“ auf „Eis am Stiel“ trifft? Die Drehbuchautoren Paul Kimatian und Christopher Gambale geben die Antwort: Tumbe Raufbolde schlagen sich auf die geringste Provokation hin gegenseitig die Schädel ein. Die Wandlung der Hauptfigur vom brutalen Schläger zum oberbrutalen Schläger ist wenig reizvoll; die reaktionäre Moral des Films nervt ohnehin. Regisseur Scott Kalvert hat kein Gespür für die Verfehlungen seiner Figuren. Anstatt sie als die gebrochenen Menschen zu zeigen, die sie sind, huldigt er in ästhetisierten Bildern ihren Kämpfen um Revier und Ehre. Wäre er doch nur bei Musikvideos geblieben. Da ist spätestens nach fünf Minuten alles vorbei.

Michael Wolf

Requiem for a Dream

Regie: Darren Aronofsky, USA 2000

Wie viel kann ein Filmtitel über ein Werk aussagen? Wie viel verrät er? Wie viel verfälscht er? Requiem for a Dream, das kann niemand ernsthaft bestreiten, ist ein sehr schöner Titel, poetisch und ohne süßlichen Nachgeschmack. Zurecht wurde er deshalb auch weder in Frankreich noch in Deutschland – zwei Länder, die mit Vorliebe ihren eigenen sprachlichen Stempel auf ein amerikanisches Produkt setzen – in irgendeiner Form verändert. Requiem for a Dream erweckt im Zuschauer nämlich Vorstellungen von einem traurigen, sanften Film, mit langsamen Kamerafahrten und blauem und blassem Licht. Ganz so gewaltlos wie erwartet erweist sich das neue Werk von Regisseur Darren Aronofksky allerdings nicht. Diejenigen, die seinen Film Pi bereits gesehen haben, erwarten das auch nicht, ebenfalls mit Drehbuchautor Hubert Selby, Jr. entwickelt. Interessant in diesem Fall aber, dass der Titel nach der Vorführung eine gänzlich andere Bedeutung bekommt. Er bezieht sich nämlich weniger auf das, was die Bilder zeigen, als auf das, was die Bilder nicht zeigen, auf das nämlich, was der Zuschauer selber fühlen und erkennen soll. Der Titel gibt in diesem Fall interpretatorische Ansätze, ermöglicht aber vor allem dem Zuschauer den Film überhaupt zu überstehen, indem er ihm eine Ruhe verleiht, die er nicht hat.

Ein Traum, das ist, was alle Personen in Aronofskys neuem Film gemeinsam haben. Sara (Ellen Burstyn), eine einsame Witwe, bekommt eines Morgens einen Brief, in dem sie als Kandidatin zu einer Fernsehshow eingeladen wird. Für diesen Anlass möchte sie abnehmen, um bei der Show ihr altes, rotes Kleid zu tragen. Das hatte sie nämlich bei dem High School-Abschluss von ihrem Sohn Harry (Jared Leto) an. Der wiederum, ein verletzlicher, einsamer Junge, träumt vom gemeinsamen Laden mit seiner neuen Freundin Marion (Jennifer Conelly), die endlich neue Hoffnung in sein Leben bringt. Um sich seinen Drogenkonsum zu finanzieren, verkaufte Harry bislang regelmäßig den Fernseher seiner Mutter, die ihn seit Jahren ohne Klagen immer wieder bei dem selben Trödelmarkthändler abkaufen musste. Doch Harry liebt seine Mutter und möchte auch ihr ein besseres Leben ermöglichen. Um all diese Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen, beschließt er mit seinem besten Freund Tyrone C. Love (Marlon Wayans) vom Konsumenten zum Dealer aufzusteigen – mit Erfolg.

Doch der Traum ist auch das, was alle mit in den Abgrund stürzt. Die Abmagerungskur von Sara bei einem dubiosen Doktor erweist sich als verkappte Drogentherapie. Doch sie ist ihrem Traum bereits zu nahe, um sich dessen bewusst zu werden. Die verschiedenfarbigen Pillen, morgens, mittags, abends, nachts betrüben allmählich ihren Wahrnehmungssinn, während die Geldsuche von Harry und Tyrone C. Love und die zunehmende Drogensucht von Marion das Leben der drei jungen Menschen in ähnlich angsterregende Situationen versetzt.

Zu Beginn wirken die Drogenszenen – durch gelungene Sound-Effekte, extravagante Bilder und schnellen Schnitt an die Aspirineinnahmen von Pi erinnernd – noch harmlos und amüsant. Genau diese Sequenzen erscheinen dem Zuschauer jedoch kurz darauf bedrohlich und angsterregend. Die Schönheit der Hauptdarsteller, ihrer Gesten, ihrer Worte schlagen allmählich in das Gegenteil um. Schwitzend und leidend irrt jeder seinem eigenen – bereits unerreichbaren – Traum hinterher. Auch der Zuschauer, der durch den schnellen Schnitt bis an die Grenzen der Bilderwahrnehmbarkeit – und der Erträglichkeit geführt wird. Mit ihren Träumen scheinen auch die vier Menschen zugrunde zu gehen und so erweist sich der Film auch als ein Requiem für die vier Hauptpersonen.

Julie Kreuzer

Memento

Regie: Christopher Nolan, USA 2000

Leonard Shelby (Guy Pearce) ist gezeichnet. Am ganzen Körper hat er Tätowierungen. Die wichtigsten Fakten seines Lebens sind in seine Haut gestochen: „John G. hat meine Frau vergewaltigt und ermordet.“, gefolgt von einer Liste mit Informationen über den Täter. Leonard hat seit dem grausamen Tod seiner Frau kein Kurzzeitgedächtnis mehr. Seit diesem Tag kann er keine neuen Erinnerungen mehr speichern. Er lernt die Personen, die ihm helfen sollen, den Täter ausfindig zu machen und zur Strecke zu bringen, mehrmals am Tag neu kennen, kann sich am Ende einer Unterhaltung nicht mehr an den Anfang erinnern. Seine Erlebnisse gerinnen in zahllosen selbst angefertigten Polaroids, Notizen und eben Tätowierungen zu einem zersplitterten Bild seiner Wirklichkeit. Doch wie verlässlich ist das Bild, das diese Splitter zeichnen? Da ist Teddy (Joe Pantoliano), der Leonard bei seiner Suche zur Seite steht, doch die Aufzeichnungen besagen, dass er ein Lügner ist. Die Anmerkungen auf Natalies (Carrie Anne Moss) Polaroid besagen, dass sie genau wie Leonard einen schmerzlichen Verlust erlitten hat und ihm helfen wird...

Der Film beginnt damit, dass Leonard Teddy durch einen Kopfschuss tötet. Wie der Hauptdarsteller weiß auch der Zuschauer nichts über das Vorangegangene, wer das Opfer ist und warum es sterben musste. In kurzen Fragmenten geht Regisseur Christopher Nolan von diesem Zeitpunkt an rückwärts durch die Geschichte, um das Geschehene Stück für Stück aufzudecken. Dabei kann sich der Zuschauer nie auf die Objektivität der Kamera verlassen; vielmehr ist er strikt den gleichen Wahrnehmungsbeschränkungen unterworfen wie Leonard.

Nolan hat einen faszinierenden Film über die Subjektivität der Wahrnehmung geschaffen. Anhand der Krankheit des Hauptdarstellers demonstriert der Regisseur auf clevere Weise Fehlbarkeit und Grenzen menschlicher Induktion, denen wir letzten Endes alle – auch beim besten Bemühen um Objektivität – unterworfen sind. Also trauen Sie diesen Zeilen lieber nicht. Sehen Sie selbst.

Michael Wolf

Der Cuba Coup

Regie: Daniel Diaz Torres, Kuba/Deutschland/Spanien 2000

Alles lief so schön in der Innenstadt Kubas. Die Gauner beklauen die Touristen und die Polizei schnappt sich die Gauner. Und das hätte auch so bleiben können, wenn die Ehefrau des pensionierten Polizisten nicht Björn, einen Literaturprofessor aus Schweden als Feriengast in die Familie gebracht hätte, denn plötzlich spielt das ganze Stadtviertel verrückt. Nicht ohne Grund, denn während sich Touristen aus Angst vor Überfällen kaum noch hierher verlaufen, haben die Kleinkriminellen längst ein ganz anderes Problem: Ein unbekannter Europäer raubt sie aus – einen nach dem anderen...

Dieser kurze Abriss aus der Handlung wird dem Cuba Coup übrigens in keinster Weise gerecht, aber dafür wäre hier auch nicht genug Platz. Es hat einen guten Grund, dass die Kinos bei beiden Aufführungen restlos ausverkauft waren: Der Film stammt aus Kuba und er ist zurecht ein richtig heißer Tip des diesjähigen Filmfests. Eine charmante, ironische Gaunerkomödie mit viel Herz, südlichem Temprament und einer tollen musikalischen Untermalung. Muss man mehr sagen? Ja: Der Film kommt bald bei uns in die Kinos – reingehen!

Domink Leiner

Lovely Rita

Regie: Jessica Hausner, Österreich 2001

Loveley Rita ist eine österreichisch-deutsche Produktion, die in der trostlosen Realität einer österreichischen Stadt spielt. Das Thema des Films ist die Trostlosigkeit. Rita, ca 16 Jahre, hat Probleme mit der Schule, der Familie und ihrer öden Existenz und genau diese Stimmung zieht sich durch den gesamten Film. Wahrscheinlich trägt nicht nur der breite Wiener Dialekt dazu bei, dass der Film bei uns nicht ganz so gut ankommt. Vielmehr spiegelt sich die Trostlosigkeit auch in den Dialogen, in der technischen Umsetzung, in der Dramaturige, der Symbolik und in der szenischen Gestaltung wieder, welche zwar sehr detailliert und realitätsnah gelungen ist, aber keinerlei Akzente zu setzten vermag.

Dadurch versinkt man auch als Zuschauer in eben dieser Stimmung und vor allem im Kinosessel. Dieser Film hätte den Zuschauer als Kurzfilm sicherlich tiefer beeindruckt und irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass er eher ins Programm des Filmfests der Hochschulen gepasst hätte.

The End

Dominik Leiner

The Center of the World

Regie: Wayne Wang, USA 2001

In einem Nachtclub begegnet der Computer-Experte Richard (Peter Saarsgard) der Schlagzeugerin Florence (Molly Parker), die abends in einer Bar als Stripperin mit heftigen Auftritten überarbeiteten Geschäftsleuten den Feierabend versüßt. Angezogen von ihrer undurchschaubaren Art lädt er sie spontan zu einem Kurzurlaub nach Las Vegas ein. Trotz anfänglicher Bedenken lässt sie sich schließlich darauf ein – nicht ohne Bedingungen: Kein Küssen auf den Mund, keine Gefühlsduselei, keine Penetration („Was heißt das?“ – „Kein Ficken.“), ein getrenntes Zimmer und feste Arbeitszeiten.

Während Richard Flo näher kommen will, versucht diese trotz ihrer Unsicherheit, auf professionellem Abstand zu bleiben: Sie beginnt pünktlich mit der Arbeit, strippt für Richard, leistet ihm Gesellschaft und geht mit ihm aus, nur um sich nach Dienstschluss ebenso pünktlich wieder auf ihr Zimmer zurück zu ziehen. Kein Küssen, keine Gefühle, keine Penetration.

Doch wider Erwarten erwachen trotz Richards begieriger Berechnung auch in ihr Gefühle. Es dauert nicht lange, bis die beiden mit ihren Regeln brechen...

Wayne Wang („Smoke“, „Blue in the Face“) erzählt mit „The Center of the World“ eine obsessive Großstadtgeschichte über zwei einsame Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen, aber immer wieder über eine Vereinbarung stolpern, die sie eigentlich zu ihrem Schutz getroffen hatten.

Während Richard von Anfang an handfeste Motive verfolgt, kann Flo sich ihre Gefühle selbst kaum eingestehen, geschweige denn Richard. Sie ist hin- und hergerissen zwischen der festen Absicht, Richards Experiment scheitern zu lassen, und dem heimlichen Wunsch, ihm näher zu kommen. Womöglich hofft sie auch, in der professionellen Abwicklung des Wochenendes eine Bestätigung für ihre lebensbestimmende Haltung zu finden, Gefühle und Geschäft auf unmögliche Weise voneinander zu trennen.

Wangs Film ist formal innovativ, aber dabei nie umstürzlerisch: Die digitalen Videobilder passen zu der urbanen, multimedialen Welt Richards; auch die wenigen pornografischen Elemente sind frei von jenem müßigen Ballast, der oftmals künstlerischen Präzedenzfällen anhaftet. Vielmehr bringt Wang an ausgewählter Stelle seine expliziten Bilder mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte die Pornografie schon immer zu den etablierten Stilmitteln des dramatischen Kinos gehört. Vielleicht ist das das eigentlich Schöne an dem Film: dass er Kunst ist, ohne künstlich zu sein.

Michael Wolf

Mondscheintarif

Regie: Ralf Huettner, Deutschland 2001

Liebe ist etwas wunderbares, aber verliebt sein ist die Hölle. Es gibt Regeln: Die Frau ruft nach dem ersten Sex nicht an. Aber wie viel Zeit darf vergehen, bis der Mann anruft? Drei Tage, aber jetzt ist Samstag Abend und Coras Traummann hat noch immer nicht angerufen...

Die Handlung ist nicht tiefsinnig und man muss keine Moralpredigten über sich ergehen lassen. Der Film „Mondscheintarif“ ist eine zuckersüße Liebesgeschichte und ausnahmsweise auch für männliche Wesen geeignet. Einen Film made in Germany, bei dem sich das ganze Kino vor Lachen biegt, muss man sich einfach anschauen!

Dominik Leiner

The Contender

Regie: Rod Lurie, Frankreich/USA 2000

Als der Vizepräsident der Vereinigten Staaten überraschend stirbt, beschließt Präsident Jackson Evans (Jeff Bridges), die weibliche Senatorin Laine Hanson (Joan Allen) für den Posten zu nominieren. Gouverneur Jack Hathaway (William L. Petersen), der zuvor durch einen zwar erfolglosen, aber mutigen Rettungsversuch einer ertrinkenden Frau zum Helden avancierte, spekuliert – angetrieben von seiner ehrgeizigen Ehefrau (Kristen Shaw) – ebenfalls auf das Amt. Seine Sympathisanten, allen voran der gewiefte Republikaner Sheldon Runyon (umwerfend: Gary Oldman), lancieren einen Sexskandal aus Hansons Jugendzeit, der sich auf vage Aussagen und zweideutige Fotos stützt, um die Senatorin zu Fall zu bringen.

Als der Bestätigungsausschuss unter der Leitung von Runyon seine Untersuchungsarbeit aufnimmt, gerät Hanson zunehmend unter Druck, sich zu rechtfertigen. Doch sie bleibt standhaft: Ihr Privatleben geht niemanden etwas an.

Rod Lurie, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, inszenierte einen spannenden, unterhaltsamen Polit-Thriller, der einmal mehr die Manipulierbarkeit des amerikanischen Regierungssystems anprangert. Ausführender Produzent und Bösewicht Gary Oldman besticht – anders als in früheren Rollen – durch distinguierte, subtile Boshaftigkeit. Zu den sympathischen Schwächen des Films zählt neben dem genreüblichen Pathos ein unrealistisch derber, ruppiger Präsident, der sich, wenn es drauf ankommt, plötzlich zu unvermuteten moralischen Höhenflügen aufschwingt. Ärgerlich auch, wie billig Lurie Sympathien für Hanson heischt, indem er den Gegenkandidaten unnötig verteufelt. Unverzeihlich aber, dass er am Ende die Botschaft des Filmes der Neugier des Zuschauers opfert, indem er Hansons Vergangenheit doch preisgibt. Auch wenn er es nie zugeben würde: Das amerikanische Volk kann wohl nur mit der Gewissheit in Frieden schlafen, dass seine Vertreter anständigeren Sex haben als seine Bürger.

Michael Wolf

24/7. Sunset Boulevard

Regie: Eckhart Schmidt, Deutschland 2001

Das Münchner Filmfest kann verdammt anstrengend sein. 24/7. Sunset Boulevard ist ein viel versprechender Titel, aber im dunklen Kinosaal wartet für Hollywood-verwöhnte Konsum-Kinogänger das (künstlerische) Grauen... Nun – Filme auf dem Filmfest sind eben keine normalen Vorführungen – und so warnte der Regisseur, ein sympathisch wirkender Mann um die 50, das Publikum vor der Vorstellung sinngemäß: „Dies ist die erste Aufführung des Films. Es handelt sich um einen Experimentalfilm mit nur einer Schauspielerin; der eigentliche Film soll im Kopf entstehen. Es kann am Anfang etwas schwierig sein, aber wenn Sie dem Film eine Chance geben, können Sie reinkommen.“ – sehr überzeugend.

Der Saal verdunkelt sich. Ein Sonnenuntergang und nur als Schatten zu erkennen ein Kopf. Eine weibliche Stimme erzählt, wie vergänglich das Schöne dieser Welt ist. Die Stimme gehört der einzigen Schauspielerin und diese erzählt vor verschiedenen Gebäuden des Sunset Boulevards 90 Minuten lang Ihre Liebesgeschichte zu Raoul. Alle Szenen spielen im Freien – wie auf den Urlaubsfotos meiner Mutter: Im Vordergrund immer die Hauptperson, im Hintergrund das Gewusel der amerikanischen Straßen. Zwischen den extrem langen Einstellungen taucht in verwischten, pixeligen Bildern einer DV-Handkamera immer wieder ein Schwenk des Sunset Boulevards auf. Ihre Geschichte, welche die Hauptperson sehr überzeugend vor der Kamera erzählt, ist – Zitat des Autors und Regisseurs – „eine meiner Liebesgeschichten“ und erinnert an die 08/15-Liebesromane vom Bahnhofskiosk. Obwohl Raoul – der Lover – ständig fremd geht, zweimal Ihre Wohnung ausräumt und danach für Wochen mit ihrem Auto verschwindet, welches sie nie mehr wieder sieht, schwul ist, mit fiesen Typen einer Gang herumhängt und am Schluss wegen versuchter Erpressung eines Hollywood-Stars im Gefängnis landet, denkt die Protagonistin immer nur daran, Raoul „bedingungslos zu lieben“ und ihm alles zu vergeben. Wenn sie ausnahmsweise nicht von Ihrer bedinungslosen Liebe zu ihm spricht, schwärmt Sie davon, mit ihm Sex zu haben.

Hört sich langweilig an? Diesen Eindruck hatte ich auch – allerdings erst nach gut einer Stunde. Die Schauspielerin spielt diesen Film, immerhin satte 90 Minuten Alleingang, absolut überzeugend und ich hätte nach dem Film nicht sagen können, ob es sich nicht doch um ihre wahre Lebensgeschichte handelt.

Schön, dass es keine normale Kinoaufführung war, denn dann hätte ich den Saal mit einem ziemlich negativen Eindruck verlassen. Als es im Saal wieder hell wurde, erschien zwischen den Reihen der Regisseur (und Autor) und fragte, wie sein Film denn nun angekommen sei. Seine größte Angst, der Zuschauer könne sich nicht in den Film hineinversetzen, erwies sich als unbegründet. Furchtbar wichtige Kinobesucher mit einem künstlerischen Verständnis, auf welches ich keinen Anspruch erhebe, lobten den Film sofort in den Himmel – so voller Ausdruck und künstlerischem Anspruch, eine Gratwanderung, trief...

Ich denke nicht, dass diesem Film ein großer Erfolg an den Kinokassen zuteil werden wird. Aber es ist sehr versöhnlich, wenn der Regisseur, in dem man beinahe einen voyeuristischen Verrückten vermutet, selbst sagt, wie unrealistisch die Handlung ist und dass man diesen Film symbolisch zu verstehen habe – es geht eben um die Liebe. Laut seiner Aussage war es sogar für die Darstellerin verdammt schwer, sich vorzustellen, dass sie Raoul noch immer liebt, obwohl er ein untreuer Herumtreiber ist. „Wir mussten diese Szene zehn mal drehen, und sogar beim letzten Mal hat Sie mir was reingewürgt – das haben wir dann rausgeschnitten.“

Dominik Leiner

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