Film ist in den seltensten Fällen Echtzeit, wenn man einmal von solchen One-Take Filmen wie „Russian Arc", „Victoria" oder Hitchcocks leicht geschummelten „The Rope" absieht. Bei allen „One Takern" wird von allen am Dreh Beteiligten ungeheuer viel verlangt,- es gibt keine Möglichkeit, an Timing, Reihenfolge etc. etwas zu verändern. Einzig die Wiederholung des Drehs (ggf. 90 Minuten am Stück) bietet die Chance zur Optimierung.
Die überwältigende Mehrheit aller Filme wird in Einstellungen und Szenen unterteilt, genau so werden sie auch gedreht. Erst im Schnitt werden die am Set gedrehten Aufnahmen zu Szenen, zu einem ganzen Film zusammengefügt. Das bietet Vorteile hinsichtlich der Gestaltung, des Aufbaus, des Tempos, der Rhythmisierung des gedrehten Materials. Zugleich sollte der Schnitt genau diese Tatsache unsichtbar werden lassen, also in der Wahrnehmung der Zuschauer einen logischen Bildfluss erzeugen, der eine Illusion des fließenden Ablaufs erzeugt.
Doch zwischen den Dreharbeiten und dem parallel oder später erfolgenden Schnitt gibt es starke Abhängigkeiten und Verbindungen. Die Arbeit im Schneideraum wird extrem davon bestimmt, was und vor allem wie am Set gedreht wurde. Eigentlich sollte am Set kein einziger Take aufgenommen werden, den man nicht in Hinblick auf den späteren Schnitt hin konzipiert hat. Hat man nicht auf Schnitt gedreht, fehlen den Cutter-inne-n oft die Möglichkeiten, Abläufe kreativ zu komprimieren. Man ist dann gezwungen, die für das Verstehen der Handlung notwendigen Abläufe in Gänze und mit allen unnötigen Pausen zu zeigen.
Ausnahmen sind Filme, in denen man bewusst alle Regeln der Kontinuität verletzt hat, am bekanntesten ist sicherlich Godards „Außer Atem" mit seinen Jumpcuts.
Damit glatte Abläufe in der Montage entstehen können, müssen die Aufnahmen jedoch gezielt dafür gedreht werden. Nur dann verfügen die Cutter-innen über ausreichende Möglichkeiten, dem Film seine optimale Gestalt zu geben.
Dazu gehören auf jeden Fall unterschiedliche Einstellungsgrößen, Kamerawinkel und Aufnahmen, welche die Wahrnehmung und Interessenslage des Zuschauers bedienen. Nur durch die unterschiedlichen Einstellungen kann umgeschnitten und damit Rhythmus und Timing verändert werden.
Dazu ist es auch erforderlich, dass gleiche Vorgänge mindestens aus zwei Perspektiven oder in zwei unterschiedlichen Einstellungsgrößen gedreht werden. Diese Unterschiede sind notwendig, damit es genügend Unterschiede durch Größe/Richtung/Winkel etc. gibt, dass das Auge des Zuschauers mit Neuorientierung beschäftigt ist und mögliche Fehler in der Kontinuität übersieht. Es sollte also der gleiche Ablauf mehrfach „gecovert" werden.
Es stellen sich Fragen wie:
Womit beginnt unsere Szene, womit endet sie? (Nähern wir uns aus eher totaleren Einstellungsgrößen an und entfernen uns gegen Ende wieder?)
Wo befinden wir uns überhaupt?
Wo sind wir distanziert, wo nähern wir uns an?
Wer betritt wann und wie den filmischen Raum, wer verlässt diesen wann und wie?
Wer bewegt sich im filmischen Raum auf welche Weise?
In welchen Größen erzählen wir den Hauptteil unserer Szene? Wo nähern wir uns den handelnden Figuren wie stark an? (Einstellungsgrößen)
Wie verbinden wir erzählerisch wichtige Bildelemente miteinander?
Welche Richtungen, welche Bewegungen können wir für fließende Übergänge nutzen?
Was muss in der Szene unbedingt sichtbar sein?
Welche Aufmerksamkeitsreize stehen uns zur Verfügung?
Wie visualisieren wir den Höhepunkt einer Szene?
Auf welche Weise unterstützen wir fließende Übergänge / unsichtbare Schnitte?
Womit verlassen wir die Szene?
All diese Fragestellungen sollten in die vorzubereitende „Auflösung" einer Szene mit einfließen. Mehr dazu in der Online Vorlesung "Bildgestaltung" sowie den Online-Seminaren und den PlusPages des Movie-College.