MC18 NOV17x2

Social Media Icons Shop 55

Vater der Medienkritik

Fernbedienung

Fernbedientes Leben

Wer immer sich heute kritisch mit den Medien beschäftigt, kommt an den Thesen des amerikanischen Medienkritikers Neil Postman nicht vorbei. Bekannt wurde der ehemalige Volksschullehrer durch Bücher wie "Das Verschwinden der Kindheit" oder "Wir amüsieren uns zu Tode". Er war nicht der Erste, der sich mit dem Einfluss der Massenmedien auf die Gesellschaft beschäftigt hat, seine kritische Brille durch die er Medien und Menschen beobachtete war jedoch besonders Düster. Und doch ist das, was heute technisch möglich ist, um so viel perfider und gefährlicher, dass seine Kritik eigentlich nur ein vorsichtiger Anfang gewesen sein kann. Die Möglichkeiten der Manipulation sind durch die Rückkanäle internetfähiger Flatscreens so mächtig und undurchsichtig zugleich geworden, dass wir in dieser Hinsicht vermutlich noch viele Enthüllungen zu erwarten haben.

 

Blinde Technik-Gläubigkeit

Eine seiner zentralen Ideen, die der amerikanischen Technik-Gläubigkeit diametral entgegenstand, war, dass jede technische Erfindung stets sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringe. Auch, wenn seine Thesen durchaus die Realität schon mal etwas in seinem Sinne optimierten und wichtige Aspekte etwa zur Definition der Kindheit ausblendeten, so haben Sie in jedem Fall wichtige Diskussionen entfacht. Seine messerscharfe Kritik an den westlichen Gesellschaften stellte etwa in "Amousing Ourselves to Death" die These auf, dass die staatliche Zensur früherer Jahre, also das Vorenthalten von Informationen durch das Ertränken der Menschen in belanglosen Informationen, ersetzt wurde. Die permanente Fütterung mit neuen Bildern würde zudem in den Menschen das Geschichtsbewusstsein aufheben. "Die Amerikaner wüssten alles über die letzten 24 Stunden, aber so gut wie nichts über die vergangenen Jahrhunderte" folgerte Postman.

 

Reizüberflutung

Als Kulturpessimist wetterte er gegen die Allmacht der Medien, die Reizüberflutung durch die Fernsehwelt, gegen Manipulation, gegen falsche verlogene Scheinwelten, welche die Menschen kritiklos und verblendet werden lassen. Den positiven Eigenschaften des Fernsehens, etwa eine Demokratisierung des Zugangs zu Informationen, der stärkere kulturelle Austausch der Nationen untereinander oder die Meinungsvielfalt, standen für ihn viel schwerwiegendere Nachteile entgegen. Während die frühere, eher von Printmedien bestimmte Gesellschaft (textbestimmte Kulturen) sich mit Inhalten in Form von Kritik, Überlegung und Diskussion auseinandersetzte, seien die visuellen Inhalte unserer bildbestimmten Kultur erst gar nicht mehr geeignet, in Frage gestellt oder diskutiert zu werden. Dies aber sei Voraussetzung für eine eigene Urteilsbildung und damit für eine funktionierende Demokratie. Schauspielernde Politiker und zu Politikern mutierende Schauspieler á la Schwarzenegger belegen eindrucksvoll, dass Techniken, die bei der erfolgreichen Vermarktung von Waschlotion greifen, inzwischen auch Wahlentscheidungen beeinflussen. Es sind eben nicht mehr Ideen, die entscheidend sind, sondern nur noch Gesichter und deren Präsentation.

 

Frühwarnungen

Fernsehfenster

Sendewelten

 

Wer mit halbwegs klarem Verstand den Sturzflug an Qualität in den Medien der letzten Jahre verfolgt, begreift, wie berechtigt viele von Postmans Warnungen gewesen sind. Gameshows, Casting-Shows, Voyerismus-Container oder Lifestyle-Geschwafel gehen tagtäglich als unangefochtene Sieger im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer gegenüber den eigentlich wichtigen Themen des Lebens hervor.

 

Bereits in den achtziger Jahren warnte Postman vor einer "Infantilisierung" und Trivialisierung der Gesellschaft durch die kommerziellen Fernsehsender, deren einzige Prämisse die uneingeschränkte Unterhaltung der Zuschauer sei. Die Vermittlung von Informationen oder gar Wissen würden von diesen Sendern weitgehend zurückgedrängt zu Gunsten quotenorientierter Zerstreuung. Damit einher gehe der Verlust unserer Fähigkeit, uns auf längere sprachliche Argumentationen zu konzentrieren.

 

"Denken kommt auf dem Bildschirm nicht gut an" war eine der provokanten Theorien des Neil Postman. Auch den hochfinanzierten neuen Techniken, etwa dem interaktiven Fernsehen, stand er äußerst kritisch gegenüber. Eine Illusion des Bedeutenden werde in Zusammenhang mit diesen Technologien geschaffen, die nicht gerechtfertigt ist. Was das Problem sei, das durch die neue Technologie gelöst werde, und wessen Problem es sei, waren seine Kernfragen in diesem Zusammenhang. Er zweifelte an, dass Menschen tatsächlich 500 bis 1000 Programme sehen wollten und sollten.

 

Wir leben durch die Medien

Die Medien und nicht mehr die Menschen selbst, so Postman, seien es, die durch lückenloses Werbefeuer und Entertainment das bestimmen, was wir erleben, welche Erfahrungen wir machen, was wir wissen, denken, empfinden und wie wir über unsere Nachbarn denken. Unsere alltägliche Sorge, ob wir mit unserer Kleidung, Frisur und den Turnschuhen den aktuell angesagten Klassenzimmer-, Arbeitsplatz-, oder Gesellschafts-Zwängen genügen, belegt auf recht eindrucksvolle Weise, wie richtig diese These war. Neil Postman war ein leidenschaftlicher Kämpfer für die menschliche Vernunft und gegen die Bevormundung durch die Medien. Seine Warnungen wurden und werden kontrovers diskutiert. Doch wie es scheint, ist der Wunsch der Menschen nach Zerstreuung und Ablenkung stärker als die Sorge um den Verlust der Kritikfähigkeit und der geistigen Freiheit.

 

Banner Regie GK 4000

Banner Regie GK 4000

Weitere neue Artikel

Auf dem DOKfest 2025 sprachen wir mit dem Regisseur und Editor Sebastian Winkels über den Schnitt des Films "Soldaten des Lichts"

Wie Euer altes Handy als wertvolles Hilfsmittel für die nächsten Filmdrehs weiterleben kann... die besten Vorschläge

Auf dem DOKfest 2025 sprachen wir mit dem Regisseur Arthur Franck über seinen sehr erhellenden und heiteren Film "The Helsinki Effect"

Nun also hat er die Filmindustrie ins Visier genommen,- Nicht-US Filme sollen mit 100% Strafzöllen bestraft werden...

Es ist kein gutes Signal, dass die öffentlich rechtlichen Sender einen erhöhten „Finanzbedarf“ anmelden, statt dringende Reformen anzugehen

Der professionelle Sound Devices 633 Audiorecorder ist gebraucht inzwischen günstig zu haben. Lohnt sich das? Wir nennen seine Stärken und Schwächen...

Der Zoll Wahnsinn wird mit ziemlicher Sicherheit auch unsere Preise für Technik beeinflussen

Vieles im frühen Film war inspiriert durch das Theater und bis heute steht auch das Theater selbst im Mittelpunkt vieler Filme...

Dass Produktionsfirmen ächzen und stöhnen, hängt mit dem Bürokratie,- und Regulierungswahn Deutscher Behörden zusammen

Die NYFA bietet in Florenz einen Filmstudiengang an, ein Erfahrungsbericht über ein Trimester "Filmmaking" am Campus "Italy"

In den USA startet ein Kinofilm, bei dem dank KI nicht nur die Sprache sondern auch die Lippenbewegungen synchronisiert wurden

Geht es nach ChatGPT und Co soll das seit mehr als einem Jahrhundert gültige Copyright für ihre Modelle nicht mehr gelten...

Der einstige Hype um die visionären Brillen hat sich trotz teilweise genialer Inhalte etwas abgekühlt, wie wird es weitergehen?

Auch heute noch sieht analoger Film anders aus als digitale Aufnahmen. Eine Renaissance lässt das 2Perf. Verfahren wieder aufblühen...

Wie geht es zu im Writers Room und warum läuft es in den deutschsprachigen Rooms ganz anders ab als in den USA?

Wie funktioniert das hochindustrielle Schreibkonzept für Fernsehserien und was macht es besser, als das individuelle Schreiben ?

Früher gab es häufiger andere Schauspieler als heute, solche die vorher ein anderes Leben lebten...

Werden Bilder oder ganze Filme mit der KI generiert, sind die Ergebnisse oft zufällig. Wie schreibt man bessere Prompts und bringt der KI Konsistenz und Verlässlichkeit bei?