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Festoptik Leitz Summicron

Leica Summicron 50mm Festobjektiv

 

Purismus bringt oft eine Beschränkung mit sich, Filmemacher haben ganze Kinofilme mit nur einem Objektiv gedreht. Der japanische Regisseur Yasujiro Ozu hat es getan, Jim Jarmush hat es getan und viele Andere ebenfalls. Filme mit nur einem Objektiv gedreht und die Kulissen und Abstände der Schauspieler*Innen haben sich bildsprachlich danach ausgerichtet. In den ersten sechs Jahrzehnten der Filmgeschichte arbeiteten die Kameraleute ausschließlich mit Festoptiken,- es gab noch keine Zooms.

Bitte nicht verwechseln: Die Brennweite (Engl: Focal Length) ist keine Festlegung der Einstellungsgröße. Sie verändert zwar, wieviel wir im Bild sehen und auch das Gefühl, doch die Größen können wir, auch wenn wir nur ein Objektiv verwenden, natürlich durch den Abstand der Kamera oder der Personen etc. variieren.

Um die Festoptiken schnell wechseln zu können, hatten viele Kameras ein sogenanntes Revolverbajonett, eine drehbare Konstruktion vor dem Bildfenster der Filmkameras, mit dem man mit einer Drehung das Objektiv wechseln konnte. Diese Arbeitsweise hatte natürlich zur Folge, dass die Kameraleute und Regieleute viel bewusster die Brennweiten wahrgenommen haben. An Kinofilmsets ist es heutzutage absoluter Standard, ebenfalls mit Festbrennweiten (Primes) zu arbeiten, doch diese werden jeweils gewechselt,- Revolver-Bajonette gibt es nicht mehr.

An diesen Filmsets sind meist Objektivkoffer mit vier bis sechs Festoptiken dabei,- oftmals die teuersten Ausrüstungsteile am ganzen Set. Während viele Filmemacher glauben, sie müssten unbedingt ebenfalls einen ganzen Satz Festoptiken zur Verfügung haben, darf man nicht übersehen, was für grandiose Filme möglich waren und sind, die mit nur einer einzelnen Brennweite gedreht wurden.

 

Selbstbeschränkung

Manchmal kann es die Kreativität extrem befördern, wenn man sich selbst gewisse Grenzen auferlegt,- etwa die Festlegung auf nur eine Brennweite.

So wurde auch Alfred Hitchcocks "Psycho" fast ausschließlich mit einem 50mm Objektiv gedreht, einerseits aus Kostengründen, weil das Budget sehr klein war, andererseits auch aus äthetischen Gründen, um den ganzen Film mit einer Optik zu drehen, die dem menschlichen Blickwinkel sehr nahe kommt. Dies sollte die Zuschauer noch tiefer in die Story hineinziehen.

Bei Yasujiro Ozu war es die 50mm Brennweite. Mit seinem Kameramann Mohara Hideo verwendete Ozu 50mm und 75mm Objektive, später mit dem Kameramann Yūharu Atsuta nur noch die 50mm Optik.

Die Verwendung von nur einer Brennweite trägt dazu bei, einem Film eine große Einheitlichkeit, formale Geschlossenheit zu geben. Die eine verwendete Brennweite wird so zu einer Art visuellem Klebstoff, der alle Aufnahmen miteinander verschweißt, ganz gleich, wie dynamisch oder kontemplativ der Film auch sein mag. Ganz gleich wie viele Drehorte, Tages,- oder Jahreszeiten erzählt werden, alles fügt sich visuell gut zusammen.

 

Auswahl

Festoptik Silberwald Standfoto 4000

Saladin Dellers in "Silberwald" (Regie: Christine Repond, Kamera: Michael Leuthner, Produktion: Karin Koch, Dschoint Ventschr Zürich in Zusammenarbeit mit Allary-Film, TV & Media

 

Bei vielen Filmen wurde und wird ein 50mm Objektiv (bezogen auf 35mm Film bzw. APS-C) verwendet, eine Brennweite, die bei 35mm Tonfilm Film ein leichtes Tele darstellt. Diese minimal längere Brennweite macht den Bildeindruck etwas idealisierter, machmal surrealer, doch unsere Sehgewohnheiten für die der Look recht normal und organisch anmutet, machen die Brennweite sehr beliebt.

Man darf die historische Komponente nicht vergessen,- im Stummfilm (mit breiterem Bild, weil kein Lichtton auf der Kopie untergebracht werden musste) galt das 50 er als Normalbrennweite. Und auch bei der Kleinbildfotografie, wo der Film ja nicht vertikal, wie beim Kinofilm, sondern horizontal durch die Kamera läuft ist das 50er tatsächlich die Normalbrennweite.

Bei späteren Filmen anderer Filmemacher*Innen findet man viel häufiger das 40mm Objektiv, eine eher seltenere Brennweite, die aber, verwendet bei 35 mm Kinofilm, am ehesten der Normalbrennweite entspricht. Es ermöglicht den gleichen Bildeindruck, den auch das menschliche Auge hat und vermittelt dadurch einen sehr neutralen, wahrhaftigen, realistischen, fast dokumentarischen Charakter. Man zeigt die Welt so, wie auch der Mensch sie sehen würde.

Doch auch Weitwinkel-Objektive waren bei manchen Kinofilmen die einzige verwendete Optik. Die Entscheidung hierfür entstand dem Sujet der Filme entsprechend aus kreativen Anforderungen oder auch praktischen Notwendigkeiten wie der Verwendung einer Steadicam (z.B. "Birdman"). Brenweiten wie die 28mm (bei APS-C) können einen ganz besonderen Look erzeugen und machen schnelles Arbeiten am Set möglich.

Bei der Entscheidung, ob man mit Normalbrennweite oder einem Weitwinkel Weitwinkel dreht spielt natürlich auch die Location eine Rolle. Früher als häufig in Studios gedreht wurde, war es unproblematisch mit einer Normalbrennweite zu drehen. Wenn man mehr Abstand brauchte, um ein weiteres Bildfeld zu erhalten, konnte man Sprungwände des Studios entfernen und mit der Kamera zurückgehen. Das ist heute beim Drehen on Location, vielleicht in kleinen, engen Wohnungen, weniger möglich. Ein deutscher Regiekollege ließ etwa in einem realen Motiv sogar ein Loch in eine Mauer stemmen, um mehr Abstand mit der Kamera gewinnen zu können.

 

Filmliste

HTI Silberwald 4000

Saladin Dellers in "Silberwald" (Regie: Christine Repond, Kamera: Michael Leuthner, Produktion: Karin Koch, Dschoint Ventschr Zürich in Zusammenarbeit mit Allary-Film, TV & Media

 

Diese Aufzählung ist natürlich unvollständig, die Zahl der Filme die mit nur einer Brennweite gedreht wurden, ist weitaus größer. Von Bedeutung ist bei der Bewertung der Brennweite auch, ob normal oder anamorphotisch (für Breitwand) gedreht wurde. Bei dem deutlich breiteren Bild etwa bei Cinemascope, war nämlich die Normalbrennweite wegen der etwa 2-fachen Verbreiterung des Bildes ein 14mm-Objektiv oder 16mm Objektiv, erzeugte aber die gleiche "normale" Bildwirkung wie ein 28mm Objektiv ohne Anamorphot. Außerdem sind einige der Filme nicht auf 35mm sondern 16 oder Super 16mm gedreht worden, was die Brennweitenverhältnisse ebenfalls beeinflusst.

Das ist wichtig zu wissen, wenn man sich unsere Auflistung an Filmen anschaut und die verwendete Brennweite bewerten möchte. Außerdem haben nicht alle Filme sich auf nur eine Brennweite beschränkt, wenn man tiefer recherchiert, stößt man häufiger auf einzelne Einstellungen für die eine zweite oder dritte Brennweite verwendet wurde. Dennoch haben die meisten dieser Filme eine Hauptoptik und nur manchmal, in besonderen Situationen wurde eine weitere Brennweite verwendet. Die allermeisten genannten Filme wurden auf 35mm analogem Film oder einem entsprechenden Sensor gedreht (entspricht ungefähr APS-C), darauf beziehen sich die Brennweiten, ein paar der Filme wurden aber auch auf Super 16 (entspricht etwa MFT) gedreht, entsprechend sind dort kürzere Brennweiten adäquat verwendet worden.

 

Filme mit einer Brennweite

Citizen Kane (Regie: Orson Welles, USA 1941, 25mm)

The Rope (Regie: Alfred Hitchcock, USA 1948,50mm)

Tokyo Story (Regie: Ozu Yasujirō, Japan 1953, 50mm)

Touch of Evil (Regie: Orson Welles, USA 1958 18mm)

Psycho (Regie: Alfred Hitchcock, USA 1960, 50mm)

Rosemarys Baby (Regie: Roman Polański, USA 1968, weitgehend mit 40mm)

Clockwork Orange (Regie: Stanley Kubrick, UK, USA 1971 Zeiss Planar 0,7/50mm)

The Last Picture Show (Regie: Peter Bogdanovich, USA 1971, 28mm)

Der Pate (Regie: Francis Ford Coppola, USA 1972, 40mm)

Chinatown (Regie: Roman Polański, USA 1974, 40mm, 45mm, 50mm)

Barry Lyndon (Regie: Stanley Kubrick, USA 1975, Zeiss 50mm f/0.7 adaptiert mit Weitwinkel-Adapter, damit wurde es 37.5mm)

Mad Max (Regie: George Miller, 1979, 35mm anamorph)

Delicatessen (Regie: Jean-Pierre Jeunet, Frankreich 1991, 25mm)

Bottle Rocket (Regie: Wes Anderson, USA 1994, 27mm)

Rushmore (Regie: Wes Anderson, USA 1998, 21mm, 40mm)

Amelie (Regie: Jean-Pierre Jeunet, Frankreich, Deutschland 2001, 18 oder 25mm)

Royal Tennenbaums (Regie: Wes Anderson, USA 2001, 21mm, 40mm)

Monster (Regie: Patty Jenkins, USA 2003, 50mm)

Der Wrestler (Regie: Darren Aronofsky, USA 2008, 12mm/Super16)

„Dogtooth" (Regie: Yorgos Lanthimos, USA 2009, 50-mm-anamorph)

Valhalla Rising (Regie: Nicolas Winding Refn, Dänemark, USA 2009, 16mm)

Silberwald (Regie: Christine Repond, Schweiz, Deutschland 2011, 12 mm und 18mm, Super 16)

Cosmopolis (Regie: David Cronenberg, Kanada, Frankreich, Portugal, Italien 2012, 21mm)

Birdman (Regie: Alejandro González Iñárritu, USA 2014,18mm)

Grand Budaest Hotel (Regie: Wes Anderson, Deutschland, USA 2014, 40mm)

Sohn Sauls (Regie: László Nemes Jeles, Ungarn 2015, 40mm)

The Witch (Regie: Robert Eggers, USA, Kanada 2015, 32mm)

Toni Erdmann (Regie: Maren Ade, Deutschland, Österreich 2016, 32mm)

Call Me by Your Name (Regie: Luca Guadagnino, Italien, Frankreich, USA, Brasilien 2017, 35mm)

1917 (Regie: Sam Mendes, USA 2019, 40mm)

 

Argumente

Ein richtig oder falsch gibt es bei der Entscheidung für oder gegen das Drehen mit nur einer Brennweite nicht. Zuschauer werden vermutlich gar nicht bemerken, dass der Film, den sie gerade sehenm mit nur einer Brennweite aufgenommen wurde, doch sie werden es unbewusst spüren. Jede Brennweite erzählt die Filmgeschichte vielleicht ein wenig anders. Und vielleicht verlangt auch jede filmische Situation nach einer individuellen Brennweite. Wenn man weiß, was die Brennweiten erzählerisch bewirken, dann ist auch der Wechsel der Brennweiten sinnvoll.

Die Entscheidung für nur eine Brennweite muss gewissenhaft überprüft werden. Sie macht einen Film nicht automatisch besser. Vielleicht zwingt sie die Kreativen dazu, nach besonderen Lösungen zu suchen und trägt damit zu mehr Eigenheiten des Filmes bei. Die eine Brennweite ist eines von mehreren kreativen Elementen, so wie man bei der Gestaltung auch durch Farbe, durch Kamerabewegungen, durch den Look etc. etwas Bestimmtes erzählerisch unterstreichen kann.

 

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