Notwendiges Übel oder Partner?
Es gibt unzählige Geschichten von Produzenten und Regisseuren, die aneinander ungeheuer viel Energie, Kreativität und Lebenszeit verloren haben. Oft genug erfährt man nie etwas davon, bleiben bestenfalls Gerüchte oder Ungereimtheiten übrig, aus denen man auf ein schwieriges Miteinander schließen kann. Wir wollen dieses besondere Zusammenspiel einmal genauer betrachten.
Das Klischee vom Zigarre rauchenden Produzenten, der auf Geldbündeln sitzt und herrschsüchtig ganze Teams inklusive Regie knechtet, ist eher die Ausnahme. Heutige Produzenten stehen mehr in der öffentlichen Beobachtung als in Hollywoods goldener Zeit. Auch die Liebesaffären zwischen Produzenten und Schauspielerinnen haben statistisch gesehen, abgenommen. Was nicht heißen soll, dass menschliche Faktoren nicht auch heute noch oft genug über qualitative und künstlerische Kriterien triumphieren...
Zahllose Stories...
Man spricht ungern darüber und dennoch sind einige Geschichten bekannt geworden, von kleineren bis zu ausgewachsenen Auseinandersetzungen zwischen Regie und Produktion, von denen so manche vor Gericht endeten.
Jean Luc Godard etwa erzählte in seinem Film "Le Mépris" von einem alternden Filmregisseur (Fritz Lang), der in Konflikt mit seinem Produzenten (Jack Palance) gerät. Auch in Francois Truffauts "Amerikanische Nacht" erlebt man den Regisseur im Spannungsfeld mit dem Produzenten.
Oft genug werden Regisseure in der laufenden Produktion einfach ausgewechselt. Vor allem in den USA, wo die Regie eher als Dienstleistung denn als individuelle Kreativleistung betrachtet wird, aber auch hierzulande sind einige Fälle bekannt. Die Beispiele in den USA sind zahlreich:
Bei dem Film "Death of a Gunfighter" wurde Robert Totten durch Don Siegel ersetzt.
Bei "The Exorcist: The Beginning" wurde Regisseur Paul Schrader von der Produktionsfirma Warner Brothers gegen Renny Harlin ausgewechselt.
Brian DePalma sollte eigentlich bei "Taxi Driver" Regie führen, doch nachdem die Produktion "Mean Streets" gesehen hat, entschied sie sich für Martin Scorsese.
Beim Remake von "Time Mashine" wurde Regisseur Simon Wells in Urlaub geschickt und Gore Verbinski stellte den Film fertig.
Der Regisseur des Films "Der Texaner" Philip Kaufman wurde mitten in den Dreharbeiten durch Clint Eastwood ersetzt.
Bei Superman II wurde Regisseur Richard Donner herausgeworfen und durch Richard Lester ersetzt.
Bei der Umsetzung von "Wonder Woman" ist Regisseur Joss Whedon ausgestiegen.
Bei " The Flash" hat sich David Goyer (The Invisible) mit der Produktion überworfen.
Von Terry Gilliam weiß man, dass er häufiger mit den Produzenten Streit bekam, oft genug liefen seine fantasievollen und visuell ungewöhnlichen Projekte auch finanziell aus dem Ruder, ein Umstand, der bei Produzenten auf wenig Gegenliebe trifft. Doch auch gestalterische Divergenzen gehörten zu seinem Alltag. Bei Brazil etwa hatte das Studio seine Schnittversion ohne ihn umgeschnitten (Produzenten behalten sich das Recht zum "Final Cut" , der letzten Schnittfassung vor) und lange gezögert, den Film überhaupt herauszubringen.
Das Studio, insbesondere der Chef, Sidney Jay Sheinberg, war gegen das düstere Ende, wie Gilliam es entworfen hatte und wollte ein positives Ende. Nachdem eine vom Studio zurechtgestutzte Version im amerikanischen Fernsehen lief, wurde der Film letztlich in Gilliams Version in die Kinos gebracht.
Bei seinem Film "Gebrüder Grimm" stieg die Produktionsfirma MGM noch vor Beginn der Dreharbeiten wieder aus, mit den in die Lücke hineinspringenden Weinstein-Brüdern (Miramax) gab es bis zur Endfertigung immer wieder handfesten Streit.
Alan Smithee
In der Geschichte des Films ist es häufig vorgekommen, dass Streit mit der Produktion, das Auswechseln eines Regisseurs oder das späte Übernehmen eines Anderen, dazu geführt haben, dass diese ihren Namen nicht im Titel des betreffenden Filmes sehen wollten.
In den USA hat sich für derartige Fälle sogar ein eigenes Pseudonym entwickelt, der Name Alan Smithee. Dieser Name steht für "The Alias Men" und bedeutet, dass der /die Regisseur-in den Namen zurückgezogen hat. Den Namen darf man aber nicht einfach verwenden, man muss diesen Sonderfall mit der Directors Guilt of America abklären und in der Regel wird dem Antrag stattgegeben, wenn der Film durch die Produktion gravierend verändert wurde.
Rollenverteilung
Will man es auf eine einfache Formel bringen, so will der Produzent einen erfolgreichen Film und das Geld zusammenhalten, der/die Regisseur-in einen guten Film und möglichst viel Geld in die Qualität stecken. So weit so gut oder so schlecht, denn beiden Seiten kann man guten Gewissens eine gewisse Betriebsblindheit unterstellen, da sie innerhalb einer aufwendigen Filmproduktion gar keine andere Chance haben, als die jeweilige Perspektive konsequent beizubehalten.
Produzenten, die das Budget nicht einhalten, die aus reiner Menschenfreundlichkeit zu jeder zusätzlichen Idee und jedem unerwarteten Kostenfaktor ja sagen, gehen verschuldet aus der Produktion heraus und müssen möglicherweise sogar Konkurs anmelden.
Regisseure, die bei jeder kreativen Entscheidung und sei es nur die Frage, ob man als Requisite einen oder fünf Blumensträuße im Bild braucht, nachrechnen, ob das noch im Budget liegt, blockieren ihre Kreativität vollends und arbeiten gegen ihr Projekt. (Eine Hochzeitsszene lässt sich nun einmal nicht glaubwürdig erzählen, wenn es nur einen einzigen Blumenstrauß gibt...)
Kreative Produzenten versuchen, die Ausgabensituation möglichst auszubalancieren. Wenn es in einem Bereich Mehrausgaben gibt, müssen sie in einem anderen Bereich einsparen. Insbesondere der "Einkauf" von Personal, Dienstleistungen und Waren für eine Produktion erlaubt hier gewisse Spielräume.
Kostenbewusste Regisseure versuchen durch genaue Vorplanung des Aufwands, insbesondere in den Bereichen Ausstattung und Technik, die Kostenseite für die Produktion vorhersehbar und transparent zu machen. Sie beharren nicht auf übertrieben teure Ideen oder Drehorte, wägen ab, was zwingen für die Geschichte gebraucht wird und was verzichtbar ist. Wenn man auf der einen Seite spart kann man auf einer anderen Seite vielleicht mehr investieren.
Alternativen
Überall in der Welt haben Regisseure versucht, aus diesem Spannungsfeld zwischen Kreativität und Wirtschaftszwängen auszubrechen, haben Independent-Firmen gegründet, haben das Autorenkino geschaffen. Für die meisten unter ihnen wurde im Laufe der Zeit jedoch klar, dass die bloße Personalunion zweier Schlüsselpositionen (Produktion und Regie) nicht vor Gefahren wie Budgetüberziehungen oder Filmen, die am Zuschauer vorbei produziert werden, schützt.
Im Idealfall sollten sich Menschen zusammentun, die gut miteinander arbeiten können, die sich mögen und respektieren und gemeinsam das Ziel haben, gute Filme herzustellen. Dann bestehen große Chancen, dass Regie und Produktion sich sinnvoll ergänzen.