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Ground Zero in New York, Sinnbild des großen amerikanischen Traumas

 

Dem Kino geht es nicht gut und das hat auch Konsequenzen für den Dokumentarfilm. Gerade erst hatten wir uns daran gewöhnt, dass Dokumentarfilme in den Kinos Erfolge feierten, da kippt die Erfolgsstory wieder ein wenig. Was ist da los? Bis vor Corona waren Dokumentarfilme zunehmend erfolgreich in den Kinos. Das hatte nicht nur mit den Themen und der hochwertigen Gestaltung zu tun, sondern auch mit der Sehnsucht der Zuschauer*Innen nach Wahrhaftigkeit. Je mehr visuelle Manipulationen im Spielfilm möglich wurden, desto mehr wünschten sich die Zuschauer das Echte, das Reale. Weltweit hatten Dokumentarfilme wie "Das Salz der Erde", "Pina", "Die Reise der Pinguine", ""Faces Places" ", "RBG (Ruth Bader Ginsburg), "Amy", "Won’t You Be My Neighbor?" oder "Free Solo" gute Einspielergebnisse und waren sogar wie "Hale County This Morning, This Evening" und "Minding the Gap" für Oscars nominiert.

Doch seit Corona und dem Krieg gegen die Ukraine ist die Zahl der Dokumentarfilme in den Kinos abgestürzt, die Kinobetreiber müssen mit starkem Zuschauerschwund zurecht kommen und wollen mit ihrer Programmauswahl auf Nummer Sicher gehen. Ihnen fehlt der Mut, für einen Dokumentarfilm ins Risiko zu gehen. Selbst eine positive Presse und Mund-zu-Mund-Propaganda genügen heute nicht mehr, Zuschauer in einen Dokumentarfilm zu locken. Für breite Werbemaßnahmen und PR Kampagnen fehlt meistens das Geld. Und vermutlich ist die Weltlage mit all ihren Verwerfungen und den vielen tragischen Nachrichten in allen Medien auch ein Grund, weshalb die Zuschauer*Innen sich nicht unbedingt mit noch mehr belastenden Themen auseinandersetzen wollen.

 

Alternative Streamingdienste

Stattdessen werden Dokumentarfilme bei den Streamern und nach wie vor im klassischen Fernsehen präsentiert, manchmal auch als Mini-Serien, die gerne auch prominente Personen wie Schwarzenegger, Beckham, den Royals oder Michael J. Fox portraitieren. Denn die Streamer interessieren sich verstärkt für Erzählporträts, bei denen bekannte Namen die Zuschauer an die Filme binden. Diese kommen zumeist mit den immergleichen Erzählstrukturen daher, bewundern ihre Protagonisten und vermeiden unangenehme, kritische Fragen. Die Miniserie über Beckham umschifft problematisches privates Fehlverhalten des Fußballstars weitgehend, gibt ihm Raum, darüber diffus herumzuschwurbeln. Massentaugliches Doku-Entertainment irgendwie. Gleiches Bild bei dem Schwarzenegger Mehrteiler, an der schillernden Oberfläche wird nicht gekratzt.

Das Themengleichgewicht hat sich eindeutig hin zu Promiportraits verschoben. Diese Dokumentarfilme sind hoch kommerziell, simpel in der Herstellung, gänzlich unkritisch in der Interviewführung und sie absorbieren viel Budget, welches anderen, wichtigeren und mutigeren Dokumentarfilmen nicht mehr zur Verfügung steht. Die Streaming-Kanäle sind vollständig marktorientiert, nutzen ihre Algorithmen zur Analyse des Publikumsgeschmacks und setzen ohne Ausnahme auf Filme, die ein möglichst breites Publikum erreichen.

Mit einem "Breiten Publikum" meinen die Streamer vor allem ein weltweites Publikum, was bedeutet, dass populäre Filme für ein globales Publikum mit Personen und Themen zu tun haben müssen, die man überall in der Welt kennt. Das sind dann doch eher Royals, Sportler, Schauspieler etc. und nicht die wirklich wichtigen und spannenden Menschen, Schicksale und Themen, denen sich gute Dokumentarfilme nähern.

Die Qulität dieser Dokumentarfilme ist nebensächlich, sie müssen nur gut zu vermarkten sein, selbst wenn bei den Zuschauern nach dem Anschauen ein leerer, schaler Eindruck zurückbleibt. Für kritische, emotionale gesellschaftliche Dokumentationen, welche den eigentlichen Aufschwung des Dokumentarfilms angetrieben haben, bleibt da kein Platz mehr übrig. Es war schon immer nicht leicht, politisch kritische oder zu sozialen Themen gedrehte Filme zu vermarkten, doch so schwer wie aktuell, war es vielleicht noch nie. 

Damit verhindern die Streamer und die allgemeine Kinosituation zugleich, dass andere , jüngere Dokumentarfilmer*Innen ihre Themen verwirklichen können.  Es fehlt zunehmend an Finanzierungsmöglichkeiten für mutige, provokative, risikoreiche Filme über unterrepräsentierte Menschen und Themen. Und die starken Filme, die trotzdem entstanden sind, brauchen zwingend Erfolge auf einem der großen Dokumentarfilmfestivals, um vielleicht damit die nötige öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen und ein größeres Publikum zu erreichen.

 

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Hoffnungsträger

Das Kino ist weit weniger offen für Dokumentarfilme als noch vor wenigen Jahren. Wie schon erwähnt, ist die Weltlage durch zahlreiche Kriege recht bedrückend, sodass die Zuschauer*Innen Kino durchaus als Flucht vor der Realität nutzen und verstärkt szenische Filme anschauen.

Offen sind die Leinwände für den Dokumentarfilm vor allem bei den großen Dokumentarfilmfestivals, die wahrscheinlich wichtigste Plattform für engagierte, kritische und kreative Dokumentarfilme.

2023 gab es aber auch einige Leuchtturmprojekte, die es dennoch auf die kommerziellen Kino-Leinwände geschafft haben, darunter "A Still Small Voice" (Regie: Luke Lorentzen), "Kokomo City" (2023, Regie: D. Smith), "20 Tage in Mariupol" (Regie: Mstyslav Chernov), "Apolonia, Apolonia" (Dänemark 2023, Regie: Lea Glob), "Four Daughters" (Tunesien, 2023, Regie: Kaouther Ben Hania), "Going to Mars: The Nikki Giovanni Project", (Regie: Joe Brewster und Michèle Stephenson) oder auch "Menus Plaisirs – Les Troisgros" (Regie: Frederick Wiseman).

Der Dokumentarfilm bleibt weiter ein sehr wichtiger Bereich filmischen Schaffens. Um ihn auch weiterhin auf die Kinoleinwände zu bringen, werden größere Anstrengungen notwendig sein, als bisher, was auch die Förderung des Abspiels durch Filmförderungen beinhaltet.

 

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