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Zuerst kannte man den Effekt aus der Fotografie. Speziell die niedrige Empfindlichkeit der frühen Filmmaterialien (Daguerre) machte lange Belichtungszeiten erforderlich. Darin liegt der Grund, weshalb frühe Portraitaufnahmen immer so steif aussahen. Die Portraitierten durften sich Sekundenlang nicht bewegen. Taten sie es doch, war die Bewegung als Verwischen im Foto zu sehen.

 

Spuren der Bewegung

U-Bahn

U-Bahn

 

Bewegungsunschärfe (Motion Blur) taucht also auf, wenn sich Objekte oder die Kamera selbst während der Belichtung eines Bildes bewegen. Besonders stark tritt dies in Erscheinung, wenn sich die aufgenommenen Objekte schnell bewegen oder wenn die Belichtungszeit sehr lang ist. Der Vorgang der Belichtung, also das Auslösen von chemischen Reaktionen im Filmmaterial durch Helligkeitsinformationen geht theoretisch von einem unbewegten Motiv aus. Bewegt es sich, entsteht ein unscharfes Bild des bewegten Objekts, bewegt sich die ganze Kamera, ist das ganze Bild unscharf, Fotografen sagen, es sei verwackelt. Deshalb gelten Belichtungszeiten unter einer 60tel Sekunde als riskant in Hinblick auf Verwackeln. Fotografen arbeiten vorzugsweise ab einer 125tel Sekunde Belichtungszeit.

 

Video,- und noch stärker Filmaufnahmen kennen dieses Phänomen ebenfalls. Filmkameras arbeiten bei 25B/Sek mit einer 50tel Sekunde Belichtungszeit. Deshalb wirken einzelne Filmbilder von bewegten Objekten (z.B. Schauspielern) für sich betrachtet, leicht unscharf. Wenn etwa ein fahrendes Auto aufgenommen wird und die Filmkamera belichtet eines der 24 oder 25 Bilder in der Sekunde, dann bewegt sich das Auto ja auch weiter während das einzelne Filmbild aufgenommen wird, weiter. Der zurückgelegte Fahrtweg wird auf dem einzelnen Bild mit aufgenommen. Doch wie viele andere Phänomene des Films, fallen uns Menschen diese Unzulänglichkeiten beim Betrachten des laufenden Films nicht auf.

 

Alles Bildfehler oder was?

Stierkämpfer in Pamplona

 

Wir haben uns daran gewöhnt und empfinden es in gewisser Weise sogar als realistisch. Moderne Bildbearbeitungs-Tools erzeugen sogar bewusst nachträglich etwas Bewegungsunschärfe um künstlich animierte Trickaufnahmen realistischer aussehen zu lassen. Abgesehen davon gehört zur Wiedergabe von bewegten Szenen nun einmal die Bewegungsinformation dazu und diese liefert uns nun mal auch die Bewegungsunschärfe.

 

Nicht ganz unbedeutend ist auch, wie unser Gehirn mit Bewegungen umgeht. So erzeugt unser Wahrnehmungsapparat häufig Bewegungen indem er diese einfach annimmt. Jeder kennt das, wenn am Bahnsteig der benachbarte Zug abfährt und wir denken, unser Zug würde fahren. Oder wenn wir längere Zeit auf eine gleichbleibende Bewegung schauen (Rotationsdruck oder Wasserfall z.B.) und dann irgendwo anders hin schauen, scheint dort kurz eine gegenläufige Bewegung stattzufinden.

 

Interessanterweise arbeitet unser Auge als Filter und verbessert sogar die im Film vorhandene Bewegungsunschärfe. Wenn die Bewegung im Film den Annahmen unseres Wahrnehmungsapparates entspricht, so nehmen wir keine oder nur geringe Bewegungsunschärfe wahr. Verlaufen Bewegungen aber unerwartet bzw. gegenläufig und unser Auge kann ihnen nicht folgen, fällt uns Bewegungsunschärfe stärker auf.

 

Video hat, was die Auflösung von Bewegungen angeht, durch die Halbbilder gegenüber Film einen gewissen Vorsprung. Dies gilt aber nicht für die aktuellen Vollbildverfahren wie 24/25P. Auch die Kamerabewegungen wie Fahrten, Zooms, Vibrationen (Hubschrauber etc.) oder Schwenks erzeugen Bewegungsunschärfe. Jede-r erfahrene Kamera-frau-mann kennt gefühlsmäßig die Grenzen, ab welchen Geschwindigkeiten die Bewegungsunschärfe störend und auffällig wird.

 

Die Stärke der Bewegungsunschärfe hängt von folgenden Faktoren ab:

 

Belichtungszeit (Je kürzer die Belichtungszeit, desto geringer die Bewegungsunschärfe)

Anzahl der Bilder (bzw. Halbbilder) (Je mehr Bilder zur Verfügung stehen, um eine Bewegung aufzulösen, desto geringer die Bewegungsunschärfe. IMAX arbeitet mit 60 Bilder/Sekunde)

Geschwindigkeit des Objektes (Je schneller sich das Objekt bewegt, desto stärker kann Bewegungsunschärfe auftreten)

Geschwindigkeit der Kamerabewegung. (Ist die Kamera unbewegt, wird keine Bewegungsunschärfe durch die Kamerabewegung erzeugt)

Entfernung des Objektes (Objekte die weit von der Kamera entfernt sind, scheinen sich langsamer zu bewegen, als Objekte die in der Nähe der Kamera sind.)

Brennweite (Bewegungen die mit Teleobjektiv aufgenommen werden, erscheinen schneller)

 

Maßnahmen

Bei Film- und Videokameras kann man die Bewegungsunschärfe reduzieren, indem man die Umlaufblende (Filmkamera) oder den Shutter (Videokamera) verstellt. Auf diese Weise lässt sich die Belichtungszeit (Dauer wie lange das Bild auf das Filmmaterial oder den CCD-Chip fällt) verkürzen. Der damit verbundene Lichtverlust (Halbierte Belichtungszeit bedeutet eine Blende weniger Licht) begrenzt neben technischen Möglichkeiten der Kameras den Spielraum. Speziell aber für Sportaufnahmen kann eine solche Verkürzung der Belichtungszeit sehr hilfreich sein.

 

Blade-Night in München

Blade-Night in München

 

Doch auch im Spielfilm wird immer wieder mit veränderten Belichtungszeiten gearbeitet. Ridley Scott ließ etwa in "Gladiator" den Öffnungswinkel der Umlaufblende teilweise von den üblichen 180Grad auf 20 Grad reduzieren, wodurch die Kampfszenen fester, klarer abgebildet wurden. Nicht alle Filmkameras bieten verstellbare Umlaufblenden (Sektorenblende) und nicht alle Videokameras variable Shutter an.

 

Für Freunde des analogen Films: Die Aaton XTR Prod kann auf 180° ,172,8° ,150° und 144° verstellt werden, das ist hinsichtlich der Belichtungszeit kein großer Spielraum. Die Arri SR3 dagegen bietet 180°,172,8°,144°,135°, 90°und 45° an. (Die meisten Werte sind ohnehin zum Anpassen auf HMI-Netzfrequenzen oder Fernsehmonitore gedacht).

Professionelle Videokameras sind hinsichtlich der verschiedenen Shutterzeiten deutlich variabler. Doch auch einige 35mm Kameras bieten etwa zum Realisieren einer Speed-Ramp stufenloses Verändern des offenen Sektors der Umlaufblende bis 180 Grad an.

 

Gestaltungsmittel

Die Bewegungsunschärfe kann aber auch bewusst als Gestaltungsmittel verstärkt werden. Zahlreiche Video-Clips oder Werbespots arbeiten mit diesem Effekt. Etwa wenn um eine Person oder ein Auto herum die ganze Landschaft oder Umgebung zeitlich zu rasen scheint, Wolken oder Menschen in Bewegungsunschärfe vorbeiwischen (nicht zu verwechseln mit dem Zeitraffer-Effekt), ist dieses Phänomen oft sogar in der Postproduktion am Computer künstlich verstärkt worden.

 

Es gilt festzuhalten, dass Bewegungsunschärfe in gewissen Grenzen durch unsere Sehgewohnheit als realistisch empfunden wird. Erst wenn diese Grenzen überschritten werden, fällt sie auf. Man kann sie einerseits kreativ als Gestaltungsmittel nutzen, oder wenn sie stört auch durch Veränderung der Belichtungszeiten reduzieren.

 

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