Spider
Daten |
Spider F, UK, CAN 2002, 99 Min. REGIE: David Cronenberg
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Regie: David Cronenberg
Kinostart: 10. Juni 2004
Ein Mann, der sich in seinem eigenen Wahnsinn wie in einem Spinnennetz verfängt. Ein Mord in der Vergangenheit, der sein Leben und seine Familie zerstörte. Eine Lüge, die zur Realität für ihn wird... Regisseur David Cronenberg ("Die Fliege") fasziniert sein Publikum wieder einmal mit einem Einblick in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele und entführt uns in die Psyche eines Wahnsinnigen. Nach dem gleichnamigen Roman von Patrick McGrath schuf er mit "Spider" ein faszinierendes Drama, in dem die Grenzen zwischen Wahnsinn und Realität vollkommen verwischen.
Dennis Cleg (Ralph Fiennes), Spider genannt, soll nach vielen Jahren in einer Anstalt für kriminelle Geisteskranke wieder in die Gesellschaft entlassen und resozialisiert werden. Er kommt nach London, wo er einst aufwuchs, in die Obhut der strengen Mrs. Wilkinson (Lynn Redgrave), die eine schäbige Pension für Menschen wie Spider betreibt. Dort soll der stets nervös vor sich hin murmelnde, heruntergekommene Mann, der immer vier Hemden übereinander trägt, seinen Platz in der Welt wieder finden. Sein einziger Besitz ist eine Tabakdose aus der er unermüdlich Zigaretten dreht und ein alter, zerbeulter Koffer mit Wecker, Bindfäden, einem dünnen Notizbuch und kleinen Dingen, die er von der Straße aufliest.
Doch Spider wurde viel zu früh aus der Abgeschiedenheit der Anstalt in die Welt zurück geschickt. Langsam schlürft Spider durch leere Straßen, voll von Erinnerungen an seine Vergangenheit, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Er kehrt zu den Schauplätzen seiner Kindheit zurück und wird schließlich von seinem Alptraum wieder eingeholt. Er beobachtet sich selbst als den stillen Jungen (Bradley Hall), der Schnüre, wie Spinnenfäden durch sein Zimmer zieht, der keine Freunde hat und einzig seine Mutter (Miranda Richardson) liebt und leidet noch einmal unter dem gespannten Verhältnis der Eltern und unter der Verachtung seines wortkargen, groben Vaters (Gabriel Byrne). Alles schreibt er jetzt als Erwachsener in unverständlichen Zeichen in sein geheim gehaltenes Notizbuch nieder, dass er sorgfältig unter dem Teppich seines kargen Pensionszimmers versteckt. Er erlebt noch einmal den Tag, an dem sein Vater und dessen Geliebte Yvonne seine Mutter töteten, weil sie deren Affäre aufdeckte. Yvonne nimmt ab da den Platz seiner Mutter im Haushalt ein, als ob nie etwas geschehen wäre. Spider kommt damit nicht klar und sein Leben verwandelt sich in eine schreckliche Lüge und das Spinnennetz, das er um sich selbst spinnt wird immer dichter, bis er sich schließlich darin verfängt.
Der Film spielt mit der Theorie, dass Wahnsinn mitunter nur eine Frage der Wahrnehmung ist. Als Zuschauer befindet man sich in Spiders Kopf, während man den Film sieht und muss sich so füher oder später die Fragen stellen: Was wäre, wenn Spiders Erinnerungen allesamt falsch sind, wenn er sich an seine Kindheit völlig verzerrt erinnert? Was wenn er nicht in der Lage ist die wahren Geschehnisse von seinen Vorstellungen zu unterscheiden? Auf der Leinwand zeichnen sich so zwei unterschiedliche Realitäten ab: die eines kranken Geistes und die der tatsächlichen tragischen Ereignisse. Man wird hineingezogen, man verliert sich in dem Film, wie Spider in seiner Vorstellung.
Spider, der gleichzeitig der Mittelpunkt und die treibende Kraft des Filmes ist, obwohl er so gut wie nichts sagt, wird verkörpert von Ralph Fiennes. Dieser versteht es sehr gut einen gestörten, von der Realität entfremdeten Charakter zu verkörpern, aber gleichzeitig die Anteilnahme und Sympathie des Publikums für sich zu gewinnen. Er glänzt in der Rolle des manischen Wahnsinnigen. Unterstützt wird seine schauspielerische Leistung vom minimalistischen Stil, der im ganzen Film vorherrscht. Was er am Leib und in seinem Koffer mit sich herumträgt repräsentiert sein ganzes Leben. Er wandert durch leere Straßen, ohne Passanten und Autos. Die schäbige Einrichtung seines Pensionszimmers ist auf das Mindeste beschränkt. Seine einzigen Spezialeffekte, so der Regisseur selbst, seien die Leistungen der Schauspieler, die Arbeit seines Produktdesigners Andrew Sanders und die Licht- und Kameraarbeit von Peter Suschitzky, der mit ausgeklügelten Kamerafahrten beeindruckt.
Nominiert für die Goldene Palme in Cannes und ausgezeichnet als Bester Film des Toronto Film Festivals ist der Film eine weitere Glanzleistung Cronenbergs. Ein Film, der sein Publikum gefangen hält wie ein Spinnennetz seine Beute.
Gesehen von Kathrin Metzner