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„Ich bin ein Nachtschwärmer, am Tage bin ich kaum zu gebrauchen“

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Devotionalien des Bösen (Aus dem Fundus der Gruselfilmer)

Schlicht und dennoch präzise, die verräterische Aussage des Dracula-Verschnitts in Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ (F/GB 1967), einer der seltenen, böse-funkelnden Komödien-Sterne am Nachthimmel des blutigen Vampirgenres. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Jahre und erst recht wie viele Verfilmungen die Untoten schon auf ihrem Buckel haben.

 

Der erste unheimliche Besuch aus Transsilvanien kam überraschender Weise aus Deutschland: Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau verschreckte in „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ 1922 das Publikum mit düsteren Bild- und Musikkompositionen. Der Stummfilm bediente sich zwar bei der Bram Stoker-Vorlage, stellte den Grafen aber als schaurig-entstelltes Monstrum, dem es nach Blut und Verderben dürstet, bloß. Da Murnau es versäumte, sich die Rechte an Stokers Werk zu sichern, klagte Stokers Witwe und erzielte einen Vergleich, der die Produktionsfirma Parna in den Bankrott trieb. Außerdem sollten sämtliche Kopien vernichtet werden, was Gott sei Dank nicht geschah. Denn nach wie vor ist Murnaus Low-Budget-Produktion ein, wenn nicht sogar der unumstrittene Klassiker des Horrorfilms.

 

Der Mythos Vampir

Seit knapp 80 Jahren sind die Vampire also nicht mehr aus dem Filmbusiness wegzudenken, da helfen weder Knoblauch, Kruzifixe, Silber, Holzpflöcke, Weihwasser oder Spiegel, noch das gute alte Tageslicht. Und auch veralbern lassen sie sich bis heute nicht gern, man denke mit Schrecken an die vergeigte Vampirklamotte „Mel Brook’s Dracula“ (USA 1996), in der Leslie Nielsen als stolpernder, sabbernder und schlichtweg dämlicher Vampirvolltrottel durch stupide Kulissen irrt und vollbusigen, langweiligen Playmates hintererhechelt.

 

Polanskis Grusel-Comedy gelang es zwar, den Vampirmythos mit einem Augenzwinkern zu inszenieren, vielmehr wurden aber die tölpeligen Vampirjäger auf die Schippe genommen. Allein in den letzten Jahren sorgten wieder ein gutes Dutzend Vampirfilme für Unruhe in den Kinosälen („From Dusk Till Dawn I-III“, „John Carpenter’s Vampire“, „Dracula 2000“, „Blade“, „The Shadow of the Vampire“ und und und), und auch im nächsten Jahr erwarten uns einige Projekte, auf die man gespannt sein darf. Grund genug, das Genre mal ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen und es hier und da ein wenig auszuweiden. Schließlich muss die Frage gestellt werden, warum sich die Gesellschaft nach mordenden, bluthungrigen Romantikern sehnt.

 

Am Anfang war der Tod

 Zeichnung:Natascha Stevenson

Zeichnung:Natascha Stevenson

Das Vampirleben beginnt, wenn der Mensch seinen letzten Atemzug getan und das brodelnde Blut in seinen Adern gefriert. Es existieren verschiedene Versionen, wie dieser letzte große Todesk(r)ampf gestorben wird, doch vor dem Schrecken kommt der Kuss. Der Biss des Vampirs, die letzte „Zärtlichkeit“ im Menschendasein, weckt animalische Assoziationen; verständlich, dass der Vampir nicht selten mit Ratten, Fledermäusen und Wölfen in Verbindung gebracht wird. Der Rattenbiss überträgt gefährliche Krankheiten und ist als Seuchenherd bis heute gefürchtet.

 

Werner Herzogs philosophisch-verstörende Hommage an Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu – Phantom der Nacht“ mit Klaus Kinski als tragischem Antihelden und Isabelle Adjani als dessen unerfüllte, wahnsinnig werdende Liebe, greift das Thema Pest auf, entwickelt ein schonungsloses Endzeitszenario und führt es konsequent zu seinem erschreckenden und hoffnungslosen Finale.

 

Ein poetischer und sehr langsamer Erzählstil sowie schwelgerische, zum Sterben schöne Kamerafahrten durch rumänische Landschaften und sterbende Städte. Traumhafte Aufnahmen vom Sonnenuntergang und vom Untergang des menschlichen Lebens. In so bedrückend schönen Bildern wurde die Menschheit noch nie dahingerafft, und überall sind Ratten. Vampirfledermäuse saugen ihren tierischen Opfern langsam das Blut aus, zumeist ohne, dass es von ihnen bemerkt wird. Dieser schleichende Blutverlust, der ein Pferd oder ein Rind schon mal aus den Hufen kippen lässt, ist ein Motiv, welches auch im Vampirfilm verwendet wird.

 

Selten schlagen die Vampire ohne feinsinniges Kalkül ihre Beißer in die jungfräulichen Nacken, vielmehr genießen sie das langsame Entweichen des Lebens und machen sich die Menschen durch ihre verführerischen nächtlichen Besuche mehr und mehr zu willenlosen Sklaven. So in Francis Ford Coppolas opulenter Schauermär „Bram Stoker’s Dracula“ (USA 1992), die sich trotz ihrer unzähligen Vorgänger als erste relativ eng an die Romanvorlage hält, auch wenn Coppola seine eigene Interpretation des Stoffes in den Vordergrund stellt.

 

Der von Gary Oldman leidenschaftlich verkörperte Graf wird nicht von blinder Blutgier, sondern von grenzenloser Liebe zu seiner verstorbenen Frau getrieben, deren Reinkarnation er in Mina (Winona Ryder), der jungen Verlobten seines Maklers (Keanu Reeves) entdeckt zu haben meint. Vorsichtig und behutsam nähert er sich der Angebeteten, ohne ihr ein Leid, ohne ihr Schrecken zufügen zu wollen. Erst als er sich ihrer Liebe sicher ist, beginnt er, ihr ihr Leben zu entziehen; das geschieht in romantischer Zweisamkeit, ohne viel Blutvergießen und Zähnefletschen. Sein vorangegangenes Opfer – Minas Freundin Lucy (Sadie Frost) – wird zwar auch etappenweise aus dem Leben gerissen, bei ihr maskiert sich Dracula allerdings als ein behaartes, muskulöses, blutrünstiges, werwolfsähnliches Monstrum.

 

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