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Fehler oder Gestaltungsmittel?

Überbelichtung (over-exposure) ist ein technisches Phänomen, welches sich, je nachdem, worauf man Bilder aufnimmt, unterschiedlich auswirkt. Sie ist das Gegenteil von hohem Kontrastumfang oder HDR. In den meisten Fällen ist sie unerwünscht, auch, wenn sie durchaus gestalterisch eingesetzt werden kann. Man erkennt sie an einzelnen Partien oder gar ganzen Bildern, die fast weiß sind.

 

Das analoge Phänomen

Over Ubahn 2000

Die Normalität bekommt durch Überbelichtung etwas Ungewöhnliches.

 

Bei der Aufnahme im photochemischen Prozess, also auf klassischem Filmmaterial, bedeutet Überbelichtung eines Negativs, dass die Lichtmenge, die während der Belichtungszeit (Kinofilm: 1/48 Sekunde) auf den Film auftrifft, den möglichen Dichteumfang übersteigt. Dann ist die maximale Schwärzung (Dichte) des Negativs erreicht, es ist einfach nur noch schwarz, schwärzer kann es nicht mehr werden. Das bedeutet, dass in diesen Teilen des Bildes keine weitere Differenzierung mehr möglich ist.

 

Rettungsmöglichkeiten

Wird der Film dann im Kopierwerk auf Positivfilm umkopiert, sind diese Stellen folglich weiß ohne jede Differenzierung. Erstreckt sich eine solche Überbelichtung auf den ganzen Film und nicht nur eine einzelne Einstellung (etwa weil man von der falschen Filmempfindlichkeit ausgegangen ist), kann man durch eine kürzere oder kältere Entwicklung im Kopierwerk den Schaden etwas begrenzen. Viel häufiger aber geschieht es, dass nur einzelne Bildpartien überbelichtet sind. Dies kann der Fall sein, wenn diese Partien im Motiv einfach außerhalb des Kontrastumfangs des Filmmaterials oder des CCD-Chips liegen. Bei Verwendung einer Belichtungsautomatik (mit der Profis eher selten arbeiten) kommt es auch vor, dass diese durch besonders viele dunkle Anteile im Bild zu falschen Messungen kommt und das Bild überbelichtet. In solchen Fällen muss man manuell durch die Belichtungskorrektur (z. B. zwei Blenden weniger) die Überbelichtung der hellen Bildpartien verhindern.

 

Video-Überbelichtung

In der Videokamera passiert bei der Überbelichtung Ähnliches, nur mit noch ungünstigeren Folgen. Bei Überbelichtung ist nicht nur die einzelne Photodiode betroffen, sondern durch Übersprechen auf nebenliegende Pixel auch der benachbarte Bereich. Wenn die Menge der auftreffenden Photonen auf eine Fotodiode im CCD-Chip zu hoch wird, droht ein Overflow, das gefürchtete Blooming. Um dies zu verhindern, werden sogenannte Drains, Ableitungen der überschüssigen Elektronen neben den Dioden eingebaut. Der Overflow-Drain sitzt entweder neben oder hinter den Photodioden und kann dafür sorgen, dass die Menge an Photonen, die auf die die Diode einwirken, stets unterhalb eines kritischen Levels bleibt.

 

Gestalterisches Element

 

Ueberbelonline-4000.jpgBereits zwei Blenden können weite Bereiche des Motivs in undifferenziertes Weiß verschieben.

Doch es gibt auch Möglichkeiten, die Überbelichtung als gestalterisches Element zu verwenden. Etwa, wenn in einem Spielberg-Film die Außerirdischen hinter einer Türe lauern und bereits das Licht durch Schlüsselloch und Türspalt alles Übrige überstrahlt. Hier akzeptieren wir die Überbelichtung, das bloße Weiß, weil es sich verändert, flirrt, weil es eine Symbolwirkung hat und für Übernatürliches, in manchen Filmen gar Göttliches steht. Wird nur leicht überbelichtet, können die Aufnahmen etwas Leichtes, Duftiges bekommen, die Farben wirken leicht entsättigt, eine gewünschte Wirkung in romantischen oder historischen Sujets.

 

Überbelichtung gibt uns auch die Möglichkeit, relativ normale Drehorte durch den Verlust an konkreten Informationen zu ungewöhnlichen Örtlichkeiten werden zu lassen. Dieser Effekt darf nicht verwechselt werden mit dem fotografischen High-Key-Stil, bei dem wir es zwar mit durchgehend hellen Bildpartien und wenig oder gar keinem Schatten zu tun haben, aber nie mit Überbelichtung. High-Key (z. B. Kubricks "2001") wird auch gerne für Klinikszenen verwendet oder aber auch in durchgestylten Werbe-, Mode- und Designwelten. High-Key will nicht Formen und Details herausmodellieren, sondern die Feinheiten wie z. B. Hautstrukturen etc. unterdrücken.

 

Es findet eine Art Entindividualisierung statt, Menschen wirken beinahe wie Marmorstatuen. Doch während im High-Key in den hellen Bildbereichen noch minimal Zeichnung ist, haben wir es bei der Überbelichtung nur noch mit reinem Weiß zu tun. Besonders unerfreulich ist dieser Effekt, wenn er den Himmel betrifft. Ein Himmel gänzlich ohne Zeichnung erzeugt im Kino nur noch eine weiße Leinwand und im Fernseher dieses leere, technisch weiße Nichts.

 

Planvoll erzeugen oder vermeiden

Wer die Überbelichtung vermeiden will, sollte versuchen bei zu großem Kontrastumfang diesen zu reduzieren, also die zu hellen Stellen etwa durch ND-Folien abzusenken oder die zu dunklen Stellen durch Ausleuchten aufzuhellen. Eine sinnvolle Lichtgestaltung verhindert Überbelichtungen. Wer die Überbelichtung gestalterisch einsetzen möchte, sollte über Erfahrung verfügen oder sich diese durch entsprechende Tests verschaffen. Jedes Filmmaterial reagiert etwas anders, unterschiedliche Chip-Typen in den Videokameras können zu abweichenden Ergebnissen führen.

 

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