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Angst kennt Jeder

Praktisch alle Menschen kennen das Gefühl der Angst und eigentlich möchte niemand sie erleben. Sie lässt sich nämlich nicht so einfach wegdrängen, wer es versucht macht sie unter Umständen noch stärker und verlängert den Zustand sogar. Sie fühlt sich einfach nicht gut an, weil jede Menge Stresshormone im Körper ausgschüttet werden, die unsere Atemfrequenz beschleunigen, die Muskeln anspannen und unsere Körpertemperatur ansteigen oder auch abfallen lassen.

Was wir im richtigen Leben möglichst vermeiden wollen, suchen viele von uns im Kino oder auf dem heimischen Flatscreen. Warum schaut man Filme an, die in einem Angst auslösen? Horror, Grusel, Vampirfilme und mehr sind fast so alt wie der Film. Die Filmtheorie und nicht zuletzt auch die Filmanalyse hat sich immer wieder mit dieser Frage auseinandergesetzt. Darüber existieren verschiedene Theorien, eine von ihnen besagt, dass wir Menschen in unserem Alltag viele in uns schlummernde Emotionen gar nicht ausleben können. Bestimmte Emotions,- und Handlungsmuster, die in der Frühzeit der Menschen überlebenswichtig waren, werden heutzutage praktisch nicht mehr trainiert. Wir sind nicht mehr regelmäßig in bedrohlichen Situationen und müssen ums Überleben kämpfen, so wie es unsere Vorfahren lange erlebten.

Das Kino der Angst ermöglicht es den Zuschauer*Innen, in der emotionalen Verbindung mit den Protagonist*Innen als Beteiligung am Filmgeschehen, zu schreien, Fluchtmöglichkeiten zu erkunden und zu kämpfen. Die Angst der Filmheld*Innen wird damit zum Katalysator der eigenen alltagsfernen Emotionen. Das Praktische daran ist, dass wir Angst erleben und trainieren können, obwohl wir nicht selbst betroffen und keinen Augenblick lang in wirklicher Gefahr sind. Das hat damit zu tun, dass Menschen Empathie für Andere empfinden oder sich sogar mit Filmfiguren identifizieren können. So gut wie alle Menschen haben irrationale innere Ängste, über die sie aber nie oder nur sehr selten sprechen. Das Kino bedient alle nur denkbaren Ängste, von Klaustrophobie über Höhenangst bis hin zu Paranoia. Im Kino werden viele dieser unbewussten Ängste losgelöst vom Alltag, in dem wir nicht darüber sprechen dürfen, ernst genommen. Sie werden von den Protagonist*Innen stellvertretend erfahren, durchlebt und bewältigt. Das kann für die Zuschauer*Innen beängstigend aber zugleich auch befreiend sein. 

 

Funktionen der Angst

Die Angst übernimmt wichtige Funktionen bei den Menschen, deshalb sollte man sie nicht so pauschal verdammen. Manchmal bringt sie Menschen dazu, scheinbar Unmögliches zu schaffen. Diese Veränderungen im Körper sind wichtig, damit wir in der Lage sind, im Zweifel extrem schnell auf eine Bedrohung zu reagieren. Manche Menschen bekommen Herzrasen vor Angst, doch sie ist eine Grundbefindlichkeit der Menschen, weils sie dafür sorgt, dass man in gefährlichen Situationen vorsichtig ist. Außerdem werden unsere Sinne stärker sensibilisiert, damit wir Gefahren früher erkennen, Situationen besser einschätzen können.

Der Philosoph Martin Heidegger, hat in seinem Werk "Sein und Zeit" explizit Angst und Furcht unterschieden. Angst war für ihn dieses diffuse, existenzielle Gefühl und Furcht die konkrete benennbare Furcht. In der Angst steckt die Sorge, falsche, aber auch die Chance, richtige Entscheidungen für sein Leben zu treffen. Heidegger sieht in der Angst durchaus etwas Positives. Die Trennlinie zwischen diesen Begriffen ist allerdings sehr dünn und im Alltag werden beide Begriffe ähnlich verwendet.

Angst oder Furcht haben wir oft in neuen, nicht alltäglichen Situationen, die uns fremd sind und die wir nicht kontrollieren können. Doch das muss nicht so sein, das Neue, das Ungewisse muss ja keine Gefahr bedeuten, man kann trainieren, besser damit umzugehen. Das bedeutet, sich der Angst zu stellen, sie nicht wegzudrängen. Daraus erwächst nämlich einerseits eine Vorsicht, unnötige Risiken zu meiden und andererseits der Mut, die bewusste Energie, etwas wovor wir uns fürchten, zu überwinden.

 

Kinoerlebnis

Diese Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten, Befürchtungen kann helfen, Lösungsmöglichkeiten zu finden, auf die man sonst nie kommen würde. Held*Innen in Abenteuerfilmen müssen alle paar Minuten komplexe Lösungen finden, um bedrohliche Situationen zu meistern. Unsere privaten, schulischen oder beruflichen Ängste  sind natürlich häufig viel diffuser und abstrakter als die bis auf die Zähne bewaffneten Gegenspieler*Innen aus dem Kino.  Im Alltag kann das durchaus eine gewisse Kreativität und Energie auslösen, ganz nach dem Motto "Not macht erfinderisch". Ganz so wie manche Filmheld*Innen in ihren filmischen Notlagen durch geniale Ideen doch noch der Bedrohung entkommen können.

 

Unbestimmte Ängste

Interessanterweise können die Zuschauer*Innen umso schneller wieder von der Angst während eines Filmes in einen Ruhezustand wechseln, desto konkreter die Bedrohungen sind. Den Klassiker "Die Vögel" (Alfred Hitchcock, USA 1963) mit der titelgebenden Bedrohung kann man ganz schnell wieder abschütteln, während Filme mit diffusen Bedrohungen unter Umständen noch lange nachwirken können. Je diffuser, desto länger hält das mulmige Gefühl vor. Ein besonderes Sub-Genre zielt genau darauf ab,- die sogenannten Paranoia-Filme. Die Ängste in unserer Zeit sind teilweise unüberschaubar geworden. Das Kino bedient unsere Ohnmachtsgefühle, die Verunsicherung und Angst durch Filme, welche von unsichtbaren Feinden erzählen, die uns überwachen, kontrollieren und bedrohen.

 

Paranoia-Kino

"Dr. Mabuse, Der Spieler“ (Regie: Fritz Lang, Deutschland, 1922)

"Invasion of the Body Snatchers" (Regie: Don Siegel, USA 1956 )

"The Conversation" (Regie: Francis Ford Coppola, USA 1974)

"Die Drei Tage des Condor“ (Regie: Sydney Pollack, USA, 1975)

"Blow Out" (Regie: Brian De Palma, USA 1981)

"Der Staatsfeind Nr. 1“ (Regie: Tony Scott, USA, 1998)

"Michael Clayton“ (Regie: Tony Gilroy, USA, 2008)

"Arlington Road“ (Regie: Mark Pellington, USA, 1999)

"Get Out" (Regie: Jordan Peele USA 2017)

 

Ob man sich im Kino den eigenen oder auch völlig anderen Ängsten stellen möchte, muss Jeder für sich selbst entscheiden. Grundsätzlich gibt es keinen Grund, weshalb man sich Dinge ansehen sollte, die man schlicht nicht ansehen will. Jeder wird da eine andere rote Linie haben,- das Kino der Angst hat viele Facetten.

 

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