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Fateless - Roman eines Schicksallosen

 

Fateless - Roman eines Schicksallosen

Daten

Fateless - Roman eines Schicksallosen

Ungarn, Deutschland, England 2004

REGIE: Lajos Koltai
DREHBUCH: Imre Kertész
KAMERA: Gyula Pados
SCHNITT: Hajnal Sellö
MUSIK: Ennio Morricone

DARSTELLER: Marcell Nagy, János Bán, György Gaszó, József Szarvas, Béla Dóra, Àron Dimény, Daniel Craig

 Links zum Film

Offizielle Website

Das Movie-College haftet nicht für den Inhalt externer Seiten.

 

Kinostart: 02. Juni 2005

Regie: Lajos Koltai

Nie wieder soll sich der Schrecken des Hitlerregimes wiederholen. Seit vielen Jahren leisten unterschiedlichste Filme wertvolle Dienste beim Kampf gegen die Gleichgültigkeit- auch wenn manchmal nicht ganz klar ist, ob einzelne Beiträge nun zum Aufarbeiten oder bloßem Mitgruseln gedacht sind.

"Fateless- Roman eine Schicksallosen" ist der dritte ernstzunehmende Versuch, das Grauen des Holocaust auf der Kinoleinwand zu zeigen. Steven Spielberg hat uns geschockt mit "Schindlers Liste", Roberto Begnini setzte in "Das Leben ist schön" subtilen Humor ein. Lajos Koltai findet zusammen mit Imre Kertész eine weitere Form, sich diesem heiklen Thema anzunähern: die Poesie.

Die Figuren haben oft keine Namen, sie bezeichnen Typen: "Der Junge", "Polizist", "Rauchender Junge" oder "Unglücklicher Mann". Imre Kertész hat zu seinem "Roman eines Schicksallosen" selber das Drehbuch verfasst. So etwas funktioniert nicht immer, stellt sich hier aber als großes Glück heraus, da Kertész gar nicht erst versucht, gängige Drehbuchregeln (oder -klischees) einzuarbeiten. Man merkt dem Film ständig die literarische Vorlage an- allgemeingültige Dialoge, von beispielhaften Personen gesprochen. Das Buch wird so auf minimale, grundlegende Begebenheiten reduziert. Ansonsten versuchen Koltai und Kertész, den Grundton, die poetische Basis in das Medium Film zu transportieren- und sie haben dabei Bilder von solcher Wucht geschaffen, dass man schnell das Gefühl hat: anders hätte man dieses Buch gar nicht umsetzen dürfen.

Die Handlung setzt 1944 in Budapest ein. Der vierzehnjährige György erlebt die Abreise des Vaters ins Arbeitslager und die Identitätskrise anderer Jugendlicher- was bedeutet das, Jude zu sein, und warum ist man damit schlechter als andere? Er wird zur Fabrikarbeit verpflichtet und eines Tages auf dem Weg dorthin von einem Polizisten zusammen mit allen anderen Juden verhaftet. Die Kinder haben keine Ahnung, was mit ihnen geschehen soll. Sie werden nach Budapest zurückgeführt, treffen dort auf weitere Kolonnen von Menschen mit gelben Sternen. Als eine Trambahn den Tross zum Stillstand bringt, nutzen einige die Gelegenheit zur Flucht. Beinahe unmerklich nickt der Polizist György zu. Doch dieser zögert, beschließt, bei den Kameraden zu bleiben. Einen Lidschlag später ist die Chance auf einen anderen Ablauf der Geschichte vorbei.
Die Juden werden mit dem Zug nach Auschwitz gebracht. Dort geht die Demontierung der Individualität weiter: György ist ab jetzt eine Nummer; zunächst ist man noch froh, nicht wie die anderen an der Rampe aussortiert worden zu sein. Nicht jeder hatte Glück.
Das Dahinvegetieren im Lager, die Zeit des Leidens beginnt. Drei Lager lernt György im Laufe eines Jahres kennen. Man schlägt sich irgendwie durch, versucht die Zeit bis zur nächsten Essensration zu überstehen. Moralische Fragen drängen sich auf: wie schuldig ist ein Häftling, der zu seinem Vorteil versucht, Handel mit dem Essen zu treiben, wenn es ums Überleben geht?
György ist den grausamen Bedingungen nicht gewachsen. Am Ende seiner Kräfte liegt er zwischen Leichen und überlebt nur deshalb, weil andere Häftlinge ihn aufsammeln und in die Sanitätsbaracke bringen. Dort beginnt sein Lebenswille langsam zurückzukehren.

Auf der Krankenstation erlebt er die Befreiung durch die Amerikaner. Er schließt sich einem Trupp Heimkehrer an, will nach Budapest zurück. Wie reagieren die Menschen, wie gehen sie mit dem Wissen um die Gaskammern um? Dieses Gefühl der Verlorenheit, der Leere zu eindrucksvoll zu vermitteln, ist einer der vielen großartigen Momente dieses Films.

Es sind vor allem  diese kleinen, poetischen Bilder, gefilmt wie kurze Momente des Erwachens im Einheitsbrei des Lagerlebens, die diesen Film so unerhört intensiv wirken lassen. Mit subjektiven Momentaufnahmen- Häftlingen, die beim Morgenappell wie Grashalme im Wind schwanken, erhängten Flüchtlingen in der Ferne, die wie Puppen am Gestell hängen- das ist scheinbar entschärft, nicht wissenschaftlich korrekt und schafft es doch um so vieles besser, den Zuschauer zu berühren. Und man ist froh, wenn Ennio Morricones Klangteppiche wieder einsetzen und man mit der Kraft dieser Bilder nicht mehr alleingelassen wird. Dieser Film ist ein großartiges Manifest für die Menschlichkeit. Man muss sich nur öffnen für die Intensität dieser Bilder.
Egal, ob die Lehrkräfte ihre Schulklassen nun für Deutsch, Geschichte oder Ethik in diesen Film setzen: es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Menschen diese Verfilmung sehen. Denn auch wenn es nicht der erste Film zum Thema Holocaust ist, so ist es doch einer, der abseits der offiziellen Geschichtsschreibung vermittelt, was das dritte Reich wirklich bedeutete. Und selten fühlt man sich nach dem Kinobesuch so erfüllt von der Gewissheit, dass so etwas nie wieder geschehen darf.

 

Gesehen von Johannes Prokop

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