Gemischte Sichtweisen
Für eine sinnvolle Drehplanung ist es enorm wichtig, das Drehpensum richtig einzuschätzen und ggf. dynamisch anzupassen. Doch ist das immer so eindeutig zu erkennen, schließlich kann man aus einem Drehbuch sehr unterschiedliche Dinge herauslesen. Ein Filmdreh muss unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen, die sich nur zum Teil aus dem Drehbuch erkennen lassen. Ist die Auflösung einer Szene sehr aufwändig, kann es sein, dass man an dem betreffenden Drehtag in Zeitnot kommt, oder was noch viel schlimmer wäre, nicht fertig wird und etwas überhängt.
Damit ein Filmdreh sinnvoll geplant werden kann, muss für jede Szene des Films eine Einschätzung erfolgen, wie lange man für die Umsetzung dieser Szene benötigen wird. Das können Einschätzungen in Stunden, drittel, halben oder ganzen Tagen sein, welche in den Drebuchauszügen der Produktion für jede Szene festgelegt werden. Diese Auszüge sind später die Grundlage für den Drehplan. Nicht immer stimmen die Einschätzung der Produktion (Produktionsleitung, Aufnahmeleitung) und der Kreativseite (Regie, Kamera, Regieassistenz) überein. Jeder hat andere Vorstellungen, liest vielleicht aus ein und derselben Szene gänzlich andere Dinge heraus.
Der Schlüssel zu einer sinnvollen Balance zwischen notwendigem Aufwand und der zur Verfügung stehenden Zeit liegt im Drehplan. Geplant wird so etwas meistens von der Produktionsleitung gemeinsam mit der Regieassistenz. Doch nicht selten können diese beiden Funktionsträger nicht alle Notwendigkeiten von Regie, Kamera, Ausstattung und Schauspieler*Innen absehen. Zumeist wird relativ schlicht nach der Anzahl der Drehbuchseiten geplant, doch die geben nur sehr Bedingt Auskunft darüber, wie lange man für eine Szene braucht.
Die korrekte Einschätzung des Aufwands ist tatsächlich ziemlich schwierig und kann nicht so einfach nach irgendwelchen Standards erfolgen. Schließlich setzten verschiedene Kreative ein und dieselbe Szene höchst unterschiedlich um. Wie soll man das präzise einschätzen können? Aus diesem Grunde werden die Drehpläne eher von der anderen Seite betrachtet, nämlich dem vorhandenen Budget und den daraus resultierenden Drehtagen.
Berücksichtigt werden dann vielleicht noch allgemein bekannte Erschwernisse wie das Drehen mit Kindern, Tieren oder auch Actionszenen. Natürlich macht sich bei solchen Einschätzungen wie soft, die Erfahrung bezahlt. Wer schon viele Drehs erlebt hat, kennt auch besser mögliche verborgene Zeitfallen.
Vorwarnstufe
Leider bemerkt man die Diskrepanzen zwischen Planung und Umsetzung oft erst im Verlauf der Dreharbeiten. Die ersten Drehtage sind Team und Schauspieler stets sehr zuversichtlich, doch nach einigen Drehtagen, überhängenden Szenen und unerwarteten Überstunden muss relativ bald eine Vorwarnung an die Produktion gehen, ein sogenanntes Memo oder die Voranmeldung von erwarteten Überstunden. Das ist ein Signal an die Produktion, dass man fürchtet, das Pensum in der vorgesehenen Drehzeit nicht schaffen zu können.
Drehplan Änderungen
Veränderungen im Drehplan werden gar nicht gerne gesehen, sie bedeuten Mehraufwand, manchmal auch Mehrkosten. Doch sie kommen öfter vor, als man denkt, schließlich sind Dreharbeiten ein sehr dynamischer Prozess.
Typischer Grund für Änderungen sind die Wetterbedingungen. Natürlich plant man bei jedem Dreh so, dass man die vom Wetter abhängigen Drehs möglichst an den Anfang legt, damit man, falls das Wetter nicht passt, umdisponieren kann und einen wetterunabhängigen Drehtag, ein sogenanntes "Covermotiv" vorzieht. Wenn es während der ganzen Drehzeit keinen Tag mit passenden Wetterbedingungen gibt, muss man vielleicht eine Außenszene auf Innen verlegen.
Es kann auch vorkommen, dass Kamera und Regie, um mehr Zeit zu gewinnen für aufwändigere Auflösung oder Inszenierung, Szenen kürzen oder auch Drehorte zusammenlegen, was durch den Wegfall von Ortswechseln Zeitgewinn bedeutet. Genauso kann es aber auch vorkommen, wenn absehbar ist, dass zu viele Szenen überhängen, dass Produktionsleitung und Regieassistens das ohne die Regie machen, oft stellt sich dann die Frage der Loyalität gegenüber der Regie. So etwas passiert aber meistens erst, wenn die Dreharbeiten schon fortgeschritten sind und man bemerkt, dass man im Pensum zurück liegt.
Nicht selten werden dann die unterschiedlichen Präferenzen gegeneinander abgewogen. Das heißt, man gesteht der Regie vielleicht eine bestimmte Drehplanänderung auf Grund künstlerischer Erwägungen zu, verlangt dafür aber, dass an anderer Stelle etwas wegfällt (Streichung einer weniger wichtigen Szene oder Vereinfachung durch Mehrfachnutzung eines Drehortes).
Vorbereitung
Meistens ist die Vorbereitungszeit recht knapp bemessen, doch gerade gute Vorbereitung kann enorm helfen, mit einem knappen Drehpensum zurecht zu kommen. Natürlich sind da die Regisseur*innen durchaus recht unterschiedlich. Manche bereiten alles akribisch genau vor und besprechen beispielsweise mit der Kamera jede Einstellung. Andere aber besprechen vielleicht nur, was in der jeweiligen Szene verhandelt wird und wie die Grundstimmung sein soll und wollen am liebsten in der Probe vor versammeltem Team auf Ideen kommen, wie man das am Besten in Bilder gießen kann. Bei so einer Vorgehensweise ist nahezu vorprogrammiert, dass man in Zeitprobleme hineingerät, denn auch spontane Ideen benötigen vielleicht einiges an Vorbereitungszeit.
Das Drehpensum richtig einzuschätzen und flexibel noch während der Dreharbeiten anpassen zu können gehört aus diesen Gründen zu den großen Herausforderungen bei Spielfilmdrehs. Je offener im Team darüber nachgedacht wird, desto weniger Probleme und Konflikte erwarten Team und Darsteller*Innen am Filmset.