
Es ist schon erstaunlich, wie oft ein Roman vom Anfang des 19ten Jahrhunderts in der letzten Zeit wieder und wieder verfilmt wurde. Man denke nur an "Poor Things" (Regie: Yorgos Lanthimos, USA 2023), die animierte Serie "Creature Commandos" (Regie: James Gunn, 2024), und "Frankenstein" (Regie: Guillermo Del Toro, USA 2025). Doch die Geschichte der Verfilmungen dieses besonderen Stoffs begann viel früher...
Vielleicht war es 1910, als der erste längere Horrorfilm der Welt zum ersten Mal auf Leinwand zu sehen war. Wobei man unter "länger" damals alles bezeichnete, was mehr als drei bis vier Minuten dauerte. Und so ganz sicher ist das auch nicht, dass Edisons Adaption der erste Horrorfilm war, schließlich sind so viele frühe Filmwerke verloren gegangen. Außerdem war Edison bekannt dafür, als guter Geschäftsmann nur Dinge zu produzieren, von denen er wusste, dass sie erfolgversprechend waren. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass es auch vorher schon kleinere Ausflüge ins Horror-Genre gegeben hat. So hatte der "Frankenstein" Film der Edison Company ganze 14 Minuten Länge und war ein kommerzieller Erfolg.
Auch die zwei auf diesen Film folgenden „Frankenstein“-Adaptionen „Leben ohne Seele“ von 1915 und „Frankensteins Monster“ (Italien) sind verschollen.
Edisons "Frankenstein" wurde jedoch erhalten und ist in einer Version in der Library of the Congress verfügbar.
Wie man unschwer erkennen kann, hielt sich der Grusel in Grenzen, wobei man sagen muss, dass es damals vermutlich wenig brauchte, um den Menschen kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Deutlich gruseliger ging es dann erst in der ersten "Frankenstein" Tonfilm Version zu, die bis heute ikonisch ist. Die Geschichte über einen Wissenschaftler, der aus Leichenteilen ein neues Lebewesen mit Bewusstsein generiert, wurde von der englischen Autorin Mary Wollstonecraft Shelley im frühen 19ten Jahrhundert (1818) geschrieben. Es war ein herausragendes Werk der damals beliebten romantischen und zugleich fantastischen Literatur, die Autorin war gerade mal 18 Jehre alt, als die diesen Roman schrieb.
Trauriges Tonfilm Monster
Es war der Sohn von Carl Lämmle, dem Gründer der Universal Pictures, der ein Faible für Horror hatte und der zunächst eine "Dracula" Adaption produzierte und dann, nachdem dieser Film kommerziell erfolgreich war, in kürzester Zeit die "Frankenstein" Adaption unter der Regie von James Whale als frühen Tonfilm produzierte. Der Film entstand innerhalb weniger Monate, war also quasi mit "heißer Nadel" genäht, doch wie so oft kann Produktionsdruck auch positive kreative Energien hervorbringen. Tatsächlich wurde "Frankenstein" der 1931 fertig wurde, noch viel gruseliger, aber auch zugleich visuell spannender, ja sogar berührender als "Dracula".
Das lag einerseits an der Anlage der Hauptfigur, die gleichzeitig Monster, Opfer und Held ist also verschiedenste Facetten besaß und andererseits am Hauptdarsteller Boris Karloff, dessen Darstellung gleichzeitig furchterregend als auch bedauernswert und traurig ist. Das künstlich geschaffene Wesen, welches unwillentlich in eine Welt hineingeworfen wird, die ihn ablehnt.
Ikonisch
Heute weiß mann, dass einige der beteiligten Personen wohl auch ihre eigenen Themen und Erfahrungen mit in diesen Film eingebracht haben. Regisseur James Whale wusste wegen seiner Homosexualität und den Anfeindungen in der damaligen Gesellschaft wie sich Anblehnungen anfühlten, Hauptdarsteller Boris Karloff hatte indische Wurzeln und kannte die Schwierigkeiten, sich in die damalige britische Gesellschaft zu integrieren und Colin Clive, der Darsteller des Dr. Henry Frankenstein litt unter Alkoholismus.
Zu der ikonischen Wirkung beigetragen hat sicherlich auch der hervorragende Maskenbildner Jack P. Pierce, der sein Design für das Monster sensibel an Karloffs Gesicht anglich, um dem Schauspieler die maximale Mimik zu erhalten, seine Emotionen auszudrücken. Und natürlich wird die Figur auch durch die Kamera (Arthur Edeson) perfekt in Szene gesetzt. Allein schon die Einführung der Figur im Film, in welcher man das Monster in einen Raum zurückweichen sieht, ohne das Gesicht zu erkennen, bis es sich ganz langsam umdreht und die Zuschauer zutiefst erschreckt. Trotz diverser Neuverfilmungen konnte eigentlich niemand Boris Karloffs subtiles emotionales Spiel je übertreffen.
Beeindruckend auch, dass die beunruhigende Wirkung des Films fast gänzlich ohne Filmmusik auskommt,- etwas, was die meisten heutigen Horrorfilme nicht überstehen würden. Doch in den ganz frühen Tonfilmjahren verwendete man extrem wenig Musik, bestenfalls im Vor,- und Abspann eines Filmes. Das änderte sich nur wenige Jahre nach dem Karloff-Frankenstein. So aber lenkt die Zuschauer nichts ab von der Mimik und Gestik Karloffs in einem Horrorfilm der die Messlatte für alles was folgen sollte, extrem hoch aufhing. Für einige der Geräusche sorgte übrigens damals Jack Foley, nach dem man später praktisch alle Geräuschemacher-Effekte (Foley) benannt hat.
Aktuelle Themen
Letztlich sind viele Fragestellungen, die der Roman behandelt, in unserer Zeit weiterhin hochaktuell. Etwa wie sich Forschung, Innovation und High Tech Kapitalismus mit den Gedanken des Humanismus vertragen oder auch wie unsere Gesellschaft mit Jenen umgeht, die abweichen von den gesellschaftlichen Normen. Die grandiosen Wirkungen und Spuren dieses Films haben das Kino bis heute geprägt.

