Kleine Umsätze mit kleinen Zuschauern
Der Kinderfilm wird in den verschiedenen Filmländern sehr unterschiedlich ernst genommen. Während in Skandinavien, vor allem in Schweden, der Kinderfilm ein hohes Ansehen genießt, ist es in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht allzu gut um das Kinderfilmschaffen bestellt.
Die erfolgreiche Vermarktung eines Kinderfilms ist nach Aussagen der Verleiher ungleich schwerer als die eines Erwachsenenfilms. Wer selbst Kinder hat, den verwundert dies. Für Kinder hat das Kino noch eine sehr große Attraktivität, Kindervorstellungen sind nach wie vor sehr gefragt. Wie oft steht man vor den Kinos auf der Suche nach einem halbwegs akzeptablen Kinderfilm?
Als Gründe für die geringeren Einnahmen werden regelmäßig die begrenzten Spielzeiten (keine Abendvorstellungen), die geringeren Eintrittspreise (Kinder) und der hohe Werbeaufwand genannt, insbesondere, wenn keine bekannten Buchtitel verfilmt werden. Was die geringeren Eintrittspreise angeht, so blendet diese Aussage den Umstand aus, dass fast immer auch mindestens ein voll zahlendes Elternteil die Kinder ins Kino begleitet. Kinobesuche ganzer Schulklassen und ein hoher Umsatz an Getränken und Süßwaren sind weitere Faktoren, die für Kinobetreiber Kinderfilme attraktiv machen.
Deshalb bevorzugen die wenigen Verleiher, die sich mit Kinderfilm beschäftigen, eindeutig Filme, die auf bekannten Kinderbuch- und Hörspielklassikern basieren oder US-Produkte, wo ein finanzkräftiges Marketing hohe Besucherzahlen generiert.
Maßstab Bucherfolg
Ob es die Erich-Kästner-Verfilmungen, der kleine Eisbär, Bibi Blocksberg oder Pumuckel sind, eingeführte Titel sind scheinbar die Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermarktung. Denn auch für Kinderfilme sind die Programmslots in den Kinos eng geworden. Kaum ist ein Film angelaufen, drängen schon andere Titel nach, welche die Leinwand beleuchten wollen.
So gilt in diesem Bereich das Gesetz der Stärkeren. Nur einflussreiche und finanzkräftige Produktionsfirmen können teure Buchrechte bezahlen, hohe Budgets auftun und haben aufgrund ihrer Firmengröße auch Zugriff auf FFA-Fördermittel. So wie die Bavaria seit Jahren die Kästner-Bücher oder "Bibi Blocksberg" aufwendig umsetzt, Eberhard Junkersdorf in seiner Animationsfirma ein Märchen nach dem anderen mit Riesenbudgets verfilmt oder Constantin/Collina das Sams in die zweite Runde schickt.
Im Independent-Bereich, dort wo innovative Chancen lägen, kommt Kinderfilm hierzulande jedoch so gut wie gar nicht vor.
Zu den wenigen Ausnahmen gehört beispielsweise "König Laurin". Hier gehts zum Movie-College Interview mit:
dem Regisseur des Films, Matthias Lang
dem Darsteller des Königs, Rufus Beck
einem der Hauptdarsteller, Patrick Moellecken
Im reinen Mainstream-Bereich, wo der kommerzielle Effekt im Vordergrund steht, werden die Inhalte allein unter Entertainment-Aspekten entschieden. Da fallen mutige Themen und alltägliche Probleme von Kindern meistens durchs Raster. Anders verhält es sich da in Ländern wie Schweden, Dänemark oder den Niederlanden. Dort ist die Bedeutung auch des unabhängigen Kinderfilms viel höher als bei uns, ja, vielleicht auch der Stellenwert der Kinder.
Handwerk ohne Prestige
Abgesehen davon sind die Produktionskosten bei Realfilmen (kein Animationsfilm) teilweise erhöht, weil Kinder täglich nur sehr begrenzt am Drehort sein dürfen. Das bedeutet in der Regel halbe Drehtage, denn auch Wartezeiten, Pausen oder die simple Fahrt ans Set werden auf die reduzierte Drehdauer angerechnet. Auch vom Ansehen hierzulande, taugt die Regie oder die Schauspielarbeit eines Kinderfilms selten zu größeren Ehren, man ist eben nur Kinderfilm-Regisseur oder Darsteller, hat es zu Erwachsenenfilmen nicht gebracht. Das Prestige eines Kinderfilms ist einfach niedriger angesiedelt, obwohl oft mehr Handwerk und Kreativität darin steckt als in vielen Erwachsenenfilmen.
Außerhalb der etablierten Marken findet der Kinderfilm praktisch nur im öffentlich rechtlichen Fernsehen statt und auch hier überwiegen fernseheigene Marken (Kinder vom Süderhof, Schloss Einstein etc.) gegenüber originären Einzelfilmen. Nicht immer sind diese Filme wirklich interessant für Kinder, es reicht nicht wirklich, dass Gleichaltrige mitspielen. Doch die Zeiten ändern sich, immer modernere, spannendere Kinderfilme entstehen und finden sogar ab und an den Weg ins Kino.
Kinder haben (fast) keine Lobby
Die Forderungen, welche Kinder an einen Film stellen, dass ihre Interessen, Konflikte, Hoffnungen im Vordergrund der Handlung stehen, werden nur zum Teil erfüllt. Ihre Grunderfahrungen von Einsamkeit, Angst, Trauer, Hoffnung, Freundschaft, Liebe etc. möchten Kinder in Filmen reflektiert sehen. Im Grunde genommen wünschen Kinder sich starke Identifikationsfiguren, Kinderdarsteller als Filmhelden, die kleine und größere Krisen meistern und sich auch gegenüber Erwachsenen durchsetzen können. Doch da Kinder keine Lobbyisten in die Aufsichtsräte der Förderanstalten schicken, bleiben ihre Wünsche eher ungehört.
Die Bandbreite des internationalen Kinderfilm-Schaffens ist, zumindest was die Spitzenleistungen angeht, beeindruckend. Diverse Kinderfilm-Festivals, allen voran jenes der Berlinale (Leitung: Thomas Hailer) sowie das des Münchner Filmfests sind vitale Beweise dafür, was in diesem unterschätzten Genre alles möglich ist. Der Wille zu einer Stärkung der Kinderfilmproduktion ist bei vielen Institutionen und den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vorhanden.
Eine der wichtigsten Konstanten für den Kinderfilm und das Kinderkino ist die Zeitschrift "Kinder und Jugendfilm-Korrespondenz". Für die Förderung des Kinderfilms machen sich unter anderem die Fördereinrichtungen in Deutschland stark. Die Förderung des Innenministeriums BKM etwa, das Kuratorium Junger deutscher Film, FFF, MDM und FFA.
Hier unser Video-Bericht über einen Film-Workshop für Kinder, den Andreas Dresen am Rande des Filmfest München abhielt