Auch, wenn das alltägliche Fernsehprogramm uns meistens eines besseren belehren will: Film ist nicht nur Augen- und Ohrenkitzel, Film ist das Medium, in welchem alle anderen Künste zusammengeführt werden. Vom Schauspiel, der Literatur, bildenden Kunst über den Tanz und die Musik finden sich je nach Umsetzung Bestandteile aus diesen Disziplinen in einem Spielfilm. Wer an einem Film arbeitet, insbesondere in den gestalterischen Bereichen und natürlich ganz besonders in der Regiefunktion, sollte sich deshalb in den Künsten umschauen, wie diese sich einem Thema angenähert haben, zu welchen formalen und gestalterischen Lösungen diese gekommen sind.
Es ist viel wichtiger, sich durch Fotos, Gemälde, Schauspiel oder etwa Musik inspirieren zu lassen, um einen aufregenden Zugang zu einem Filmthema zu finden, als monatelang über Technik zu diskutieren. Gerade, wenn man sich mit einem Filmthema beschäftigt und über die eigene Umsetzung nachdenkt, ist es gar nicht ratsam, sich andere Filme zum Thema anzuschauen. Das engt die eigene Kreativität ein, verleitet zum Plagiat, zum Ideenklau. Schaut man sich aber an, wie in anderen Künsten das Thema bearbeitet wurde, eröffnen sich gänzlich neue Dimensionen.
Direkte Einflüsse
Die Konzepte vieler herausragender Spielfilme für die Auflösung, die Bildgestaltung oder die Tonebene stammen aus anderen Bereichen der Kunst - wie auch der Film umgekehrt Kunstformen stark beeinflusst hat. Bereits die frühen Stummfilmklassiker waren beeinflusst von den bestehenden Kunstformen. Theater, historische und zeitgenössische Literatur, aber auch die bildende Kunst hatten beispielsweise größten Einfluss auf die Filme Murnaus. Gemälde von Carl Spitzweg, Georg Friedrich Kersting, Franz von Stuck oder Alfred Kubin belegen die visuellen Vorgaben, nach denen Murnau seine Bildgestaltung ausrichtete.
Die Filmgeschichte kennt bis in unsere Tage hinein Beispiele von Filmen, deren Bildgestaltung sich unmittelbar an bestimmten Stilen oder sogar konkreten Malerpersönlichkeiten orientierten. Romantik, Impressionismus, Expressionismus, Kubismus, Futurismus oder Surrealismus sind nur ein paar Richtungen, die sich in Filmen wiederfinden.
Die Musik kennt verschiedene Parameter, die auch die Filmdramaturgie verwendet. Die Dynamik, den Aufbau und in der Kombination einzelner Szenen bestimmen den Rhythmus. Und auch die Platzierung der kleineren Höhepunkte bis hin zum großen Höhepunkt am Ende findet ihre Parallelen in der Musik. Ein interessanter Film arbeitet wie eine Komposition mit Spannung und Entspannung.
Filmschaffende in anderen Künsten
Viele Regisseure beschäftigen sich auch ganz praktisch mit anderen Bereichen der Kunst. Da gibt es Kameraleute, die fotografieren, zeichnen, oder wie Torsten Breuer Musik für diverse Filme machen, Regisseure, die die Musik zu ihren Filmen teilweise selbst einspielen, etwa Mike Figgis, Dominik Graf, Roland Richter oder der große Charles Chaplin. Viele Regisseure sind auch in der bildenden Kunst begabt und haben dort ihre Spuren hinterlassen, auch wenn es den Wenigsten bekannt ist. So waren Charles Chaplin und Sergei Eisenstein hervorragende Zeichner, Fritz Lang war sehr begabt in der Bildhauerei. Der indische Stummfilmregisseur Baburao Painter war Bühnenmaler, bevor er Regie führte.
Der große französische Regisseur Jean Renoir war der Sohn des Impressionisten Pierre Auguste Renoir, wuchs mit der Malerei auf und übernahm Bildmotive des Vaters in seine Filme. Herbert Achternbusch studierte Malerei in Nürnberg, bevor er sich mit Film beschäftigte. Peter Patzak studierte Malerei und Kunstgeschichte, Andrzej Wajda und Wojciech Jerzy Has studierten Malerei. Derek Jarman war Maler und auch Franz Seitz begann als Kunstmaler.
Alfred Hitchcock arbeitete als Grafiker und Titelgestalter. Terry Gilliam hat als Grafiker unter anderem all die Legetricksequenzen in den legendären "Monty Python's Flying Circus"-Folgen hergestellt. Jean Cocteau, Federico Fellini, John Huston, Akira Kurosawa, Andrej Tarkowskij oder Josef von Sternberg waren begabte Maler. Insbesondere bei Kurosawa hat sich seine Begeisterung für Van Gogh sicherlich auch in den Filmen durch eine dezidierte Farbdramaturgie wiedergespiegelt. Mike Figgis, Stanley Kubrik oder Wim Wenders sind bzw. waren auch für ihre Fotografie geschätzt.
Einflüsse in beiden Richtungen
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen - die Schnittstellen vom Film zu den Künsten und natürlich auch umgekehrt sind vielfältig. Man denke nur an die Ausflüge in den Filmbereich von Dali oder Andy Warhol. Auch, wenn Filmschaffende keine Ambitionen in die anderen Künste hinein haben - letztlich ist beinahe Jeder in irgendeiner Weise gefordert, die eigenen Vorstellungen schon vor dem fertigen Film auszudrücken. Sei es im Drehbuch, sei es in Storyboards, Scribbles, oder Layoutmusik für den späteren Film. Die verschiedenen Techniken helfen den Gestaltern eines Filmes, sich besser über die Umsetzung zu verständigen. Und manchmal sind sie zugleich Kunstform, sind sie nur eine weitere Ausdrucksweise eines Künstlers, der sich dem Film zugewendet hat. Der Film selbst als eigenständige Kunstform verweist immer auch auf die anderen Künste, ein Zusammenhang, den bilanzorientierte Medienunternehmen unserer Tage allzu oft aus den Augen verlieren. Grund genug für die Kreativen, dies bewusster in die Filmsprache einzubeziehen.