Film benötigt Licht, doch das muss längst nicht immer ausschließlich von Filmscheinwerfern stammen. Practicals sind Lichtquellen, die mitspielen, also im Bild vorkommen dürfen. Dürfen, wenn sie als Lichterklärung dienen oder auch müssen, etwa wenn man nirgendwo Scheinwerfer im Bild verstecken kann. Anders ausgedrückt, es sind selbstleuchtende Requisiten in Form von Lampen und anderen Gegenständen, die Licht abstrahlen.
Je mehr von einem Set in der Einstellung zu sehen ist, desto wichtiger werden derartige Lösungen. Bei Steadicam-Drehs wo oft ganze Szenen in einer Einstellung (one-Shot, Plansequenz) und vielleicht sogar nach und nach den gesamten Raum rundum erfassend gedreht werden oder bei Virtual Reality, wo nicht nur 360 Grad sondern auch Decke und Boden im Bild sind, kommt man recht schnell auf Practicals als Lösung.
Es ist ohnehin eine seltsame Unterscheidung zwischen Filmlicht und sonstigem künstlichem Licht, sowohl in Filmscheinwerfern als auch in Raumlicht aus dem Beleuchtungsgeschäft arbeiten teilweise die gleichen Lichtquellen. Es gibt Fluoreszensröhren, LEDs oder auch Halogenbrenner in beiden Bereichen. Lediglich HMI Licht ist, sicherlich wegen des hohen Preises, eher den Filmscheinwerfern vorbehalten,- obwohl- zumindest in Form von Autoscheinwerfern auch in der gehobenen Klasse anzutreffen.
In praktisch jedem Raum gibt es diverse künstliche Lichtquellen, beispielsweise Decken,- Wand, Steh,- oder auch Tischlampen, sowie diverse Sonderlichtquellen wie Fernseher, Tabletts, Christbaumbeleuchtungen und sonstige Lichtquellen.
Was Practicals neben der Aufgabe, gleichzeitig etwas Licht zu setzen, so interessant macht ist die Tatsache, dass man damit gleichzeitig eine Lichterklährung für künstliches Licht erzählen kann. Seit nämlich fast kein Glamour & Star-Licht wie es in den 30er bis 60er Jahren typisch war, gesetzt wird und man eher auf natürlichen Lichteindruck achtet, ist es wichtig geworden, die im Bild erkennbaren Lichter auch zu erklären. Das bedeutet noch lange nicht, dass das Licht dann auch wirklich von den Practicals stammt. Eine im Bildhintergrund hinter dem oder den Schauspielern stehende Lampe kann die "Kante" erklären, die vielleicht von einem klassischen, oben außerhalb des Frames hängenden Spots stammt. Die Deckenleuchte über den Schauspielern erklärt vielleicht das Führungslicht, welches auch eigentlich von einem Filmscheinwerfer stammt.
In den meisten Fällen sind Practicals als Lichterklärung oder Lichtakzent im Einsatz. Für diesen Zweck sollte man stets auch recht schwache Leuchtmittel mit nur 20 Watt Lichtleistung mitführen. Aber wie Eingangs schon erläutert, können Practicals auch selbst die Funktion von Scheinwerfern übernehmen.
Einserseits Lichtquelle, andererseits Requisit
Practicals sind also Lampen, die man ins Bild stellt, damit sie nicht nur dekorativ das Filmmotiv bereichern, sondern auch, damit sie den oder die Filmschauspieler gleichzeitig beleuchten oder erklären, woher das Licht zu kommen scheint. Dabei muss man manchmal die Lampen präparieren, damit sie einerseits für die Belichtung in der Kamera nicht zu hell sind, andererseits aber für die Schauspieler ausreichend viel Licht zur Verfügung stellen. Die Kunst besteht darin, die Lampenschirme bzw. den Lampenkörper zur Kamera hin mit Hilfe von ND Folie oder Frostfolie stark in der Helligkeit herunter zu dämpfen, während zur anderen Seite maximals Licht auf die Szene bzw. die Schauspieler fällt.
Neben Folien sind auch Dimmer sehr hilfreich, mit ihnen kann man die Helligkeit optimal auf das Bild abstimmen. Praktikals im Bildhintergrund geben dem Bild mehr räumliche Tiefe und erzeugen bei entsprechend kleinem Schärfentiefebereich traumhafte Zerstreungskreise (Bokeh).
Beliebte Klassiker
Grundsätzlich kann natürlich jede Lampe als Practical dienen, doch längst nicht alle erfüllen die optimalen Bedingungen für den Einsatz am Filmset. Es gibt sogar einige Low-Budget "Klassiker" unter den Practicals, allen voran zwei Lampen aus einem schwedischen Möbelhaus, nämlich die Leuchtkugeln (Tradfri) sowie die Papier-Stehlampe MAGNARP.
Früher waren diese beiden Lampen wegen der verbauten Fassungen schlichtweg zu dunkel und man musste eigens andere Fassungen (Keramik oder Metall) einbauen, um höhere Leistungen verwenden zu können. Dank neuer LED Leuchtmittel kann man die einstige 40 Watt Schallgrenze der primitiven Plastikfassungen problemlos nutzen um dort LED Birnen einzuschrauben, die einer 100 Watt Glühbirne entsprechen würden.
Aber Vorsicht, billige LED-Leuchtmittel mit Schraubfassung als Ersatz für Glühbirnen haben oft einen schlechten CRI Wert (Color Rendering Index) und seltsame Farbtemperatur. Hier lohnt es sich, hochwertige Varianten einzusetzen. Der Autor dieses Artikels schwört beispielsweise auf die Philips LED Lampen mit 13 oder 14 Watt, sie ersetzen 100W Glühbirnen, es gibt sie in "warmweiß" (2700 Kelvin) sowie "neutralweiß" (4000 Kelvin) und sie kommen auch in der Kamera sehr gut. In den USA gibt es die ähnlich gearteten Cree 13.5 Watt TW "Soft White" Birnen mit gleichen Farbtemperaturen und einem CRI von 93. Rein Visuell ist die gute alte Glühbirne natürlich kaum zu schlagen. Es gibt nicht wenige Kameraleute, die Kistenweise alte Glühbirnen horten...
Zu den beliebtesten Practicals gehören neben Glühbirnen auch weiße oder bunte Lichterketten, die man wegen ihres geringen Gewichts nahezu überall in Räumen dekorativ einsetzen kann. Aber auch Küchenleuchten oder kleine Badezimmerlampen können helfen, in besonderen Situationen Stimmungen zu unterstützen oder sogar auf Filmscheinwerfer weitgehend zu verzichten.
Die neuere Filmgeschichte liebt Practicals
Einer der Regisseure, die schon recht früh mit Practicals gearbeitet hat, war Stanley Kubrick. Nicht nur in seinem legendären Barry Lyndon, dessen Nachtszenen ausschließlich mit Kerzenlicht ausgeleuchtet waren, sondern auch in diversen anderen Filmen, wie "Eyes Wide Shut" wo viele bunte Lichterketten mit leuchteten, waren Practicals nicht ausschließlicher, aber dennoch fester Bestandteil der Ausleuchtung. Wer sich beim Filmeschauen mal auf die Suche begibt, wird jede Menge Practicals entdecken und wer selbst Szenen ausleuchtet, wird sie umso mehr zu schätzen wissen...