Kino oder günstig?
Zugegeben: Mini-DV oder auch HDV hatten mit ihrer Einführung zu einer ungeheuren Demokratisierung der Produktionsmittel geführt. Es handelte sich um digitale Videoformate, die auf Videokassetten aufgezeichnet wurden. Qualitätsmerkmale, die früher nur den teuren Betacam SP oder Digi-Beta-Kameras vorbehalten waren, ließen sich mit geringen Einschränkungen plötzlich auch mit kompakten Kameras erzielen. Doch nicht wenige, die auf diesem Format drehten, hatten eigentlich gar nicht Video, sondern Kino im Sinn.
DV (Alte Standard Definition Auflösung) und HDV (HD Auflösung) konnten dem alten analogen Film jedoch nicht ganz nicht das Wasser reichen (siehe 24p), aber man wollte versuchen, sich ihm zu nähern. Worauf war zu achten, wenn man mit Videokameras einen Filmlook erzielen wollte? Mit dem Aufkommen von DV und professionellen Varianten wie DV-Cam und DVC Pro entstanden ganze Kinofilme wie “Der Felsen” (Regie: Dominik Graf), “Erleuchtung garantiert” (Regie: Doris Dörrie), “Halbe Treppe” (Regie: Andreas dresen) oder “Väter” (Regie: Dany Levi). Sie waren Beispiele für diesen Trend.
Vorteile beim Dreh
Welche Vorteile brachten die preiswerten Videoformate? Da war an erster Stelle natürlich das Aufnahmematerial. Während beim Dreh auf Film bei jeder Einstellung spürbare Geldbeträge durch die Kamera (Rohfilmmaterial und später das Kopierwerk) jagen, waren die Kassettenpreise angenehm niedrig. Die erste Kostenexplosion drohte allerdings, wenn man zu viel gedreht hatte, und die Datenmenge längst nicht mehr auf die damals noch kleineren Festplatten passte. Die Zweite drohte, wenn man das geschnittene Video hochwertig graden und mastern wollte. Spätestens da wurde der Kostenabstand zu einer vollständigen Arbeitsweise mit Film doch etwas geringer.
Wenn man mit den kleinen Videokameras drehte, so war natürlich die Möglichkeit gegeben, sehr flexibel aus leicht veränderbaren Perspektiven aus der Hand zu drehen - eine Arbeitsweise, die sich auf die Filmsprache auswirkt. Dabei ist eine Handkamera gemeint, die stark von der “klassischen” Handkamera abweicht. In der Regel wird der Bildausschnitt bei Video nämlich nicht durch das Okular (Augenmuschel) kontrolliert wie beim analogen Film, sondern durch die ausklappbaren oder externen Displays. Damit wird die Kamera von Auge und Körperlichkeit der/des Kamerafrau/-manns noch weiter befreit. Die Hände und Arme können, ruhige Haltung vorausgesetzt, sogar kleinere Kranfahrten ersetzen.
Versuchte man allerdings, innerhalb des Videoformats DV und HDV auf große Chips (1/2'', 3/4'', APS-C, MFT) geringste Kompression und höchste Farbauflösung zu achten, dann wurden die Kameras gleich wieder größer und schwerer und die Leichtigkeit der Kameraführung war dahin. Dabei wäre es durchaus angebracht, bei der Wahl der Kamera auf die Signalqualität zu achten. Denn was die Aufzeichnung der Farbträger angeht, so war das alte DV sogar dem alten analogen High8-Format unterlegen; es speicherte gerade mal halb soviel Farbinformationen (siehe Digitaler Dreh). Ausnahme DVCPRO50: hier wurde die gleiche Farbinformation wie bei Hi8, Beta SP etc. aufgezeichnet.
Eine Weile lang waren noch die Speichergeschwindigkeiten der Karten und die Preispolitik der Kamerahersteller die größten Bremsen auf dem Weg zu hochwertigem HD. Auch das ist inzwischen, genau wie DV und HDV Geschichte.
Sucher vs. Display
Doch Vorsicht: Der Kamerasucher stimmt selten mit dem tatsächlichen Bild überein. Besonders im Nahbereich machen sich die Abweichungen stark bemerkbar. Wer Titel abfilmt oder Bilder, wird später überrascht feststellen, dass die Kamera auch über den Rand hinaus aufgenommen hat. Ein präziser externer Monitor konnte in Zweifelsfällen mehr Sicherheit bringen.
Auch die qualitative Bewertung des Bildes war etwas unprofessionell: Die werksseitig vorgegebenen Farb- und Kontrasteinstellungen der niedlichen Displays gaukelten uns ständig höchste Brillanz vor. Auf einem “amtlichen” Kontrollmonitor gab es so manche Überraschung. Wollte man in der Sonne drehen und mit dem LCD-Bildschirm kadrieren, hatte man allerdings ein Problem, bei Helligkeit konnte man das Bild kaum erkennen. Tipp: Kleine schwarze Kunststoffvorsätze können ein wenig Sonne abmildern. Es wurden aber auch schon Kameraleute gesichtet, die über Kopf und Display ein dunkles Tuch geworfen haben.
Zu scharf? Tipps fürs Bildgestalten mit kleinen Sensoren
Die übergroße Schärfentiefe war ein beherrschendes Problem bei den DVs, und HDVs wenn man einen Filmlook erzielen möchte. Und auch aktuelle Videokameras mit kleinen Sensoren können von unseren Vorschlägen profitieren.
Achtung- die folgenden Tipps sind nicht notwendig, wenn man mit größeren Kamerasensoren (APS-C, Full Frame, S35) arbeitet. Sie zielen vor allem darauf, den Look von Kameras mit kleinen Sensoren zu optimieren. Die meisten dieser Tipps sind bei heutigen Filebasierten Kameras mit großen Sensoren hinfällig, wir betrachten an dieser Stelle eher im Rückblick, welche Tricks geholfen haben, den kleinen Kameras etwas mehr Filmlook beizubringen.
Tipps zu Kamera und Optiken
Am Drehort arbeitet man, um geringere Schärfentiefe zu haben, vorzugsweise mit offener Blende und langen Brennweiten.
Ein wenig kann dabei auch das Licht helfen. Wenn man eher hart und mit mehreren kleineren Lichtquellen (Spots) ausleuchtet, so kann der Helligkeitsabfall in nicht bildwichtigen Teilen etwas die nicht erhältliche Unschärfe im Hintergrund etwas ersetzen.
Man kann, wenn man den Hintergrund mit etwas Dunst (Nebelmaschine/Imkerpfeife) leicht vorbereitet, ebenfalls die übergroße Räumlichkeit zurücknehmen.
Um die Bilder weniger hart aussehen zu lassen, konnte unter Umständen auch ein leichter Softfilter sinnvoll sein. Besonders hilfreich, wenn man an der Kamera die Gamma-Kurve manuell verstellen oder im Menü der Kamera unterschiedliche Presets ausprobieren kann.
Vor einigen Jahren boten auch einige Hersteller Vorsätze an, bei denen Filmobjektive an DV-Kameras adaptiert wurden und die optischen Verhältnis in Hinsicht auf die Schärfentiefe durch optische Umlenksysteme denen von 35 mm angenähert wurden (z. B. Mini-35-Digital-Adapter). Doch die Kosten für diese Systeme waren hoch, man verlor an Lichtstärke etc. Inzwischen gibt es ausreichend Kameras mit großen Sensoren auf dem Markt und die früher sehr teuren Adapter sind obsolet geworden.
Alles hell?
Die Gradation der damaligen Videokameras machte es schwer, einen Filmlook zu erzeugen. Das satte Schwarz, das “Absaufen lassen” bestimmter Bildteile waren bei den frühen DV Kameras schwer erreichbar.
Irgendwie war da auch in den Schwärzen überall noch Zeichnung drin. Das war lange Zeit ein gewichtiges Argument, Filme, die für die Leinwand bestimmt sind, auch auf Negativ zu drehen. Selbst Außendrehs mit gleißendem Sonnenlicht werden vom Filmmaterial noch “gnädig” verarbeitet. Heute können hochwertige digitale Kameras 15 Blendenstufen und mehr an Dynamikumfang verarbeiten.
Was kann man tun, Video das nicht mit High End Digitalkameras aufgenommen wird, auch in dieser Hinsicht filmischer aussehen zu lassen?
Tipps zum Licht
Bei Innenaufnahmen mutig mit dem Licht umgehen. Lichtinseln mit Schattenbereichen abwechseln, ohne die Lichtbereiche zu hell werden zu lassen.
Bei der Bildgestaltung möglichst keine hellen Flächen hart auf Dunkel treffen lassen. Ganz schrecklich sind die Kanten, dort wo dunkle auf sehr helle Bereiche stoßen. Als hätte jemand mit einem schwarzen Filzstift da im Bild rumgemalt. In benachbarten Bildteilen deshalb mit weniger Kontrast ausleuchten.
Bei Außendrehs ggf. mit Butterflys arbeiten um grelles Sonnenlicht abzuschwächen.
Lichtquellen ins Bild einbauen! Stehlampen, Tischleuchten, Hängelampen, Leuchtsteine, Lichterketten, Klemmspots oder Bürolampen schaffen eine interessante Atmosphäre und erzeugen auf einfache Weise für die Darsteller Lichtinseln.
Die Gradation in der Postproduktion steuern. Filter-Plugins, Compositing und Retusche erlauben es, mithilfe beweglicher Masken, den Filmlook nachträglich ins Bild zu rechnen