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Berlinale 2015: Filmkritiken

 

"Every Thing will be Fine" von Wim Wenders

 

Es war die Berlinale des Wim Wenders. Neben der Verleihung des Ehren-Bären für sein Lebenswerk stellte Wenders seinen neuen Film mit James Franco und Charlotte Gainsbourg in den Hauptrollen vor. Der Film handelt von Tomas (James Franco), der sich als Autor von Romanen in einer Schreibblockade befindet und nicht recht weiß, wie er sich davon befreien soll. Er wird unverschuldet in einen Autounfall verwickelt und hat daran schwer zu schaffen. Die Beziehung zu seiner Freundin (Rachel McAdams) ist bereits lange eingeschlafen und eine Belastung für beide. Der Unfall kommt auch in dieser Hinsicht wie eine Zäsur und wirbelt Tomas Leben heftig durcheinander. Wenders drehte den Film in 3D. Nach seinem Film "Pina" ist es sein zweites 3D-Projekt und geschmackvoll in Szene gesetzt. Das visuelle Können von Wim Wenders kommt auch in diesem Film wieder voll zur Geltung und verpackt die Handlung in beeindruckende Bilder. "Everything will be fine" lief in der Berlinale außer Konkurrenz und begeisterte das ausverkaufte Haus. Es ist ein Film über die Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart. Neben der Musik sind es vor allem die Figuren, die diesen Film vorantreiben und besonders sehenswert machen. Charlotte Gainsbourg lieferte eine beachtliche Schauspielerleistung ab und gibt dem Film dadurch Tiefe. Alles in allem wird der Titel zur Parole "Everything will be fine". 

Regie: Wim Wenders 

Germany, Canada, France, Sweden, Norway 

118 Minuten 

James Franco, Charlotte Gainsbourg, Rachel McAdams Marie-Josée Croze, Robert Naylor

 

"Knight of Cups" von Terrence Malick

 

 

©Waypoint Entertainment

Nach der Tarot-Karte wurde auch der neue Film von Terrence Malick benannt. Christian Bale spielt den Hauptcharakter, der, wie es die Tarot-Karte vorgibt, schnell gelangweilt ist und permanent Reize aus seiner Umwelt braucht, um sich lebendig zu fühlen. Die Handlung des Films ist im Hollywood der Gegenwart angesiedelt und eher essayistisch zu verstehen. Eine klare Handlungslinie, wie man sie aus konventionelleren Filmen kennt, gibt es nicht. So passt sich die Handlung der Gefühlswelt des Hauptcharakters an, der in den Tag hineinlebt und sich durch das Leben treiben lässt. Reichtum, Partys und eine schier endlose Reihe an hübschen Frauen bilden seine Umgebung. Die visuelle Umsetzung ist mit Sicherheit der größte Verdienst des Films. Hier ist die vorbildliche Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki zu erwähnen, der diesen Film mit poetischen Bildern ausstattete und so der Vision Malicks ein Gesicht gibt. In den Bildern liegt Philosophie und die endlose Suche nach Antworten, die außerhalb des Wahrnehmbaren liegen. Neben Bales herausragender Leistung sind es vor allem die vielen Gastauftritte vieler bekannter Schauspieler, die den Film am Leben halten. So haben unter anderem Cate Blanchett und Natalie Portmann kurze Auftritte. Malick führt mit diesem Film zu Ende, was er in Filmen wie "The thin red line" begonnen hatte. Ein hauptsächlich durch Visualität und Emotion gestützter Regieansatz, der durch einen träumerischen Hauptcharakter vervollständigt wird. Der Zuschauer fühlt sich sofort in das reiche Hollywood der Stars versetzt und verweilt dort gerne. 

Regie: Terrence Malick 

118 Minuten 

United States of America 

Christian Bale, Natalie Portmann, Cate Blanchett

 

 

"Freie Zeiten" von Janina Herhoffer

 

 

Klangreise als Freizeitaktivität

Die Sektion "Forum" zeigte den ersten Langfilm der Dokumentarfilmerin Janine Herhoffer. In "Freie Zeiten" beschäftigt sie sich mit unterschiedlichen Möglichkeiten an Freizeitaktivitäten. Man sieht einer Mädchenband bei ihren Proben zu, Frauen, die in einem Diätkurs über kontrolliertes Abnehmen sprechen, sowie verschiedenste Methoden, sich selbst ein wenig zu verbessern, wie Yoga, Lachtherapie, Rollenspiele zu Konflikten am Arbeitsplatz. Fast skurril erscheinen einem manche Aktionen. Kreativ ist der Mensch in seinen Selbstfindungsversuchen. Teilweise fragt man sich, ob es so etwas wie freie Zeit überhaupt gibt, beziehungsweise wenn ja, ob ein Mensch diese dann ertragen könnte. Die Kamera gibt sich hierbei als unauffälliger Beobachter und zeigt in langen, starren Einstellungen durch eine oft auffällige Kadrierung, wie ein einzelner seine Umwelt reflektiert. Was es in ihm auslöst, wenn er auf sie eingeht. Dies geschieht kommentarlos. Erstaunlich ist, wie leichtgängig "Freie Zeiten" dabei durchwegs bleibt. Ein Film, der so menschlich ist, dass schon eine kleine Regung der Augenbraue im halb-scharfen Hintergrund den Kinosaal mit Gelächter füllt.

Regie: Janina Herhoffer

71 Minuten

Deutschland 

Dokumentarfilm

 

 

"Mr. Holmes" von Bill Condon

 

 

©Agatha A. Nitecka

England 1947. Mr. Holmes, um genau zu sein, Meisterdetektiv Sherlock Holmes, lebt, 93 Jahre alt, in seinem Haus am Land, abgesehen von seiner Haushälterin und ihrem Sohn alleine. Der Heldenfigur, wie man sie aus Watsons Büchern oder diversen Kinofilmen kennt, gleicht er nicht. Eine Schirmkappe habe er noch nie getragen und er bevorzuge Zigarren statt der Pfeife. Die Existenz dieser Artefakte seien ganz und gar der Kreativität Dr. Watsons und der Illustratoren zu verdanken, beteuert Mr. Holmes im Film. Vorwiegend beschäftigt er sich mit seiner Bienenzucht, doch will er auch ein Buch schreiben und endlich berichten, wie sein letzter Fall in Wirklichkeit ablief. Nur leider macht ihm sein Gedächtnis Schwierigkeiten. Roger, der Sohn der Haushälterin ist ihm dabei eine Hilfe und so kommt er der Wahrheit nach und nach näher und erkennt dabei mehr über sich, über das Alter, verpasste Chancen und dass man das Verhalten von Menschen nicht immer rein mit Logik erfassen kann. Ian McKellen wirkt perfekt für die Rolle, als hätte er wirklich in der Zeit ein Jahrhundert früher gelebt. Er stellt den mit seinem eigenen Gedächtnis kämpfenden Holmes rührend dar, sodass ein ehrliches, gefühlvolles Stück Film entsteht.

Regie: Bill Condon

103 Minuten

Großbritannien

Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker, Hiroyuki Sanada, Hattie Morahan

 

 

"Dari Marusan" von Izumi Takahashi

 

 

©Gunjo-iro

"Dari Marusan" handelt im Kern von drei Personen. Dari, einer taubstummen, jungen Frau, die als "Pet Detective" verloren gegangene Katzen, Hunde und andere Haustiere wiederfindet, ihr Freund, der mit aller Kraft versucht, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen, um eine Hochzeit mit Dari finanzieren zu können, und Yoshikawa, ein von seiner Vergangenheit geplagter Mann. Daris und Yoshikawas Wege kreuzen sich und er gibt ihr den Auftrag, einen Papagei wiederzufinden, welchen er zwei Jahre zuvor freigelassen habe. Die beiden Charaktere unterscheiden sich sehr. Dari ist ruhig und hört auf ihre inneren Sinne, während Yoshikawa durch Verluste in seiner Vergangenheit schroff und unzugänglich geworden ist. Dari erkennt, dass es nicht nur ein Papagei war, der verloren ging. Ihre Begegnung reißt bei beiden alte Wunden auf. Takahashis Film ist bevölkert von angeschlagenen Menschen, die in ihrer Welt nicht ganz zurechtkommen. Alle drei Hauptpersonen versuchen irgendwie weiterzukommen, gleichzeitig zu verarbeiten und zu verdrängen. Doch nur durch Kommunikation zwischeneinander gelingt es ihnen ein wenig, die Schalen aufzubrechen und ihre Probleme klarer zu sehen. Jeder braucht einen Gegenpart, sonst tritt er auf der Stelle. Teilweise trostlos, aber wunderschön. Izumi Takahashi, ein Name, den man sich merken sollte.

Regie: Izumi Takahashi

103 Minuten

Japan

Hiromasa Hirouse, Miho Ohshita, Takashi Matsumoto, Midori Shin-e, Yasuhiro Isobe, u.a.

 

 

"H." von Rania Attieh und Daniel García

 

 

©Helen Horseman LLC

In der Kategorie "Forum" wurde auf dem Festival dieser anspruchsvolle und bildreiche Film präsentiert. "H." handelt von zwei Frauen, die, ohne sich jemals zu treffen, mehr als nur den Vornamen gemeinsam haben. Die Rentnerin Helen lebt mit ihrem Mann in einem großen Haus und versucht mit einem "Reborn" Baby und ihrer Gruppe von Frauen, die die lebensechten Puppen wie eigene Kinder behandeln, aus ihrer Einsamkeit zu entfliehen. In derselben Stadt namens Troy im Bundesstaat New York lebt parallel die junge Helen, die mit ihrem Freund ein Künstlerduo bildet und hochschwanger ist. Als eines Abends ein geheimnisvolles Ereignis stattfindet, welches sich später als ein Meteoriteneinschlag in Troy entpuppt, gehen plötzlich unerklärliche Phänomene vor sich: Massenmedien sind außer Betrieb, Menschen benehmen sich seltsam, ein schwarzes Pferd taucht auf. Beide Frauen werden stark, jedoch auf unterschiedlicher Weise, von den Ereignissen betroffen und werden mit ihren tiefsten Ängsten konfrontiert. 

"H." ist ein Film, der keinem bestimmten Genre zugeordnet werden kann, wie die Regisseuren selbst auf der Berlinale aussagten. Er hat Horror-, Katastrophenfilm-, Drama- und viele Mythologieelemente in sich, die jedoch nicht beliebig und unabhängig voneinander auftreten, sondern dem Ablauf der Geschichte dienen und die fast malerischen Bilder unterstützen. Und genau wegen der Unbestimmtheit des Genres gewinnt der Film an Spannung. Dadurch, dass der Zuschauer bis zum Ende nicht genau weiß, womit er es zu tun hat, wirkt die Geschichte erschreckend echt, trotz Fantasy-Elemente, und man verlässt das Kino nachdenklich und gleichzeitig mit einem unheimlichen Gefühl.

 

Regie: Rania Attieh und Daniel García

97 Minuten

Argentinien/USA

Robin Bartlett, Rebecca Dayan, Will Janowitz, Julian Gamble, Roger Robinson.

 

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