Warum ist Werbung wie sie ist?
Wir wollen uns nichts vormachen, aber wirklich gerne sehen möchte Niemand die Werbeclips, ganz gleich ob im Fernsehen vor oder zwischen dem Film, den wir sehen möchten, im Web vor dem eigentlichen Clip, oder in Größe und Tonkulisse überwältigend im Kino, wo uns die Werbung mal eben gut 20 Minuten länger in die harten Sessel zwingt.
Dabei kann Werbung, wenn man sich etwa Zusammenschnitte wie die Cannes-Rolle vom größten Werbefilmfestival der Welt anschaut, witzig, unterhaltend oder spannend sein. Aber so gut wie nie im deutschsprachigen Raum.
Warum ist das so, woran fehlt es hierzulande?
Kürze ohne Würze
Auch wenn uns die Werbung oft endlos vorkommt, der einzelne Spot mit seinen 10 bis 30 Sekunden ist rasant kurz. Um hier sogar kleine Geschichten zu erzählen, ist man auf sogenannte Brain-Skripte angewiesen, dass sind Versatzstücke aus der Erfahrung jedes Menschen einer bestimmten Kultur, die man nicht mehr erklären muss, weil sie jeder kennt. Hochzeit, Begräbnis, Weihnachten usw. sind kollektive Erfahrungen, die sofort präsent sind, sobald man kleinste Anzeichen erkennt. Man könnte hier auch böswillig von Klischees sprechen, wie auch immer man es nennt, sie helfen, die kurze Zeitspanne eines Spots effektiver zu nutzen und letztlich mehr Zeit für die Botschaft zu haben.
Heile Familien, geschäftige Väter, mütterliche Mütter, süße bis freche Kinder, herzige Tiere, die Welt der Werbung kann auf Stereotypen scheinbar nicht verzichten. Nicht einmal um den Preis völlig gestriger Rollenmuster, die heute so kaum noch irgendwo gelebt werden.
The One and Only
Jeder kennt das vom eigenen Einkauf in Drogeriemärkten. Wo es vor hundert Jahren einfach nur Seife gab, ist die Vielfalt inzwischen unüberschaubar geworden. Und nicht nur in diesem Bereich.
Für die Werber ist es immer schwerer geworden, die Besonderheit der beworbenen Produkte hervorzuheben. Wer schmeckt schon den Unterschied zwischen fünf verschiedenen Milchsorten, fühlt die Besonderheit einer von vierzig Seifensorten? Wo finden sich denn da noch Unterschiede? Wären die anderen alle schlechter als das Produkt, das man bewirbt, wäre alles einfach, so aber müssen die Werber irgendwelche positiven Emotionen an das ansonsten recht indifferente Produkt koppeln. Sei es, dass es sich um die Seife handelt, die die Schauspielerin X, das Model Y oder der Rapper Z täglich verwendet. Manchmal kommen bei diesen oft hilflosen Versuchen, absurde Konstellationen zustande. Etwa dass man Bier trinken soll, damit im Regenwald Bäume gepflanzt werden.
Früher hat man wenigstens noch fest an die Wirkung von Subliminals geglaubt, doch auch das ist inzwischen schwer erschüttert.
Kräuterquark macht sexy
Beliebt ist es deshalb auch, dem Hersteller eines eigentlich austauschbaren Produktes eine übergeordnete Aufgabe anzudichten, die weitab von den eigentlichen Geschäftszielen wie etwa Geldverdienen, angesiedelt ist. Werbeagenturen geben Firmen gerne eine "Mission", so etwas lässt sich dann leichter vermitteln, als das Produkt selber. Je nachdem, wie geschickt diese Mission gewählt ist, kann man sogar höhere Preise erzielen, als die Konkurrenz, die oft nahezu identische Produkte anbietet. Die Idee dahinter kann sein, den Kunden zu vermitteln, dass sie durch das Produkt ein anderer Mensch werden. Sportlicher (man denke nur an diverse Sportschuhhersteller), moderner und zeitgeistiger (man denke nur an Computer und Handys jenes Herstellers mit dem Obst im Firmenlogo).
Verkauft werden also eher Emotionen, Haltungen, Mythen, als die eigentlichen Produkte. Dass ein Duft, ein Auto, Motorrad, oder eine Uhr den Besitzer-n / Besitzerinnen wirklich andere Eigenschaften verleihen, gehört in die Welt der Märchen. Doch gerade das gehört zu den wichtigen Werkzeugen der Werbeagenturen. Auf Platz Nummer eins ist da sicherlich das Versprechen, Menschen mit dem Erwerb eines Produktes glücklich zu machen. Doch wenn scheinbar alles was man kaufen kann angeblich "glücklich" macht, scheint alles irgendwie unglaubwürdig.
Gefühlsecht
Immer häufiger versucht man, Produkte mit Emotionen aufzuladen oder gar die Werbung und das neudeutsch gar nicht nach Geldausgeben klingende "Shoppen" zum Lebensinhalt werden zu lassen. Werbung informiert uns über Dinge, die uns interessieren und unser Ziel soll es sein, uns durch den Einkauf glücklich zu fühlen. Life-Style ist so ein Stichwort unter dem Werbung sich nahezu als Lebenshilfe positioniert. Hilfe um den optimalen Partner zu finden, um im Unternehmen zu punkten, in der Schulklasse besser anzukommen. Orientierung in einer so vielfältigen Welt der Informationen. Wir wollen an dieser Stelle nicht vergessen, dass Werbung vor allem eines will,- eine Idee oder ein Produkt möglichst effektiv zu verkaufen.
Gebetsmühlen contra Wahnwitz
Im Ringen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer, die immer weniger Werbung anschauen, scheint es wichtiger geworden zu sein, durch immerwährende Wiederholung einen Erinnerungsgrad zu erzielen, der unbewusst, trotz aller Fluchtversuche der Zuschauer, funktioniert. Schräge, gaghafte Werbespots sind dagegen für die Zuschauer zwar unterhaltender, aber nicht allzu oft, wenn man den Gag gesehen hat, ist der Plot nicht mehr überraschend. Da Werbespots eine Menge Geld kosten, liefert kein Unternehmen so viele kreative Spots nacheinander ab, dass man wie bei einer Serie, immer neue überraschende Stories im Wochen,- oder Monatsrhythmus liefern könnte. Ein einzelner schräger Spot ist nach der durchschnittlichen Ausstrahlungsdauer von 6 Monaten längst verbraucht. Hier wären drei, vier aufeinander folgende oder alternierende Spots sicherlich zielführender.
Die generelle Haltung Werbung gegenüber, scheint auch mit der jeweiligen Kultur zusammenzuhängen. Während es den britischen Werbetreibenden gar nicht schräg und originell genug sein kann, scheint man bei Deutschen, Österreichern und Schweizern deutlich die Ordnung, das Beamtentum, das Ingenieurwesen bedienen zu wollen. Es seien die Kunden, die vor coolen Ideen zurückschrecken würden, behaupten die Werbeagenturen, wobei sie es vermeiden, ihre eigentlich "coolen" Ideen genauer vorzustellen. Aber vielleicht sind auch einfach nicht alle Leute, die es von sich denken und es auf ihre Visitenkarten schreiben, kreativ.
Viele Agenturen verderben den Brei
Wenn man sich die Etats anschaut, die von einer Agentur für ihre Kunden verwaltet werden, kann einem schon ganz schön schwindelig werden. Media Markt/Saturn etwa geben 2016 etwa 23 Millionen Euro für Werbung (in allen Medien zusammen) aus, Volkswagen etwa 20 Millionen. Da geht es um gewaltige Summen und die lassen den Werbeagenturen nur selten kreative Flügel wachsen, sie machen ihnen eher Angst, nicht die gewünschten Erfolge präsentieren zu können. Immer öfter kommt es vor, dass Kunden sich direkt an Kreative wenden, wenn sie ungewöhnliche kreative Ergebnisse suchen.
Kein Wunder, denn das Angst kein guter Ratgeber ist, schräge, wilde, ungewöhnliche Ideen hervorzubringen, liegt auf der Hand. Deshalb sind die Konzepte der meisten Agenturen leider auf Sicherheit ausgerichtet, auf das Wiederholen von Bewährtem,- bloß keine Risiken lautet die Devise. Kinder und Hunde haben sich bewährt?- Dann nichts wie reinschreiben in den nächsten Spot...
Und es ist natürlich selbstverständlich, dass die Werber ihre Angst weiterreichen an die Regisseure, die Produzenten, alle die eigentlich frei und kreativ die erdachten Spots umsetzen sollten.
Reichweiten
Dabei hat sie einer der Gründe, weshalb sie wirklich Angst haben sollten, noch gar nicht mit voller Härte erreicht. Noch weisen die Einschaltquoten nicht aus, was die Zuschauer so eigentlich tun, während der Fernseher läuft. Umfragen in den USA haben Erstaunliches zutage gefördert: Da finden nicht nur Wanderungen durch die eigenen vier Wände statt, sondern zu 30% wird parallel gemailt sowie zu weiteren 26 % in Social Media Angeboten gesurft. Nur etwa 10% der Zuschauer tun das, wofür die Fernsehsender ihre Werbegelder einfordern,- nämlich einfach nur Fernsehen...
Auswege
Sicherlich sind die Herausforderungen, noch ausreichend Aufmerksamkeit in einer medial so breit und vielschichtig gestreuten Welt zu erzielen gewaltig. Letzlich haben wir es jedoch weiterhin mit Menschen und ihren jahrtausende alten Instinkten und Emotionen zu tun. Diese werden auch in Zukunft auf echte Überraschungen, auf glaubwürdige Emotionen und Originalität reagieren.