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Eröffnung und Abschluss

Festivalkino in Wien

Festivalkino in Wien

Eröffnungs- und Abschlussfilm kommen dieses Jahr aus der USA.

MANCHESTER BY THE SEA, den viele schon als den endgültigen Durchbruch des Regisseurs Kenneth Lonergan betiteln feierte im Januar 2016 beim Sundance Film Festival seine Premiere und wird am Donnerstagabend den Startschuss zum Festival in Wien geben.

 

Am 2. November wird die Viennale dann von LA LA LAND, der dritten Arbeit von Damien Chazelle wieder beschlossen. Eine Hommage an die alten Hollywood-Musicals, in dem ein Jazz-Pianist und eine Schauspielerin ihr Glück in Los Angeles versuchen und sich dort treffen und sich ineinander verlieben.

 

Anleitung zum Glücklich sein

Am vergangenen Donnerstag, genau eine Woche vor Festivalbeginn stellte Hans Hurch, Leiter der Viennale, unter dem Titel „Viennale – Anleitung zum Glücklichsein" einige Filme mit Worten und Ausschnitten vor. Nicht sehr viele Besucher waren gekommen und so konnte man sich in recht persönlicher Atmosphäre im Gartenbaukino – mit der größten Leinwand Wiens – auf die Viennale einstimmen und mächtig auf die kommende Woche vorfreuen.

 

Besondere Erwähnung hat unter anderen der philippinische Regisseur Lav Diaz verdient. Gezeigt werden drei Lang- und ein Kurzfilm. Seine letzte Arbeit ANG BABAENG HUMAYO ist mit vier Stunden Spielzeit für Lav Diaz' Verhältnisse recht kurz und gewann vor kurzem den Goldenen Löwen von Venedig.
Nouvelle Vague-Ikone Jean-Pierre Léaud ist auch wieder auf der Leinwand zu sehen. Er spielt den im Sterben liegenden Sonnenkönig, Ludwig XIV in Albert Serras Film LE MORT DE LOUIS XIV.

 

Retrospektive

Im Wiener Filmmuseum läuft im Zuge der Viennale die Retrospektive „Ein zweites Leben". Erforscht werden hier die Unterschiede und Gemeinsamkeiten eines Filmoriginals und seiner Adaption. „Thema und Variation" heißt es im Untertitel. Zum Beispiel wird William Wylers tendenziell klassische Verfilmung von Emily Brontes Roman WUTHERING HEIGHTS, Luis Buñuels surrealistischen Version und Jacques Rivettes Modernisierung des Stoffes gegenübergestellt.

 

Hitchcocks THE MAN WHO KNEW TOO MUCH von 1934 trifft auf Hitchcocks THE MAN WHO KNEW TOO MUCH von 1956, KILL BILL VOL. 1 auf sein 30 Jahre älteres japanisches Vorbild LADY SNOWBLOOD.

 

Dieses Jahr gibt es außerdem ein Tribute an Schauspieler Christopher Walken, sowie an den schon zuvor erwähnten Kenneth Lonergan, über den die New York Times kürzlich schrieb: „Possibly the best filmmaker most people have never heard of."

 

In der Reihe Specials finden sich Filme des kürzlich verstorbenen Experimentalfilmers Peter Hutton, des französischen Regisseurs Jacques Rivette und Filme von Robert Land.

Dokumentarfilme

 

Auch im dokumentarischen Bereich gibt es viel zu entdecken. GIMME DANGER, Jim Jarmuschs leidenschaftlicher Musikfilm über Iggy Pop und The Stooges. JUNUN, Paul Thomas Andersons Aufnahme eines Crossover-Musikprojekts des israelischen Komponisten Shye Ben Tzur, Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood und indischen Musikern in Rajasthan. AMERICAN ANARCHIST, in welchem William Powell, der Autor des Anarchist Cookbook, einer Art Anleitung zum Bombenbau, Napalm-Mix und Guerillakampf, über die Taten reflektiert, welche sein Buch von den 70er Jahren bis heute möglicherweise ausgelöst hat.
Über die Politdoku WEINER hört man auch nur Gutes.

 

American Anarchist

Foto aus American Anarchist

Foto aus "American Anarchist"

In den frühen 1970er Jahren veröffentlichte der damals 19-jährige William Powell das Anarchist Cookbook, eine Art Anleitung zum Bombenbauen, Tränengas mischen und anderen Dingen, die im Kampf nützlich sein könnten. Im aufgewühlten Amerika dieser Tage war damit noch ein Kampf gegen die eigene Regierung gemeint, doch das Buch wurde im Laufe der Zeit immer wieder in Verbindung mit Anschlägen auf Hotels, Schulen und Privathäusern gebracht.

 

Im Film AMERICAN ANARCHIST sucht Regisseur Charlie Siskel den inzwischen 65-jährigen Autor William Powell in seinem Haus in Frankreich auf. Das Interview, welches die beiden daraufhin führen bildet die Basis des Films. Eine der ersten Fragen: Wann hat der Autor sein Buch das letzte Mal gelesen? William Powell antwortet, nicht seitdem er es geschrieben habe, er habe nicht einmal eine Kopie davon. Ähnlich schnell zu beantwortende Fragen reihen sich neben schwierigere. Was war die Intention ein solches Buch zu schreiben? Wie fühlte er sich, als er erfahren hat, dass die Schüler, die den Amoklauf an der Columbine High School begingen, eine Kopie seines Buches zu Hause hatten? Was unternahm er selbst um den weiteren Druck des Buches zu verhindern?

 

Siskel ist gut informiert und stellt klare, teils erbarmungslose Fragen. Es ist selten, in einem Film zu sehen, wie ehrlich jemand sich diesen Fragen stellt und versucht sie aufrichtig zu beantworten. Nicht immer antwortet William Powell gleich. Man sieht ihn überlegen.

 

Das Interview wird erweitert durch Ausschnitte alter Nachrichtensendungen und Aufnahmen aus Powells Vergangenheit, an Hand deren sein Leben ein Stück weit beleuchtet wird. Genau wie seine Frau ist der frühere „Anarchist" Lehrer für Kinder mit Lerndefiziten geworden. Früh verließe er die USA um an Schulen in Afrika und Asien zu unterrichten, bis die beiden sich in Frankreich zur Ruhe setzten.

 

Eine Erscheinung wie William Powell kann man schwer vollständig beschreiben, aber der Film ist auf alle Fälle näher dran als dieses kurze Review. Es ist inspirierend zu sehen mit welchem Respekt und Verständnis die beiden ihrem gegenüber begegnen und wie bemüht das Interview geführt wird. AMERICAN ANARCHIST wird dadurch auf vielen Ebenen interessant.

 

Mehr Infos zum Film: www.viennale.at/de/film/american-anarchist

 

Für das Movie-College ist Roman Neider-Olufs vor Ort.

 

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