Regie: Till Hastreiter
Kinostart: 04. November 2004
Status Yo! ein HipHop-Film der weit mehr ist, als man von der Erfahrung mit Filmen über Musik und die Welt der Raper, MCs, Sprayer und Tänzern zunächst vermuten mag. Denn hier geht es nicht nur um die Wirklichkeit des Lebens einer Gruppe von jungen HipHopern, es ist die Realität! Kein MTV-Musikfilm mit bekannten Starlets oder ach so bösen Gängsta'Rappers und kein Teenie-Filmchen mit Chart-Musiksoße und netter Geschichte zwischen dumm-billigen Dialogen und offensichtlichstem Marken-Branding. Gelungen authentisch zeigt der Film von Till Hastreiter (Regie und Drehbuch) einen Ausschnitt aus dem Leben von ein paar Jugendlichen aus Berlin. Wer dabei eine Geschichte mit Anfang - Ende - Fertig erwartet, wird enttäuscht sein, oder sich angenehm überrascht darauf einlassen einen Blick in nur etwa 24 Stunden des Leben von Yesim, Sässion, Raphael, Camilla, Osama, Storm, Jojo, Vivi, Dany, Kempes, Sera, Vern und DJ Quest werfen zu dürfen. Denn mehr als einen Blick erhält man nicht; die Charaktere führen ihr Leben mit Problemen, Sorgen aber auch mit Hoffnung, Spass und Freundschaft. Eine große Wendung, Entwicklung oder Lösung der Probleme bleibt aus; das Leben der jungen Freunde wird auch nach dem Ende des Films so weitergehen, wie es natürlich auch in der Realität gegeben ist, ein seichtes Hollywood-Ending zum einfachen Wohlfühlen findet man im Kino um die Ecke. Dabei ist Status Yo! keine Dokumentation mit der Linse auf den sozialen Brennpunkten unserer Gesellschaft, mit erhobenem Zeigefinger.
Der Zuschauer wird eingeladen, von dem Moment, da zu Beginn der Geschichte einer Filmcrew in Berlin eine kleine Handkamera geklaut wird, die Jugendlichen in ihre Welt zu begleiten. Er ist kein Fremdkörper in der HipHop-Welt, dem man dies und jenes zeigt und als HipHop-Touri mitschleift. Vielmehr ist der Zuschauer die geklaute Kamera, die einfach mitgeschleppt wird und zusieht. Die Einstellungen sind einfach, manchmal verwackelt, es wird eher auf die Situation "draufgehalten" als flippig zu springen, kein pseudo-reality mit miniDV. Gedreht wurde auf Film mit Super-8, was zugleich dieser Low-Budget-Produktion in Punkto Kosten für gute Qualität geeignet war und offensichtlich eine richtige Entscheidung darstellte. Ein Risiko bei jungen Filmen ist da häufig die Verwendung von Effekten. Meist übertrieben und gar nicht so HipHop-Authentisch können da Farben und Bilder einen Film negativ beeinträchtigen. Doch hier, in Status Yo!, wo es auch darum ging, den Sprayer in seiner Arbeit noch besser zu visualisieren, als bloß seine Graffitties abzufilmen, gelang es hervorragend Effekte einzubinden und gelungen den Film in seiner Stimmung zu unterstützen. Eine wesentliche Entscheidung aus dem Low-Budget heraus war es aber, lauter Laiendarsteller zu verpflichten und dies zeigt sich als wahre Stärke des Filmes. Mit den Darstellern kommen die wahren Einzelgeschichten. Die jugendlichen spielen nicht, sie zeigen ihr Leben. Dabei sind sie nicht gecastet oder zufällig zu einer Gruppe zusammengewürfelt worden. Die Freundschaft aus dem Film gibt es tatsächlich. Die Gruppe besteht aus Rappern, Breakern, MCs, Sprayern, Skatern, Freunden, Homies und Posern und bildet damit die hier gezeigte HipHop-Welt von der Straße in Berlin. Damit erweitert sich das Verständnis für all diejenigen, die bisher glaubten, HipHop wäre alleine eine Musikrichtung.
Um Musik geht es hier auch, aber nicht ausschließlich. Die Handlung stoppt nicht etwa, um schön ordentlich einen Musik-Akt abzuspielen, einen Rap zu hören oder die 5 Amox breaken zu lassen, alles fließt in einander über, ist verbunden und voneinander abhängig. Aber was ist die Handlung? Denn es ist wirklich ein Spielfilm und keine Doku. Eine einzige Handlung gibt es nicht. Der Zuschauer, der mit der Kamera am Anfang aus seiner gewohnten Umgebung geklaut wird, springt zunächst in ein Durcheinander. Viele Charaktere gibt es da, keinen Protagonisten, nur viele Hauptfiguren. Alle haben ihre Geschichten und keiner stellt sich artig dem Zuschauer vor.
Da ist der Rapper Sera, der aus seiner Wohnung geschmissen wird. Vern ist ein unglaublicher Poser, der Manager für die Breaker-Gruppe 5 Amox, der ständig redet und davon träumt, seinen Jungs und damit auch sich einen großen Auftritt zu verschaffen. Yesim ist eine junge Türkin, die vor ihrem Bruder flieht, der sie in die Türkei verschleppen will. Ihr Freund Sässion versucht das zu verhindern, hat zudem aber als Rapper ohne einen Cent Schulden bei äußerst zwielichtigen und brutalen Typen. Dany ist ein bekannter Sprayer der die Herausforderung sucht und schließlich im "weißen Zug", einer S-Bahn mit spezial-Lackierung gegen Graffitti, nicht nur eine Bestimmung findet, sondern sich auf eine fast mystische Suche und Jagd macht. Und dann sind da auch noch Osama, Camilla, Raphael, Storm, Jojo, Vivi, Kempes und DJ Quest. Die Kamera springt von Charaktere zu Charaktere, aber bald hat sich der Zuschauer daran gewöhnt und ist bereit die Figuren kennen zu lernen. Die Handlungsstränge treffen sich und gehen wieder auseinander, erst am Ende, es vergeht ein Abend, eine Nacht, ein Tag und wieder ein Abend, treffen sich alle auf einer Jam. Dazwischen ist viel passiert und, wie schon erwähnt, ist auch diese Party am Ende des Filmes kein eigentliches Ende.
Der Zuschauer weiß, wenn er das Kino verlässt, dass er nur einen Einblick erhalten hat und die komplizierten Geschichten der Jugendlichen im wahren Leben weitergehen. Kann man etwas kritisieren? Manch ein Zuschauer mag denken, es ginge hier um Ausländer in Berlin; ein Fehler. Wer genau hinsieht, erkennt die Mixtur der Abstammungen nicht nur in der Gruppe, sondern in jedem einzelnen der Jugendlichen. Hier findet sich türkisches, griechisches, chinesisches, deutsches und vieles mehr... Und dabei sind es keine "Ausländern", doch das ist nicht das Thema des Filmes. Abstammungen und Kulturen sind ein Teil der Welt um diese Gruppe. Wenn die Figuren gegen Ende auf ein paar Skinheads treffen, ist dies ebenso nicht das Kernereignis des Filmes, es ist Teil des Alltags von der Straße. Aber in dieser Szene, wo Yessim und Sässion alleine von mehreren Skinheads attackiert werden und schließlich, als ihre Freunde zum Glück vorbeikommen und es zu einer Schlägerei kommt, die HipHoper siegreich bleiben, kann man vielleicht den einzigen richtigen Schwachpunkt des Filmes erkennen: rechtzeitig erscheinen die Freunde, in ausreichender Zahl und natürlich verprügeln sie erfolgreich die Rechtsradikalen. Aber der gezeigte Konflikt ist ein Thema in der gezeigten Welt um die Freunde und muss folglich dargestellt werden. Und mit der Szene verliert der Film auch nicht an Authentizität. Zwar verläuft der Kampf Straßen-romantisch erfolgreich für die Guten, doch entspricht der Verlauf dem, was in der HipHop-Welt als Ideal bekräftig wird: wir halten zusammen und schlagen die Nazis zu Brei. Man könnte noch an die Lösung für die Szene denken, in der die Freunde Yesim und Sässion zur Hilfe kommen und allein mit der Demonstration ihres Zusammenhalts und Entschlossenheit den Nazis so gegenüberstehen, dass diese "den Schwanz einziehen" und verschwinden. Aber diese Straßen-Romantik von Sozialpädagogen würde Realität und der Authentizität des Filmes wohl mehr widersprechen als die siegreiche Schlägerei der HipHoper. Neben der erfreulich guten Umsetzung und Darstellung der HipHop-Welt aus Berlin ist der Film auch ein gutes Beispiel für eine Low-Budget Produktion. Nachdem die Gelder für den Film weniger werden oder der Zugang dazu mehr und mehr erschwert wird und Verleiher mehr und mehr auf sichere MainStream-Produktionen setzen, spricht man gerade in den Kreisen der Independent-Filmer nicht nur häufiger von Low-Budget sondern bereits vom No-Budget. Was trotz wenig Geld immer noch möglich ist, zeigt Status Yo! Nicht nur in der Produktion, auch im Marketing und der Promotion zeigt sich hier Kreativität. Status Yo! ist am 4.11.2004 ein erfolgreicher Start in den Kinos sehr zu wünschen. Eine Empfehlung ist der Film auf jeden Fall!
Gesehen von Tankred L. Tumpach