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Ransprung 4000

Plötzlich durchschaut die beste Freundin der Braut den wahren Charakter des künftigen Ehemanns. Wut und Verachtung machen sich auf ihrem Gesicht breit und die Kamera verdichtet von einer Halbnahen auf eine Nahe, um diesen Moment zu intensivieren. Wenn sich im Empfinden der Schauspieler etwas Entscheidendes ändert, sie etwas erkennen oder entscheiden, wird dies häufig durch Mittel der Bildsprache unterstützt.

 

Verdichtung

Der Ransprung und der Push-In beim Film sind enge Verwandte in Sachen Bildgestaltung. Beide bedeuten eine Annäherung an eine Person oder ein Objekt, um diese zu betonen, auf diese von der Bedeutung her zu fokussieren. Allerdings geschieht dies bei beiden Methoden höchst unterschiedlich. Während es beim Ransprung abrupt, plötzlich und sprunghaft passiert, nämlich durch einen Schnitt oder eine extrem schnelle Zoomfahrt, passiert es beim Push-In durch eine Kamerabewegung, man sieht also als Zuschauer den Weg bzw. die Veränderung von der weiteren zur engeren Einstellungsgröße.

In beiden Varianten geht es darum, größere Spannung oder größere Intensität zu erzeugen, weshalb der Einsatz dieser Mittel im besten Fall mit der Filmhandlung, mit der Dramaturgie innerhalb der Szene bzw. Einstellung zusammenhängen sollte. Doch schauen wir uns die beiden Varianten mal genauer an.

 

Ransprung

Der Ransprung wird häufig in Krimis, Actionfilmen oder Thrillern eingesetzt, um dramatische Momente zu intensivieren. Der Ransprung kann sowohl als harter Schnitt in der Postproduktion oder als ultraschneller Zoom bei der Aufnahme ("Crash Zoom" oder "Snap Zoom") verwirklicht werden. Über längere Strecken war der Ransprung vor allem in billigen B-Pictures anzutreffen, doch im Laufe der Zeit hat sich auch das etablierte Kino dieser Technik bedient.

So findet man beispielsweise in "The Good, the Bad and the Ugly" (Regie: Sergio Leone, IT. 1966) häufiger überraschende Großaufnahmen, etwa im Showdown am Ende wo die Kamera plötzlich auf die Augen der Filmfiguren springt. In "Hot Fuzz" (Regie: Edgar Wright, USA 2007) werden mehrfach Ransprünge bei der Darstellung von Polizeitätigkeiten verwendet, um das Tempo und die Dynamik der Szenen zu steigern. In "Kill Bill: Volume 1" (Regie: Quentin Tarantino, USA 2003) finden sich diverse Ransprünge, beispielsweise um Lucy Liu als gefährliche Person zu charakterisieren. 

Doch auch wenn sich das Mainstream-Kino ebenfalls dieses Mittels bedient, bleibt trotzdem in vielen Fällen so ein leichter Beigeschmack von "Cheesy" oder "Billigem Effekt". Ransprünge sind nun mal das Gegenteil von Sensibel, von feinsinniger Erzählweise, sie sind für viele Filme zu aufdringlich und stilistisch einfach nicht passend. Sie sind in den meisten Fällen auffällig und dramatisch, passen nicht zu einer ruhigen, die filmische Illusion einer fließenden Erzählweise verfolgenden Erzählhaltung. Ein Film, der die Zuschauer möglichst immersiv emotional in der Geschichte halten möchte, würde sie durch Ransprünge vermutlich aus dieser Illusion herausreißen.

 

Orientierung und Kontinuität

Die Filmsprache kennt eine Reihe von Konventionen, die es erleichtern, dass die Zuschauer stets die räumliche und inhaltliche Orientierung behalten. Jeder abrupte Ransprung kann den Zuschauer irritieren und desorientieren, man sollte sich also genau überlegen, wann und wie man diesen einsetzt.

In dem Zusammenhang sollte man möglichst Kontinuitäts,- und Achsensprünge vermeiden. Dreht man den Ransprung vom Stativ aus, ist es ratsam, wenn man mit dem Stativ näher an die Person herangeht, um diese für den Ransprung in einer näheren Einstellungsgröße zu filmen, das Stativ nicht auf einer direkten Achse anzunähern, sondern eine minimale Änderung des Winkels von ca. 5 Grad zu berücksichtigen. Das genügt, um mögliche Kontinuitätsfehler im Spiel der Schauspieler*Innen zu verbergen, und über evtl. kleine Anschlussfehler leichter hinwegsehen zu können.

Wenn man sich doch dafür entscheidet, also wenn es zu dem Erzählstil des Filmes passt, sollte man dieses bildsprachliche Mittel dennoch sparsam einsetzen. Der Ransprung kann sich als stimulierender, Spannung erzeugender Effekt schnell abnutzen, wirkt dauerhaft anstrengend und ermüdend und lenkt von der Filmhandlung ab. Wenn der Zuschauer erst einmal daran gewöhnt ist, dass in praktisch jeder wichtigen Szene ein Ransprung passiert, nimmt die Wirkung des Effekts schnell ab.

 

Push-In

Im Gegensatz zum Ransprung ist der Push-In eine schnelle oder langsame Kamerafahrt, welche die Aufmerksamkeit des Zuschauers eben nicht schlagartig auf einen bestimmten Moment lenkt, sondern allmählich. Im Gegensatz zu einem Ransprung, der in seltenen Fällen auch mit einer sehr schnellen Zoomfahrt realisiert wird, ändert sich bei einem Push-In die Brennweite nicht, es wird also nicht gezoomt. Vielmehr wird die Kamera, wie der Name schon sagt, mit einer festen Brennweite in Richtung des Bildmotivs,- meistens eine Person, geschoben.

Es handelt sich also immer um eine Kamerabewegung, bei der die Kamera meistens langsam auf ein Objekt oder eine Person zufährt. Diese kann zum Beispiel als Handkamera, als Steadicam, Gimbal,- oder Schienenfahrt realisiert werden. Oft sind die Push-Ins eher ruhig und langsam, wodurch eine subtile und psychologisch verdichtende Intensivierung realisieren lässt. So ein Push-in auf das Gesicht einer Filmfigur erzeugt oft eine emotionale Nähe, die Zuschauer können die Gefühle der Person stärker wahrnehmen, weil sich der Bildausschnitt verengt und die Bedeutung des Moments betont wird. Gerade bei dramatischen Szenen, in Momenten der Entscheidung, der Erkenntnis, des Stimmungswechsels können damit innere Konflikte und tiefe Gefühle verdeutlicht werden.

Wenn die Zufahrt langsam stattfindet, lässt sich damit Spannung aufzubauen. Wenn die Kamera sich unaufhaltsam einer Figur nähert, so erzeugt das in den Zuschauern eine unterschwellige Erwartung, es erzeugt Neugierde, man fragt sich, worauf die Szene im wahrsten Sinne des Wortes zusteuert.

Bekannte Beispiele sind etwa "The Godfather" (Regie: Francis Ford Coppola, USA 1972) wo in einer Schlüsselszene Michael Corleone (Al Pacino) sich im Restaurant darauf vorbereitet, eine Waffe zu benutzen und die Kamera einen langsamen Push-in auf sein Gesicht macht um seine Anspannung zu zeigen. Oder "Goodfellas" (Regie: Martin Scorsese, USA 1990) wo in der Schlussszene Henry Hill (Ray Liotta) über sein Leben als normaler Bürger redet. Ein langsamer Push-in intensiviert die Bitterkeit und Enttäuschung des einstigen Kriminellen. Und auch in der Netflix-Serie "Ein neuer Sommer" (Staffel 1) finden sich von Anfang an zahlreiche Push-Ins mit denen kurze Momente auf den Gesichtern der Hauptprotagonisten verstärkt werden.

Push-Ins sind auch ein gutes Mittel der Aufmerksamkeitslenkung. Eine subtile Bewegung lenkt den Blick des Zuschauers unmerklich auf das Wesentliche der Szene oder Einstellung. Darüber hinaus kann die mit der Zufahrt verbundene Einengung des Bildausschnitts unter Umständen auch den Eindruck vermitteln, dass die Filmfigur eingeengt wird, dass sie unter einem gewissen Druck steht oder ein besonderer Moment bevorsteht.

Bei Dialogszenen kann durch subtile Push-Ins, die auf beiden Protagonisten gleich schnell und gleich intensiv stattfinden, kann die Dramatik oder auch die Nähe, kontinuierlich gesteigert werden. Das funktioniert durchaus auch bei Liebesszenen, bei denen zwei Menschen sich näher kommen. Auf jeden Fall kann der Push-in beim Film eine intime, verdichtete Atmosphäre erzeugen und die Zuschauer intensiver in das Filmgeschehen hineinziehen. Man kann damit emotionale, dramatische oder psychologische Aspekte von Filmszenen noch stärker machen.

 

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