Mach mir die Taschenlampe!
Ganz gleich ob die Filmhelden durch jahrzehntelang verschüttete Diamantenminen gehen, nachts durch ein verfallenes Gebäude streifen oder auf Beutezug durch einen Industriekomplex stromern, damit es richtig spannend aussieht, ist absolute Dunkelheit Pflicht.
In diese Dunkelheit hinein leuchten unsere Filmhelden sich ihren Weg. Dafür dienen vorzugsweise Taschenlampen, Helmlicht, Laternen, Öllampen, Kerzen oder Fackeln. Und selbstverständlich folgt die Kamera ihnen und ihren suchenden, vorsichtig ängstlichen Blicken durch das Dunkel.
Nun wissen wir aus Erfahrung, dass eine Taschenlampe selten genügend Licht abwirft, um damit Filme zu belichten. Auch brennende Kerzen oder Fackeln sind erst bei größeren Mengen, hochempfindlichen Filmmaterialien (empfindlichen CCD-Chips) und lichtstarken Objektiven (High Speed) geeignet, akzeptable Ergebnisse zu ermöglichen. Die eine Kerze oder Fackel des Hauptdarstellers kann da wenig ausrichten.
Kein Licht verschleudern
Wie so oft beim Film werden die im Bild vorhandenen Lichtquellen, in diesem Fall Taschenlampe, Laterne oder Kerze, durch zusätzliches Filmlicht unterstützt. Dazu wird der Lichtkegel von einer vergleichbaren, stärkeren Filmlichtquelle mit ähnlicher Abstrahlcharakteristik erzeugt. Verschiedene Lichtarten erfordern unterschiedliche Lösungen:
Das gebündelte Licht einer Taschenlampe wird durch einen Scheinwerfer mit Bündelung (Stufenlinse=Fresnel oder PAR) mit einer Leistung von ca 250 bis 600 Watt erzeugt. Evtl. wird vor die Lichtquelle noch ein leichter Filter (z.B. Blue Gel) in viertel oder halber Dichte geklemmt, um die Taschenlampe kälter wirken zu lassen.
Vorsicht: Manche Scheinwerfer mit Linse erzeugen am Rand des Lichtkegels einen farbigen Lichtsaum. Da ist es ratsam, eine Maske (Black Wrap etc.) vor den Scheinwerfer zu befestigen, um einen "sauberen" Lichtkegel zu erzielen.
Ein aus Styros gebauter, mit Molton abgedichteter Lichtkasten dessen Öffnung mit Diffusor- sowie gelben und orangenen Effektfolien den Charakter von Kerzenlicht erzeugt. Achtung: Filmkamera gehört natürlich neben den Lichtkasten
Für Laternenlicht kann man z.B. eine Chinesische Laterne nehmen in der eine Nitraphot-Birne (150, 250, 500) hängt, oder aber mit einer kleinen Chimera arbeiten. Für die Nachbildung des Lichtcharakters kann man mit einem leichten Filter einen goldgelben oder rötlichen Farbton erzeugen. Alternativ kann man auch mit Fluoreszenslicht arbeiten. Dieses (Mini-Flo´s) hat durch die kompakte Bauform den Vorteil, dass man sie leichter verstecken kann.
Für die Nachbildung von Kerzenlicht kann man ebenfalls eine Chimera nehmen, oder einen selbstgebauten Lichtkasten, der zur Lichtaustrittseite hin mit Diffuser versehen wurde.
Der Lichtcharakter kann durch Folien von Gelb-oder Orangefilter erzeugt werden. Will man das Flackern einer Flamme nachbilden, so kann man Gelb und Orangefilter in schmale Streifen schneiden, diese beweglich an einer Leiste befestigen, und diese vor der Lichtquelle bewegen.
Soll eine kleine Kerze nachgeahmt werden, sind auch enge Begrenzungen des Lichtkegels durch Black-Wrap oder ä. sinnvoll.
Handarbeit
Wichtige Voraussetzung für das Gelingen derartiger Szenen: Absolute Dunkelheit. Das Motiv muss möglichst dunkel sein, selbst wenn man nachts dreht, müssen Streulichter etwa durch Straßenlaternen etc. durch Abhängen der Fenster mit Mollton ferngehalten werden.
Mit einer dieser Lichtquellen in der Hand geht dann ein Beleuchter mit dem oder den Darstellern (außerhalb des Bildes) mit und beleuchtet entsprechend der Ausrichtung der Taschenlampe, Laterne etc. die Umgebung oder die Wände.
Wie so oft bei gefilmten Nachtaufnahmen gilt auch hier: Auch wenn es noch so dunkel ist, man benötigt irgend eine Art von indirekter Beleuchtung für die Darsteller. Ein zweiter Beleuchter geht deshalb mit einem diffusen, schwachen Licht neben oder hinter der Kamera mit. Neben ihnen herzugehen, schafft mehr Kontur auf den Gesichtern, ist aber abhängig davon ob genügend Platz am Motiv vorhanden ist. Ganz nach Geschmack kann man diese Aufhellung auch etwas bläulicher auslegen. Für viele Menschen repräsentiert ein höherer Blauanteil im Licht eher Nachtsituationen.
Diese zweite Lichtquelle ist dazu da, eine Aufhellung für die Darsteller zu liefern. Alternativ, falls die Reflektionen des ersten Scheinwerfers stark genug sind, könnte für die Aufhellung auch ein Reflektor genügen.
Es kann dem Realismus durchaus dienen, wenn die Darsteller ab und an sogar ganz ohne Licht sind, ins Dunkel abtauchen.
Will man tagsüber Nacht erzählen, und Fenster sind im Bild, kann man entweder Vorhänge oder Rolläden nutzen, um das Tageslicht draußen zu kaschieren. Soll aber von Außen durch die im Bild sichtbaren Fenster Licht in den Raum leuchten, müssen Außen mit Mollton verhängte Holzkästen vor die Fenster gebaut werden, in die man dann ggf. Scheinwerfer hineinstellen kann.
Kontrastverhältnis
Keine Angst vor schwarzen Flächen.Zum Eindruck von Nacht gehört immer die Dunkelheit
Kostümbild und Ausstattung müssen helfen, zum Gelingen solcher Szenen beizutragen. Wände dürfen nicht weiß, Kleidung nicht hell sein! Sind die Wände dunkel (nicht schwarz!) dann hat man die beste Grundlage für eine glaubhafte Szene.
Wichtig ist, dass die Aufhellung so schwach ist, dass die Filmfiguren deutlich unterbelichtet sind. Bei Film können das durchaus zwei bis drei Blenden sein. Der Lichtkegel einer Taschenlampe (erster Scheinwerfer) darf dagegen etwas überbelichtet sein.
Ein bis zwei Blenden sind hier ein Richtwert um hier und da ein grelles Überstrahlen zu erzeugen. Will man Laternen- oder Kerzenlicht erzeugen, sollte das Licht gar nicht oder maximal eine Blende überbelichtet sein. Wichtig ist die richtige Wahl des Filmmaterials oder der Videokamera. Filmmaterialien, die primär für Filmabtaster und Fernsehausstrahlung optimiert sind, erschweren erfahrungsgemäß das Erzeugen von tiefem, sattem Schwarz. Die Gradation sollte also etwas steiler gewählt sein, Kinomaterialien erfüllen diese Anforderung.
Im Videobereich ist es ohnehin etwas schwerer, Bildbereiche in dunkle Schatten versinken zu lassen. Hier muss man mit dem Kontrast Tests machen. Auch das Überstrahlen erlaubt geringere Überbelichtung. Die genauen Werte sind abhängig von der Konstruktionsweise und Größe der CCD-Chips sowie der Kameraelektronik. Man muss sie durch Probeaufnahmen oder direkte Kontrolle am Set im Idealfall mit einem Klasse 1-Monitor ermitteln.
Kamera
Noch ein paar Ergänzungen zur Bildgestaltung: Um den unheimlichen Eindruck und die Suche der Filmhelden auch Kameraseitig zu unterstreichen, sollte diese den Filmfiguren folgen. Handkamera, Steadicam oder Schienen sind mögliche Bewegungsarten der Kamera.
Während die Handkamera physisch sehr dicht an den Filmfiguren ist, sich quasi mit ihnen solidarisiert, kann die Kamera des Steadicams andere Spannungsmomente durch ihre schwebende Nähe erzeugen. Am sachlichsten wegen der starren Fahrtachse ist die Dollyfahrt, man kann sie aber durch einen Aufleger beweglicher machen.
Wichtig ist, den Weg der Darsteller sinnlich nachfühlbar zu machen. Wenn die Filmfiguren langsam gehen, sind die vorgenannten Bewegungsmöglichkeiten ideal. Wenn sie aber schnell laufen, dann ist Steadicam vorzuziehen, oder man nutzt ein Skateboard und lässt die Kamera (samt trainiertem Operator) hinterher sausen.
Letztlich hängt die genaue Ausgestaltung von den individuellen Gegebenheiten ab.