
Es war zu der Zeit, als Visual Effects am Computer alles andere als selbstverständlich waren. Wim Wenders hatte im Jahr 2000 seinen Film "The Million Dollar Hotel" vorgestellt, einen Film Noir mit einer Liebesgeschichte. In der Berichterstattung wurden stolz über 100 visuelle Effekte angepriesen, die für diesen Film erstellt wurden. Damals haben laut WIM Wenders Archiv und IMDB Philip D. Bartko, David Domeyer, Kristine Onesky und George Vrattos bei den Effekten mitgewirkt. Wer sich den Film allerdings angeschaut hat, der fragt sich ein wenig, wo denn überall visuelle Effekte zum Einsatz kamen.
Was einem tatsächlich ins Auge fällt ist das leuchtende Schild auf dem Dach des Hotels, welches in der Realität nur ein riesige, altes, verrostetes Gestell war. Zu Beginn des Filmes schwebt die Kamera über der glitzernden Skyline von Los Angeles, dann fährt die Kamera herunter und herum zum Schild des Million Dollar Hotels. Hier haben die VFX Artists die Hotelwerbung grandios zum Leuchten gebracht. Auch der visuelle Sturz vom Dach und die Parallelfahrt hinunter auf die Straße sind visuelle Glanzleistungen. Nach vielen anderen VFX Elementen, die erzählsprachlich den Film bereichert haben, muss man allerdings suchen. Offensichtlich bestand schon damals ein großer Teil der Visual Effects aus Bildkorrekturen. Da wurden Anschlussfehler kaschiert, Objekte wegretuschiert und vieles mehr. Heute ist das fast zum Alltag geworden.
Digital Face Replacement
Beim Film "Gladiator", ebenfalls aus dem Jahr 2000 fehlten nach dem dem Tod von Oliver Reed (Proximo) noch einige seiner Szenen. Zudem waren teilweise Mikrofone oder unpassende moderne Gegenstände in einigen Takes (Einstellungen) sichtbar. Da es damals noch keine KI gab, mussten die fehlenden Szenen von einem Double gespielt werden und Oliver Reeds Gesicht per CGI auf dessen Körper montiert werden (Face Replacement). Die im Bild vergessenen modernen Objekte und natürlich unpassende Elemente außerhalb des Sets wurden digital wegretuschiert. (Digital Cleanup)
Digital Cleanup
Visual Effects sind heute zu einem wesentlichen Produktionswerkzeug geworden um den gedrehten Filmaufnahmen etwas auf die Sprünge zu helfen. Manchmal werden Fehler von den Produktionsfirmen entweder übersehen oder aus Kostengründen für tolerierbar gehalten. Das kann auch in die Hose gehen, wie etwa 2019 bei "Game of Thrones" In der 8. Staffel gab es eine Szene, in der ein Starbucks-Becher auf dem Tisch vor Daenerys Targaryen stand. Als Fans den Fehler bemerkten und das Ganze viral ging, wurde der Pappbecher digital rausretuschiert. Dabei kamen Digital Cleanup / Plate Reconstruction (Hintergrund wurde neu gemacht und über die alte Aufnahme gelegt) zum Einsatz.
Besonder wichtig wird VFX bei historischen Filmen insbesondere wenn man es mit Großstadtszenen zu tun hat. Hier sei nur Beispielhaft "The Wolf of Wall Street" (2013) genannt, dort mussten alle modernen Elemente wie Werbetafeln, Schilder, moderne Autos etc. ersetzt und auch die Farben angepasst werden. Also eine Art digitale Zeitretusche. (Set Extension & Object Replacement)
Bekannt wurde auch der Fall von James Bond 007 Skyfall (2012) in welchem Bond-Darsteller Daniel Craig in einigen Aufnahmen eine Uhr trug, die beim Herausbringen des Films nicht mehr mit dem aktuellen Marketing des Product Placements übereinstimmte. Auch hier kam VFX (Digital Prop Replacement) zum Einsatz.
Digital Continuity Fix / Matchmove
Inzwischen ist es häufig üblich, selbst die Blickrichtung und Körperhaltung von Filmfiguren digital auszugleichen — im Grunde handelt es sich dabei umd digitale Anschlusskorrekturen. Und auch bei TV Filmen, Reihen und Serien kommt es immer häufiger vor, dass VFX zur Anwendung kommt. Die Preise sind mit den verbesserten technischen Möglichkeiten und den verkürzten Renderzeiten deutlich gefallen, dennoch sind VFX Einsätze kostspielig und Produzenten versuchen diese, wenn sie nicht kalkuliert waren und nur zur Reparatur von Anschlussfehlern notwendig werden, zu vermeiden.
Viele Einsätze sind von der Art, dass sie dem Film oder der Dramaturgie überhaupt nichts hinzufügen sondern eigentlich nur Anschlüsse oder Versäumnisse auskorrigieren. Dies gilt im Übrigen auch für Korrekturen bei der Licht-Kontinuität oder Masken-Kontinuität (Face Retouch & Lighting Continuity Correction) Häufige Korrekturaufgaben sind auch das Retuschieren der Reflexionen von Crewmitgliedern in Autofenstern, Schaufensterscheiben oder Spiegeln.
Häufige Korrekturen
- Bei Aufnahmen von Leichen wenn die Pupille sich beim Schauspieler etwas bewegt, muss die im VFX arretiert werden.
- Wenn die Requisite / Regieassistenz nicht aufgepasst und vergessen hat, dass reale Nummernschilder an Fahrzeugen gegen fiktive ausgewechselt werden müssen, muss das aufwändig im VFX korrigiert werden. Da man in einem szenischen Film nicht einfach die Nummernschilder verpixeln kann und sich Fahrzeuge ja auch meistens fahrend bewegen, ist das extrem aufwändig. Meistens ist es sogar kostengünstiger, das Bild gleich noch einmal zu drehen.
- Ebenfalls bei Fahrzeugen, nämlich bei Dienstfahrzeugen wie Polizei,- Feuerwehr oder Krankenwagen kommt es immer wieder mal vor dass dieser eine falsche Aufschrift oder eine falsche Farbe hat. Da muss im VFX ausgebessert werden.
- Kritisch sind auch Szenen etwa mit Brettspielen, bei denen die Spielfiguren je nach Umschnitt anders standen. So wurden beispielsweise für die Serie "The Queen’s Gambit" (Netflix, 2020) bei mehreren Schachturnierszenen die Figuren oder auch Trinkgläser in andere Positionen retuschiert.
- Ähnlich verhält es sich bei Kontinuitätsfehlern etwa bei Zigaretten oder Kerzen im Bild. Wenn diese bei den Umschnitten in einem auffällig anderem Zustand sind, muss das im VFX angepasst werden. (Digitale Flammenanpassung oder Simulation)
- Immer wieder kommt es vor, dass irgendwo ein Richtmikrofon ins Bild ragt oder ein Lavaliermikrofon unter der Kleidung hervorblitzt. Gerade bei Serien mit sehr hohem Drehpensum kommt das immer wieder vor.
- Manchmal kommt es vor, dass Schauspieler zwischen zwei Drehtagen oder über das Wochenende einen Pickel oder eine Schnittwunde im sichtbaren Bereich. Diese müssen rausretuschiert werden.
- Trotz aller Aufmerksamkeit können dem Team Dinge durchrutschen. Das kann auch mal ein T-Shirt mit irgendeiner unerwünschten oder Werbebotschaft sein, was dann im VFX ausgetauscht werden muss. So kommt es auch immer wieder mal vor, dass Schauspieler versehentlich ein sichtbares Markenzeichen bei Kleidung, Schmuck, Sonnenbrille etc. tragen. Das muss wegen geltender Regeln im Fernsehen entfernt werden.
- Es muss nicht zwingend eine Reparatur sein, oft ist es auch so geplant,- der Schauspieler tippt beim Drehen auf sein Handy, das Display war beim Dreh noch leer. Hier wird dann nachträglich eine Oberfläche hineinmontiert.
- Manchmal, insbesondere bei bewegter Kamera kann es vorkommen, dass die Kamera oder ein Teammitglied kurzzeitig als Schatten im Bild zu sehen sind. Der Schatten muss dann im VFX entfernt werden. (Digital Paint / Lighting Clone)
- Inzwischen ist man, was die Achsen beim Film angeht, viel weniger feinfühlig als früher, da werden auch Jumpcuts problemlos akzeptiert. Doch manchmal, wenn bei einem Umschnitt eine komplett falsche Blickrichtung oder bei einer Geste oder Bewegung die falsche Hand verwendet wird, muss das dann doch im VFX verändert werden.
- Es ist auch schon vorgekommen, dass Redakteure partout nicht mit einem Kleidungsstück eines Hauptdarstellers einverstanden waren und eine nachträgliche digitale Veränderung erforderlich wurde.
Dies sind nur ein paar besonders häufige Beispiele, die Bandbreite der Einsätze von VFX zur Reparatur von Aufnahmen ist enorm. Die eigentliche Arbeit wird sich durch den verstärkten Einsatz der Künstlichen Intelligenz spürbar vereinfachen, dies wird möglicherweise dazu führen, dass man diese Reparaturen günstiger herstellen, und deshalb vielleicht auch häufiger einsetzen kann.

