Was wäre das Kino ohne geniale Tanzszenen und Musikeinlagen... Film liebt die Bewegung und wo findet man mehr ansprechende und ästhetische Bewegungen als beim Tanzen? Seit Beginn der Filmgeschichte wurden Tanzende auf Zelluloid gebannt, wurden eigene Genres wie der Musicalfilm oder im deutschsprachigen Raum der Operettenfilm erschaffen.
Die Verknüpfung von Filmhandlung und Tanz und Singeinlagen gehört zu den besonderen Herausforderungen dieser Genres. Je organischer diese miteinander verwoben sind, desto gelungener das Gesamtwerk. Und dannn gab es natürlich auch Filme in deren Mittelpunkt eine Tanzcompany stand wie etwa "Tanz, Pina tanz" (Wim Wenders) oder die harte Arbeit beim Ballett.
Entstehungsprozess
Tanzszenen zu drehen ist überaus fordernd, derartige Elemente müssen äußerst genau geplant und intensiv geprobt werden, weil neben den sonst üblichen Beteiligten wie Choreographen und Tänzern zusätzlich auch noch die Filmregie, die Kameraabteilung, der Ton und das Licht auf die Reise mitgenommen werden müssen. Der Koordinationsaufwand ist immens.
Es ist beim Film die Regie, welche ihre Vorstellung von der jeweiligen Tanzszene in Zusammenarbeit mit Choreographen umsetzt. Dabei spielt natürlich die Musik, die grundsätzlich vorproduziert wird, eine entscheidende Rolle, denn sie beeinflusst entscheidend das Tempo, die musikalische Stimmung und den Stil der Tanzeinlage.
Was in solchen Tanznummern möglich ist, hängt natürlich von den Fähigkeiten der Tänzer ab, nicht selten sind auch welche darunter, die die eigentlichen Filmschauspieler in den Tanzszenen doubeln. Manchmal, in seltenen Fällen können die Hauptdarsteller auch selbst tanzen, so wie beispielsweise Audrey Hepburn die in dem Film "Ein süßer Fratz" (Regie: Stanley Donen, USA 1957) alle Tanszenen mit Fred Astaire selbst getanzt hat.
Probenphase
Ob es professionelle Tänzer oder für den Film eigens ausgebildete Schauspieler sind, die trainiert werden, entscheidend ist, dass die Tanzdarbietung die Zuschauer überzeugt. In ausgiebigen Proben, die lange vor dem Drehbeginn liegen, werden die Choreographie mit den Bewegungsabfolgen, die Synchronität der Tänzer untereinander und mit der Musik und das Timing innerhalb der gesamten Szenen akribisch geprobt. Dies Proben können je nach Anzahl der Tanznummern und deren Komplexität, Monate in Aspruch nehmen. Meistens liegt zu diesem Zeitpunkt mindestens schon ein Layout, meist aber schon die fertig vorproduzierte Musik vor, die dann als Playback zugespielt wird. Außerdem können elektronische Taktgeber oder auch ein klassisches Metronom helfen, die Synchronität von Tanzenden und Musik sicherzustellen.
Ein wichtiger Faktor bei den Proben ist die Nutzung des verfügbaren Raumes. Es muss also schon in der Probenphase genau feststehen, welche Größe, welche Zugänge etc. der Raum haben wird, in dem die Szenen dann gedreht wird. Außerdem sollte man bereits zu diesem Zeitpunkt festlegen, welche Kamerapositionen und welche Kamerabewegungen etc. es geben wird, damit die Choreographie genau auf diese Positionen hin optimiert werden kann. Sie wird also auf den Drehort angepasst. Es ist wenig verwunderlich, dass Regisseure solche Szenen vorzugsweise in Studios gedreht haben, weil dort die Drehbedingungen besser kontrollierbar sind, als beim Drehen On Location.
Dramaturgie
Getanzte Szenen sind natürlich auch Teil der Filmhandlung und sie sind ebenfalls dafür gedacht, die Filmhandlung weiterzuerzählen und die Emotionen der Filmfiguren zu reflektieren. Dabei spielen die verwendeten Kostüme eine wichtige Rolle. Und natürlich will gut durchdacht sein, an welchen Stellen im Film man derartige Tanzeinlagen einbauen möchte, denn sie sollten nicht nur einmal im Film vorkommen, sondern in einer sinnvollen Taktung. In der Episode "Himmelbett" aus der Produktion "Midsommar-Stories" (Regie Elena Alvarez, Produktion: Allary-Film, TV & Media) etwa sind eine Reihe an Tanz,- und Singeinlagen dramaturgisch zu einem Teil der Filmhandlung geworden. Die gesungenen Songs sind teilweise dialogisch, die Tanznummern Teil der Handlung.
Kameraarbeit
Es versteht sich von selbst, dass die Kamera bei Tanszenen nicht statisch bleiben sollte. Wenn die Kamera möglichst beweglich ist und ihre Bewegungen sich als Teil der gesamten Choreographie verstehen, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass ein harmonischer Gesamteindruck entsteht. Vorgespräche mit den Choreographen sorgen dafür, dass auch alle Highlights der Choreografie wie besondere Drehungen, Hebefiguren oder Synchronbewegungen auch optimal von der Kamera erfasst werden können.
Ob die Kamerabewegungen lang sind und die Veränderungen vor allem durch die Bewegungen, durch die Annäherungen und das Entfernen der Kamera oder durch viele einzelne Einstellungen, die kurz und dynamisch montiert sind, entscheidet in der Regel die Regie. Schnelle dynamische Tänze verlangen meist entsprechend bewegte Kamerabewegungen während ruhigere, langsame Tänze durchaus ruhige Bewegungen oder sogar statische Aufnahmen erfordern.
Für die passenden Kamerabewegungen stehen diverse Instrumente wie Steadicams, Kamerakräne, Gimbals, Dollies oder manchmal auch Drohnen zur Verfügung. Auf diese Weise kann das Bild dynamisch den Tänzern folgen- ja unter Umständen mit ihnen mittanzen. Häufig folgen die Tanzenden gewissen Bahnen, Kreisen, symmetrischen Formen. Die Kamera sollte versuchen, diese symmetrischen Bewegungen als räumliche Muster sichtbar werden zu lassen. Die Zuschauer spüren es, ob die Kamera sich harmonisch mit den Tanzenden bewegt.
Mit engeren Einstellungsgrößen können Emotionen besser gezeigt werden, mit offeneren, weiteren Einstellungsgrößen kann die Tanztruppe, ihre Gruppenarbeit und natürlich auch der bespielte Raum besser zur Geltung kommen. Detail-Aufnahmen können bestimmte Dinge hervorheben, wie etwa die Mimik einzelner Tänzer, ihre Handbewegungen oder oder auch die tanzenden Füße. Vielleicht wird die gesamte Tanznummer sogar in einer einzelnen Einstellung gedreht, was die Choreographie als Einheit besonders hervorhebt. Möglicherweise wird auch in besonderen Augenblicken mit einer höheren Bildfrequenz gedreht, um Zeitlupeneffekte zu ermöglichen.
Je nach Produktionsweise kann es sein, dass die gleiche Tanznummer viele Male für unterschiedliche Kamerapositionen und Bewegungen wiederholt werden muss. Oder aber es wird mit einer Vilezahl an Kameras gedreht, welche unterschiedlichste Positionen gleichzeitig abdecken. Je nachdem, ob man sich auf einzelne Tänzer konzentriert oder ob das Ensemble sichtbar sein soll, kann man unterschiedlich mit der Schärfentiefe umgehen.
Auch die Ausleuchtung von Tanzszenen ist herausfordernd. Je nach Realismuseindruck der Szene muss ein ganz anderes Licht gesetzt werden, als beispielsweise auf einer Bühne. Vor allem müssen die Kontraste der Ausleuchtung angepasst werden, die Verfolgerspots auf Bühnen sind meist viel zu stark im Vergleich zu den für Film üblichen Kontrastverhältnissen.
Dreharbeiten
Tänzer brauchen Aufwärmphasen und Pausen, der Drehablauf muss sich zwingend nach den Notwendigkeiten der Tänzer richten und auch notwendige Sicherheitsaspekte für die Tänzer berücksichtigen. Die Musik wird als Playback zugespielt, später kann man dann noch Geräusche der Tanzbewegungen und Schritte als "Nurton" ohne Musik und Gesang aufnehmen. Falls Schauspieler ohne Tanzprofessionalität mittanzen, muss man durch entsprechende Bildauflösung und geschickte Montage deren mögliche Unzulänglichkeiten kaschieren.
Tanzszenen im Film sind stets eine Mischung aus Kreativität, Filmtechnik und hochpräziser präziser Teamarbeit. Auch die Ausstattung kann helfen, etwa durch Glas, Spiegel, Vorhänge, Tücher etc. die Tanzszene atmosphärisch zu unterstützen. Dass der spätere Schnitt solcher Szenen im Takt der Musik erfolgt, versteht sich beinahe von selbst.
Zu den spannenderen Filmen mit Tanzszenen gehören beispielsweise:
- "The Red Shoes" (Regie: Michael Powell, Emeric Pressburger, USA 1948)
- "Singin' in the Rain" (Regie: Stanley Donen, USA 1952)
- "West Side Story" (Regie: Jerome Robbins, Robert Wise, USA 1961)
- "Saturday Night Fever" (Regie: John Badham, USA, 1977)
- "Flashdance" (Regie: Adrian Lyne, USA 1983)
- "Footloose" (Regie: Herbert Ross, USA 1984)
- "Dirty Dancing" (Regie: Emile Ardolino, USA 1987)
- "Center Stage" (Regie: Nicholas Hytner 2000)
- "Billy Elliot" (Regie: Stephen Daldry, USA 2000)
- "Moulin Rouge!" (Regie: Baz Luhrmann, USA 2001)
- "Save the Last Dance" (Regie: Thomas Carter, USA 2001)
- "Honey" (Regie: Bille Woodruff, USA 2003)
- "Step Up"-Reihe (Regie: Anne Fletcher, USA 2006)
- "Black Swan" (Regie: Darren Aronofsky, USA 2010)
- "La La Land" (Regie: Damien Chazelle, USA 2016)
- "West Side Story" (Regie: Steven Spielberg (2021)