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Der Film von Morgen

Neue Gesichter, neue Geschichten

 

Der Film von Morgen

Ende der 50er Jahre hatte eine Gruppe junger Filmemacher in Frankreich die Nase voll vom etablierten Kino a la Hollywood. Die Geburtsstunde eine neuen Bewegung...

„Der Film von morgen wird ein Akt der Liebe sein", schrieb François Truffaut 1957 in einem Artikel für die Pariser Filmzeitschrift „Cahiers du Cinéma". Zu diesem Zeitpunkt war Truffaut vor allem Filmkritiker dieser Fachzeitschrift. Dieser Satz wurde zum Schlachtruf der Nouvelle Vague, unter deren Namen die wohl wichtigste Bewegung der europäischen Filmgeschichte stattfand. Und Truffaut war nicht der Einzige, der diese neue Bewegung vorantrieb und prägte.

 

Die Freunde

Jean-Luc Godard und François Truffaut sowie Claude Chabrol und Jacques Rivette hatten in den fünfziger Jahren zwei Dinge gemeinsam: Sie schrieben Artikel für die „Cahiers du Cinéma" und waren allesamt der Meinung, dass sich etwas grundlegend im französischen Kino ändern muss. Die eine Gemeinsamkeit wurde bald genutzt, um die andere durchzusetzen: Indem man für die damalige Zeit ungewohnt polemisch-polarisierende Artikel schrieb und veröffentlichte, war man bemüht, die Kinogängerschaft für sich und seine Ideologie zu gewinnen. Diese Artikel und Filmkritiken, allen voran diejenigen aus der Feder des jungen Truffauts, zeichneten sich dadurch aus, dass sie unmissverständlich klarmachten, welche Filme gut und welche Filme schlecht sind. Mehr noch: Regisseure wie Claude Autant-Lara, Jean Delannoy und Henri-Georges Clouzot machten ausschließlich furchtbare Filme, während Jean Renoir, Max Ophüls und Jacques Tati grundsätzlich hervorragende Filme auf die Leinwand zauberten. Mit dieser radikalen Beurteilungsweise unterstützte die Cahiers konsequent die europäischen Regisseure, deren Werk von der damaligen Kritik sonst weitestgehend ignoriert wurde. Für die cinephilen Cahiers-Redakteure waren es jedoch genau diese Outsider, von denen sie sich in ihrer Filmtheorie auf der Leinwand vertreten fühlten.

 

Die Feinde

Verurteilt wurde das sogenannte „französische Qualitätskino", welches den Beschwörern der Novelle Vague zu etabliert, zu verkrustet und zu angepasst war. Den Vertretern dieses Films wurde mit den Mitteln der Kritik vorgeworfen, sich in ihren bequemen Studios zu verstecken und dort realitätsferne, unzeitgenössische Massenprodukte ohne Tiefe und Persönlichkeit zu produzieren.

 

Die Autorentheorie

Nun, was war eigentlich der filmtheoretische Leitgedanke der Nouvelle Vague? Mitte der fünfziger Jahre entstand in besagten Kreisen die so genannte „Autorentheorie". Der Name suggeriert, dass es sich hierbei um eine neue Definition der Autorenrolle handelt, was nur ansatzweise stimmt. Im Grunde geht es in dieser Theorie um den Regisseur, dessen Rolle der des Autoren gleich kommen soll. Allerdings ist damit nicht unbedingt gemeint, dass Regisseur und Autor eine Personalunion eingehen müssen, wie es in Deutschland hinsichtlich des Schlagworts „Autorenfilm" interpretiert wurde; vielmehr soll der Regisseur einen unverkennbaren, individuellen Stil entwickeln, er soll in seine Filme sowohl visuell als auch ideologisch soviel von seiner Persönlichkeit einfließen lassen, wie möglich. Durch die Art und Weise, wie er seine Geschichte erzählt und über die Entwicklung der Charaktere soll eine eigene Handschrift entstehen. Konsequenterweise lautet das Credo der Autorentheorie, nicht das einzelne Werk des Regisseurs, sondern dessen Gesamtwerk und dessen Evolution zu betrachten und zu bewerten. Aus dieser Haltung heraus entstand eine komplett neue Beschaffenheitsidee des Kinofilms. Der Regisseur, der im alten Kino oftmals lediglich ein Angestellter des Studios unter vielen war, soll nun an allen Schritten des Filmemachens, also am Drehbuch, der Mise-en-Scène und der Montage, maßgeblich beteiligt sein. Inhaltlich soll der Film persönlicher und authentischer werden.

 

Die Geburt

Seltsame Charaktere

Antihelden

 

Nachdem die Leserschaft der Cahiers eingehendst auf die Geburt einer neuen Filmepoche vorbereitet wurde, war es nun an der Zeit den Worten Taten folgen zu lassen. Obwohl Truffaut immer betonte, es sei sein Freund Jacques Rivette gewesen, der mit seinem Langfilmdebüt „Paris nous appartient" ("Paris gehört uns") die Nouvelle Vague einleitete, war es doch er selbst, auf den die erwartungsvollen Blicke der Öffentlichkeit gerichtet waren, als er mit „Les quatre cents coups" ("Sie küssten und sie schlugen ihn") 1959 als Regisseur debütierte. Ein Jahr später drehte Mitstreiter Jean-Luc Godard seinen ersten Langfilm „Á bout de souffle" ("Außer Atem") und somit war die Nouvelle Vague etabliert. Aus Kritikern wurden Regisseure.

Der Drang nach Persönlichkeit auf Celluloid und die Abneigung gegen alles Perfekte und Geschliffene zeigt sich vor allem bei Godard, der in dem Dokumentarfilmer Raoul Coutard einen perfekten Kameramann für seine Idee der Bildauflösung gefunden hat. Godard realisiert fast alle seine Filme mit Coutard, der vor allem durch seinen gekonnten Umgang mit natürlichem Licht und seinem Geschick mit der handgeführten Kamera seinen Filmen einen individuellen Look gibt. Gerade in "À bout de souffle" musste sich das Publikum eine neue Sehgewohnheit aneignen: Ruppige, holprige Kamerafahrten aus der Hand oder aus einem Käfer waren damals Neuland für die Augen. Weniger experimentell in der visuellen Umsetzung, dafür um so behänder in der Erzählweise gibt sich Truffauts Schaffenswerk, welches sich vor allem durch seine bislang unerreichte Leichtigkeit trotz oftmals schwerer Themen auszeichnet. Auch Truffauts Genrevielfalt ist beachtlich: Auf ein Jugenddrama folgte ein Gangsterfilm, nach einem Science-Fiction drehte Truffaut eine leichte Liebesgeschichte.

 

Im Streit auseinander

Zwei Vertreter der Nouvelle Vague

 

Schnell erntete die Nouvelle Vague und ihre ersten Filme die Bewunderung internationaler Filmschaffender und schwappte über die Grenzen Frankreichs hinaus. In Deutschland etabliert sich z. B. der Autorenfilm, dessen bekanntesten Vertreter Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders sind. Während in anderen Ländern eine Kinorevolution in den Kinderschuhen stand, war die Nouvelle Vague jedoch Mitte der sechziger Jahre schon wieder vorbei. Natürlich wurde die Bewegung von ihren Feinden schon seit ihrer Geburt in regelmäßigen Abständen totgesagt, doch endgültig zu Fall brachte sie sich selbst. Vereint waren die jungen Filmemacher anfangs durch einen unerbittlichen Drang nach Veränderung und Innovation, doch als man dies erreicht hatte, musste man schnell erkennen, dass jeder Einzelne dennoch eine eigene Vorstellung davon hat, wie Kino zu sein hat, und schon verstritt man sich oder verlor sich aus den Augen. Truffaut und Godard, die einst im Schulterschluss miteinander gegen das Qualitätskino protestierten, konnten sich Ende der Sechziger Jahre ganz und gar nicht mehr leiden und sprachen bis zu Truffauts Tod 1984 kein Wort mehr miteinander.

 

Die Folgen und Nebenwirkungen

Im Grunde genommen ist es jedoch egal, wie lange die Nouvelle Vague wirklich andauerte, denn ihre Folgen spürt man in fast allen Bereichen des Filmemachens. Sie inspirierte in Ihrem radikalen Grundgedanken etablierte Filmemacher (oder rüttelte zumindest an deren Sockel) und ermutigte viele junge Talente zum Filmemachen. Sie zeigt uns, wie wichtig es ist, alte Verfahrensweisen und filmideologisches Gedankengut immer wieder zu prüfen und zu erneuern.

 

Daniel Vogelmann

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