Die Beurteilung von Farben ist eine seltsame Sache. Fachleute behaupten, dass jeder Mensch Farben ein wenig anders sieht. Gemeint sind Nuancen, sind winzige Verschiebungen in der Interpretation der Eindrücke durch unser Gehirn.
Trotzdem benötigt man insbesondere für die Farbkorrektur genormte Anhaltspunkte. Vor allem, wenn man Aufnahmen, die mit verschiedenen Kameras aufgenommen wurden, untereinander mischen möchte.
Analoger Film war bereits vorkorrigiert
Denn die Welt ist, was Farbe in den Filmen angeht, durch die Digitalisierung nicht einfacher geworden. Während Vieles beim analogen Film bereits von den Ingenieuren bei Agfa, Kodak oder Fuji durch die Zusammensetzung der Farbkuppler und Farbstoffe in den Materialien vorab erledigt wurde, muss man heute Teile dieser Farbabstimmung nachträglich im Colorgrading erzeugen. Das eröffnet mehr Möglichkeiten, bedeutet aber auch mehr Arbeit und mehr Fehlerquellen.
Man kann das auch an den Kameras ablesen. Bei analogen Filmkameras lag die Intelligenz vor allem in dem Aufbau der Farbschichten in den analogen Filmen und die Elektronik war nicht mit Fragen der Farbwiedergabe beschäftigt. Digitale Kameras besitzen weitaus mehr elektronische Elemente.
Farben bei Video sind nur zum Teil definiert
Bereits bei identischen Videokameras, wie man sie etwa im Studiobetrieb nutzt, müssen die einzelnen Kameras aufeinander abgestimmt werden, man sagt auch, die Kameras müssen "gematcht" werden. Dazu gibt es in der Bildregie Fernbedienungen für jede einzelne Kamera, auf denen Farbbalance, Kontrast und Helligkeit justiert werden können. Studiokameras haben häufig einen Farbbalkengenerator eingebaut, in dem die Grundfarben sowie ein Grauverlauf enthalten sind.
Noch komplizierter wurde die Welt der Farben auch durch LED Leuchten, deren Farbspektrum sehr eng ist und je nach Kamerasensor unterschiedlichste Farbwiedergabe erzeugen können. Das auftreffende Licht verändert die Menschen oder Objekte, die es beleuchtet, je nach Farbtemperatur, natürlich ebenfalls. Und dann ist da auch noch unser Gehirn, welches dazu neigt, Farbstiche nach einer gewissen Zeit zu neutralisieren.
Je nach Sensor und Abstimmung der Kamera werden andere Bildsignale von dem gleichen Farbwert erzeugt. Es versteht sich von selbst, dass man diese nur auf einem kalibrierten Farbmonitor mit möglichst voller Adobe-RGB Abdeckung beurteilen kann.
Bezugswerte
Ganz gleich ob im Studio oder beim Drehen "on location", wenn man irgendeine Normierung für die Farbwiedergabe nutzen kann, dann fällt die Farbkorrektur viel leichter. Es klingt seltsam, aber die größeren Möglichkeiten der Farbkorrektur digitaler Aufnahmen haben das Leben der Farb,- bzw. Lichtbestimmer, oder neudeutsch "Colorierer" genannt, nicht einfacher gemacht.
Wir sprechen hier nicht von einem einfachen Weißabgleich. Es sind vor allem die Hauttöne, bei denen immer wieder Inkonsistenzen auffallen, also Farbunterschiede von Einstellung zu Einstellung oder Szene zu Szene. Da auch die Gesichtsfarbe von Menschen sich ändert, je nach Wohlbefinden oder schlichtem Temperaturempfinden, sind auch Gesichter als Norm ungeeignet.
Farbtafeln, Farbkarten
Hier helfen Farbkarten oder auch Farbtafeln genannt (colour charts) weiter, bei denen neben Primärfarben der additiven Farbmischung (Rot, Grün und Blau) auch jene der Subtraktiven Farbmischung (Cyan, Gelb und Magenta) sowie verschiedene Grautöne vorhanden sind. Die primären und sekundären Farben sollten, dem Farbkreis entsprechend jeweils 60 Grad voneinander entfernt sein und die Grautöne natürlich keinerlei Farbrichtung haben, sondern nur Helligkeitsunterschiede aufweisen.
Einige Farbkarten weisen zudem Bereiche mit Hauttönen auf. Wenn man vor jeder Szene und mit jeder beteiligten Kamera derartige Farbkarten vor dreht, hat man einen hervorragenden Ausgangspunkt für spätere Farbkorrekturen.
Diese Farbtafeln müssen gar nicht groß sein, wichtiger ist, dass es genormte Farbwerte sind, die sie anbieten. Manche Filmklappen besitzen einen Farbbalken, doch die meisten sind einfach nur bunt, aber eben nicht mit genormten Farben lackiert. Das sieht irgendwie professionell aus, ist es aber leider nicht.
Und selbst bei den professionellen Farbkarten gibt es diverse Unterschiede. Zu den bekannteren Farbkarten gehört etwa die "Macbeth", die vor allem für die Standard-Beleuchtung in Fernsehstudios gut funktioniert. Man verwendet vor allem die Grundfarben und die neutralen Grauwerte. Die weiteren Farben auf der Karte sind weniger hilfreich. Und wenn man die Karte kennt, kann man auch mit Einschränkungen Filme damit farbbestimmen
Neuere Farbkarten wie beispielsweise "ColorChecker" fügen den Grundfarben und Grauwerten verschiedene Hauttöne hinzu, welche auch verschiedene etnische Unterschiede berücksichtigen. Auch gibt es hier im Gegensatz zum matten Schwarz anderer Farbkarten ein glänzendes Schwarz, welches in der Realität weitaus häufiger vorkommt als man denkt.
Farbtafeln nehmen uns die Arbeit der Farbkorrektur nicht ab, sie sind lediglich ein Hilfsmittel, schneller zu neutralen Farbabstimmungen zu gelangen.