Wer mit mehreren Kameras und separatem Soundrecorder dreht, kennt das Problem, all die Files synchron anzulegen. Profi-Lösungen, wie Lockit von Ambient Recording sind teuer, eine Kölner Firma bietet Alternativen.
Vorgeschichte
Zwei Kameraleute aus Köln, Ulrich Esser und Maximilian Kaiser, die häufig mit nicht synchronisierten Kameras wie DSLRs oder Blackmagic gedreht haben, standen, wie so viele immer wieder vor dem Problem, all die Files zuzuordnen und synchron anzulegen.
Die Industrielösungen für Profis sind bis heute recht teuer und umständlich. Sie ersannen eine kompakte Lösung, die zudem auch noch preiswerter sein sollte, als andere Geräte. Dabei haben sie das Rad nicht neu erfunden, analoge LTC- oder auch VLC Timecodegeneratoren gab es schon in den 80 er Jahren und manche sogar recht kompakt, etwa die Lösungen von Alpermann & Velte.
Doch irgendwie hat es die Branche verschlafen, kleine, leichte und simple Generatoren anzubieten, welche die mühsame Arbeit in der Postproduktion erleichtern. Hier setzte 2017 das Startup Tentacle Sync an und bietet als Paket kleine einfache Generatoren sowie eine Software an, welche das mühsame Synchronlegen der Film,- und Tondateien automatisiert. Damals hat das Movie-College die neue Firma und das Produkt vorgestellt, nun sind sie den Kinderschuhen entwachsen, Grund genug, noch einmal hinzuschauen. Das System hat Stärken und bedingt durch die vielfältigen anzuschließenden Geräte, auch kleinere Schwächen.
Das Prinzip
Eine Mini-Klinkenbuchse dient als Ein,- und Ausgang für Timecodesignale. Hierüber kann das kleine Gerät entweder externen Timecode einlesen und darauf takten oder aber den eigenen Timecode eines hochgenauen Oszillators (Abweichung in 24 Stunden: maximal 1 Bild) generieren. Eine Mini-USB Buchse dient als Ladeverbindung für den eingebauten Akku und als Verbindung zur internen Software. Bevor man ein bestimmtes Projekt beginnt, müssen die kleinen Geräte einmalig pro Projekt von einem Notebook, Tablett oder Smartphone aus eingestellt werden. Danach braucht man während der ganzen Drehzeit keinen Computer mehr.
Ein Tentacle Gerät dient dann als Master, weitere Geräte synchronisieren sich, über ein Kabel kurz verbunden, mit dem Mastertimecode. Der interne Akku soll 40 Stunden durchhalten, bevor er wieder geladen werden muss. Der Akku ist ein Lithium-Polymer-Akku, welcher über USB-C aufgeladen wird.
Akustischer Timecode (LTC) wird schon mehrere Jahrzehnte auf Audiospuren aufgenommen, das ist eine bewährte, wenn auch nicht ganz perfekte Technik. Auch der Tentacle zeichnet, falls es sich um eine Kamera oder Tongerät ohne Timecode-Buchsen handelt, den Timecode auf eine Tonspur auf. Das ist auch der kleine Nachteil,- wer seinen Ton nur direkt in der Kamera aufzeichnet, verliert eine kostbare Tonspur.
Mit Hilfe unterschiedlicher Adapterkabel kann Tentacle sowohl den akustischen, als auch den digitalen Timecode an Kameras oder Rekorder weitergeben. Nach dem Dreh kann man die Aufnahmen dann in dem eigens dafür mitgelieferten Programm, der "Tentacle Sync Studio Software" einladen und diese legt die Files automatisch synchron. Dank Exportfunktionen in viele gängige Schnitt-Softwareprodukte kann das Ergebnis dann als Quicktime oder XML-Datei für FCP sowie Adobe Premiere oder als AAF für Avid ausgegeben werden.
Die neueste Generation kann per Blutooth bequem vom Smartphone aus eingestellt werden. Die Synchronität, der Ladezustand und die Konnektivität der Geräte können in der Tentacle Sync App angezeigt werden.
Worauf man achten muss
Nobody is perfect, so gibt es auch beim Tentacle System einige Dinge zu bedenken. Einmal muss man den akustischen Timecode (LTC) ordentlich pegeln, damit er einerseits kräftig genug auf der Tonspur der Kameras aufgenommen wird, sonst andererseits darf er natürlich auch nicht übersteuern. Pegelautomatiken in Kameras können da problematisch sein. Besser manuell anpassen.
Nicht jedes Schnittsystem kann LTC verarbeiten, es kann notwendig sein, den LTC erst in der mitgelieferten Software in Metadaten-Timecode umzuwandeln. Auch haben solche Systeme oft Probleme mit dem Anfang bezw. kurzen Takes. Es braucht einfach etwas Zeit, bis der akustische Timecode sauber aufgenommen bzw. ausgelesen werden kann.
Offsets und Anderes
Nicht jede Software liest die Synchroninformationen der Tentacle Sync Studio Software fehlerfrei. Manche Programme erzeugen da Asynchronitäten, einige User von Da Vinci Resolve berichten etwa über Probleme.
Einige Probleme haben auch mit den Kameras, die man verwendet, oder bestimmten Einstellungen zu tun. Der Versuch, Kameras die eigentlich gar keinen Timecode beherrschen, trotzdem Timecodefähig zu machen, ist nicht absolut störsicher. Eine Reihe von Fehlern hängen nicht mit Tentacle, sondern eben den Kameras oder Tonrecordern zusammen.
So kann eine Pre-roll Einstellung einer Kamera, also eine automatische Loop Aufnahme im Standby, die dann, wenn man auf Aufnahme klickt, mit gespeichert werden, Probleme beim Timecode verursachen. Das ist zwar eine ungemein praktische Einrichtung, um überraschende Geschehen auch wenn man zu spät auf Record klickt, trotzdem mitnehmen zu können, doch der Loop wird ja irgendwann zu einer durchgehenden Aufnahme und genau da passieren offenbar Fehler. In solchen Fällen wird empfohlen, nicht den Timecode vom Anfang, sondern eher aus der Mitte des Takes zu verwenden, um automatisch anzulegen.
Auch ist die Anzeige des Timecodes an einem Gerät, etwa einer professionellen Videokamera oder einem Soundrecorder nicht zwingend exakt, die Verarbeitung von Dateninformationen in einem Display kann zu Verzögerungen in der Anzeige führen.
Manche Kameras (User berichten von der Panasonic GH 5 beispielsweise) zeichnen auch zuerst das Videobild und erst einige Frames später den Ton auf, was natürlich Konsequenzen für den auf der Tonspur hinterlegten LTC Timecode hat. Auch bei Canons Fotokameras haben andere User wiederholt festgestellt, dass es einen Offset von 1-2 Bildern zwischen Ton und Videospur gibt. Das verschiebt eben auch den LTC Timecode um 1-2 Bilder.
Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, dem Tentacle-System den jeweils verwendeten Kamera,- oder Tonrecorder Typ eingeben zu können, damit dieses bekannte Probleme und Verschiebungen in der Synchronität automatisch behebt.
Abhilfe
So lange der Unterschied konstant bleibt, kann man diesen Versatz, nachdem man ihn exakt ermittelt hat, in der Tentacle Software mit dem Befehl „Offset einstellen“ korrigieren. Dazu muss man die Dateien auswählen, für die man den Versatz einstellen möchte. Dann per Rechtsklick der Maus im Menü „Versatz festlegen“ auswählen. Achtung- bitte nicht die Funktion „Audio / Video-Verschiebung“ anklicken, diese ist nur für die Korrektur der Audio- / Video-Latenz von Kameras gedacht.
Preise und Manual
Zwei Geräte der neueren Genration Tentacle Sync E kosten im Set rund 500,- Euro, die diversen Adapterkabel müssen je nach Gerät, dazugekauft werden.
Das deutschsprachige Manual findet man hier: https://tentaclesync.com/files/downloads/tentacle_manual_deutsch.pdf
Bilder: Pressefotos Tentacle