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Dialoge schreiben

Gute Dialoge schreiben ist nicht ganz einfach. Schließlich haben die Dialoge ja diverse Aufgaben zu erfüllen, die über die reine Vermittlung von Handlungsinformationen weit hinausgehen.

 

Vorarbeit

Bevor man beginnt, die Dialoge zu einer bestimmten Szene zu schreiben, sollte man sich erst einmal absolut klar sein über die Struktur der gesamten Filmgeschichte und die Dynamik und Bedeutung der Szene innerhalb dieses Zusammenhangs. Ja, im Idealfall sollte das Buch recht weit gediehen sein, so dass lediglich noch die Dialoge fehlen. Dann nämlich wird die Geschichte, wie es sich für einen guten Film gehört, in ihrem Kern durch Handlung und Bilder erzählt und nicht, wie bei vielen schlechten Filmen, fast ausschließlich durch sprechende Köpfe.

Testen Sie es doch einfach mal vor dem Fernseher. Wählen Sie einen Film aus und drehen den Ton weg. Können Sie der Geschichte trotzdem weitgehend folgen, oder wird sie ausschließlich über Dialoge erzählt?

 

Situation

Wenn Sie an einer konkreten Szene arbeiten, stellen Sie sich am Besten zunächst die Frage: In welcher Verfassung befinden sich die Figuren an diesem Punkt der Geschichte, was sprechen sie aus, was denken sie sich nur (Subtext). Wohin bewegen sich die Figuren nach dieser Szene und generell während der Filmhandlung?

Wollen Sie gute Dialoge schaffen, sollten Sie Ihre Filmfiguren unbedingt in interessante Konstellationen und Situationen hineinbringen. Dann werden auch automatisch die Dialoge reicher und interessanter.

 

Funktion vor Inhalt?

Das Gespräch Ihrer Filmfiguren muss gar nicht zwangsläufig mit der Handlung zu tun haben. Sie können sich über Fischmärkte, Astronauten oder Babywindeln unterhalten. Wichtig aber ist, dass das Gespräch die Funktion der Szene erfüllt. Sollen zwei Dialogpartner sich in der Szene zerstreiten, so ist das Thema nicht unbedingt von Bedeutung. Das Augenmerk liegt auf den gegensätzlichen Standpunkten, die immer mehr auf einen Eklat zusteuern. Allein das Ergebnis (Streit) und die Emotionen zählen.

Möchte man betonen, wie unsinnig der Streit oder wie zerbrechlich das Verhältnis der Personen zueinander ist, so kann man dies durch die entsprechende Auswahl des Streit-Themas unterstreichen. Das kann über die Unkultiviertheit brauner Schnürsenkel in schwarzen Schuhen genauso wie etwa über falsch erinnerte Backzutaten aus Jugendzeiten geschehen.

 

Sprache

Die hohe Kunst der Dialoge beginnt jedoch nicht bei den Inhalten, sondern bei Klang, Farbe und Duktus der Sprechenden. Welcher Charakter spricht wie? Schließlich verfügt man ja eigentlich als Mensch nur über seine eigene Art zu sprechen. Und in unserem Drehbuch sollen schließlich nicht alle gleich klingen. Der Bankier nicht wie der Straßenjunge, die Kioskverkäuferin nicht wie die Konzernchefin.

Es ist wichtig, Ihren Filmfiguren eine individuelle Stimme zu geben, an der man sie auch eindeutig erkennt. Die persönliche Geschichte der Figur, ihr soziales Umfeld und der Charakter prägen maßgeblich ihre Ausdrucksweise und beschreiben sie gleichermaßen.

 

Zuhören

Ein Weg, seine Fähigkeiten in dieser Richtung zu erweitern, ist zuhören. In der U-Bahn, im Kino, in Kaufhäusern, überall, wo Menschen sich unterhalten. Ja, sogar Talk-Shows können Ihnen zur Inspiration dienen und Ihnen helfen, Ihre Figuren mit der passenden Sprache auszustatten. Es genügt natürlich nicht, das Gehörte einfach mitzuschreiben oder aufzunehmen und dann einfach niederzuschreiben. Drehbuchdialoge sind anders. Sie sind stilisiert. Sie sind komprimiert, sind prägnanter, vieles vom Alltagsgeschwafel wird weggelassen, selbst, wenn man in einer Szene den Eindruck von „Geschwätzigkeit“ vermitteln möchte.

 

Dialoge testen

Es ist sehr hilfreich, sich die Dialoge selbst vorzulesen. Oder, noch komfortabler, sie gemeinsam mit anderen zu lesen. Ideal ist er, wenn man am Dialog selbst erkennt, wer ihn spricht - wenn der Dialog eine Seite des Charakters transportiert, die einem sonst vielleicht gar nicht offenbart würde.

Am guten Dialog kann man erahnen, was die Filmfigur uns vielleicht nicht preisgeben möchte. Was sie von ihrem Innersten verbergen, was sie statt dessen behaupten will. Oder denken Sie an Schwindel und Lüge.

Wie tragisch kann es wirken, wenn jemand, der zutiefst unglücklich ist, in seinen Dialogen vorschwindelt, wie gut es ihm/ihr geht. Hier ein Beispiel aus dem Drehbuch „Liebe, Leben, Tod“:

 

Innen/Tag

Pauls Wohnung

Leyla und Paul telefonieren miteinander. Paul rauft sich die Haare, ist unbeholfen, angesichts ihrer Traurigkeit.

 

Paul:

(sanft)

„Jeder läßt mal den Kopf hängen. Das vergeht! Möchten Sie darüber sprechen?“

 

Leyla:

(ruppig)

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns was zu sagen haben. – Außer der Schuhgröße.“

 

Paul:

„Also wenn es mir schlecht geht, dann denke ich ans Frühstück. An Kaffee und frische Brötchen. Da geht es mir gleich wieder besser!“

 

Leyla:

(grob)

„Ich weiß nicht, wie sie darauf kommen, es ginge mir schlecht. Und wenn es so wäre, würde ich es Ihnen bestimmt nicht erzählen!“

 

Paul:

„Ich hatte den Eindruck, sie seien unglücklich...“

 

Leyla:

(bemüht, die Tränen zurückzuhalten)

„Keine Spur. Es geht mir gut! Heute Mittag war ich in ein französisches Restaurant eingeladen. Und gestern Abend war ich auf einem herrlichen Fest. Das hätte Ihnen bestimmt auch gefallen, all die schönen Schuhe, die spitzen Absätze...!“

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