Wiedersehen mit Brideshead
Regie: Julian Jarrold
Kinostart: 20. November
Tragik, Schicksal, in ihren Konventionen gefangene Menschen, und dies alles in edlen Bildern eingefangen – dies ist „Wiedersehen mit Brideshead". Dabei ist der Film weder wirklich schlecht noch wirklich gut. Noch eine Weile, nachdem man aus dem Kino gekommen ist, summt man vielleicht die melancholische, zur Geschichte gut passende Musik, und ein paar Stunden später hat man den Film bereits vergessen. Auch an die aufwendig photographierten Bilder vermag man sich nicht mehr zu erinnern, es bleibt letzten Endes überhaupt wenig übrig von der in großem Bogen und mit einem hohen Anspruch verfilmten Geschichte. Gleich zu Beginn des Films wird dieser Anspruch überdeutlich: Ein Mann, in Militäruniform, tritt in das Bild und philosophiert über sich selbst, sein Wesen und seine Gefühle und das, was übrigblieb: Schuld.
Eine Rückblende: 1922 kommt ein junger Mann, Charles Ryder, aus London in das exzentrisch-vornehme Oxford, um dort Geschichte zu studieren. Er selbst stammt aus einer Art Mittelschichtsfamilie, die weder richtig wohlhabend noch arm ist. Charles' eigentliche Liebe gilt der Malerei.
In Oxford macht er die Bekanntschaft mit dem jungen Adligen Sebastian Flyte, der sich in Charles verliebt. Letzterer jedoch hält Sebastian zwar hin, weist ihn aber nicht zurück. Das, was ihn weit mehr als die Beziehung zu Flyte zu interessieren scheint, ist dessen Familie, deren schlossartiger Landsitz Brideshead, überhaupt, der ganz andere Lebensstandart und, nicht zuletzt, Sebastians Schwester Julia. Obwohl sich die beiden Geschwister als „Heiden" bezeichnen und sich über den krankhaften Katholizismus ihrer Mutter, Lady Marchmain, lustig machen, offenbart sich bald mehr und mehr, wie sehr sie unter dem Einfluß ihrer Mutter stehen und wie sehr sie unter diesem Einfluß leiden.
Während einer Reise nach Venedig, auf der Sebastian und Julia in Charles' Begleitung ihren Vater besuchen, kommt es schließlich zu einer ersten Annäherung zwischen Charles und Julia. Es ist die Zeit des Karnevals und inmitten der vielen Menschen, der Verkleidungen und der ausgelassenen, provozierenden, beinahe dämonischen Stimmung, geschieht etwas, was die Beziehung zwischen den drei jungen Leuten vollkommen verändert. Diese Szenen sind beeindruckend gefilmt: Charles sieht Julia, die von einigen maskierten Menschen fortgerissen wird, er folgt ihr, sieht sie auf einer entfernten, mit Menschen verstopften Brücke und plötzlich befinden sich beide in irgendwelchen Gewölben und Gängen nahe des Wassers in vollkommener Einsamkeit. Vom Karneval ist weder etwas zu sehen noch zu hören und hier, in dieser stillen, verwunschenen Atmosphäre, kommt es zwischen den beiden zu einem Kuß. Und als sie bald darauf bemerken, dass sie doch nicht ganz alleine waren, sondern dass Sebastian sie beobachtet hat, laufen sie wieder tragisch, aber sehr schön durch die Einsamkeit der Lagunenstadt: dunkle, vom Schicksal verfolgte Gestalten vor Hauswänden, die tanzend das Wasser der Kanäle reflektieren.
Dieses Ereignis in Venedig bedeutet eine Zäsur. Das Verhältnis zwischen Sebastian und Charles kühlt sich ab. Es ist Sebastians Mutter, die Charles zurück nach Brideshead holt. Sie macht sich Sorgen um ihren Sohn, der mehr und mehr dem Alkohol verfällt und hofft, das Charles einen guten Einfluß auf ihn auswirkt. Gleichzeitig spielt sie jedoch ein böses Spiel, indem sie Charles offenbart, dass sie niemals ihre Einwilligung zu einer Hochzeit zwischen Charles und Julia geben würde, solange er nicht zum Katholizismus konvertieren würde. Dies aber lehnt Charles ab, worauf es schließlich zur Verlobung zwischen Julia und einem Mann kommt, der weniger zögerlich und weniger prinzipientreu ist als Charles. Die Bande zwischen den drei verlieren sich. Sebastian geht nach Marokko und Charles wird Maler und mit seinen Bildern sehr bekannt.
Erst einige Jahre später sieht er Julia an Bord eines Ozeanriesen wieder. Ihre Liebe flammt erneut auf, doch nur für kurze Zeit, denn am Ende des Filmes muß Charles einsehen, dass sich Julia niemals von jenen Ketten befreien wird, mit der ihre mittlerweile verstorbene Mutter sie einst fesselte. Nicht ihr unterschiedlicher Stand, sondern die Religion steht zwischen den beiden Leuten und verhindert ein gemeinsames Zusammenleben. Doch am Ende soll Charles trotzdem noch ein einziges Mal nach Brideshead zurückkehren ...
Angesichts der Schwere der Geschichte, der vielen unglücklichen Lieben, der letztendlichen Vergeblichkeit der Sehnsüchte der drei jungen Menschen, ist es erstaunlich, wie wenig das alles am Ende berührt. Einerseits liegt dies womöglich an der schicksalhaften, konsequent ins Tragische abstürzenden, jeder sympathischen Naivität entbehrenden Geschichte selbst, andererseits an einer gewissen Leblosigkeit der Inszenierung. Man merkt dem Film seinen Willen, die Menschen und die Schauplätze so perfekt wie möglich auszuleuchten und zu arrangieren, sehr wohl an. Allerdings fehlt dieser „Perfektion" Originalität, ein Hauch Unverwechselbarkeit, ein wenig Frische. Und trotz der traurigen Geschichte eine Art von Leichtigkeit, die das Große, das Unausweichliche vielleicht nicht ganz so ernst nimmt und es gerade dadurch zu tragen vermag.
Im augenscheinlichen Bemühen, dem Zuschauer die Tragik der Geschichte von der ersten Einstellung an zu verdeutlichen, liegt etwas, das am Ende keine Freiheit mehr lässt, eben diese Tragik am Ende vielleicht selbst zu entdecken. Sowohl der Film als auch die Zuschauer bewegen sich die ganze Zeit um eine Art Podest: ein Podest, welches der Film selbst erschaffen hat, das er jedoch zu keiner Zeit in der Lage ist, zu ersteigen, und auf dass die Zuschauer die Geschichte somit auch nicht begleiten können.
Gesehen von Paul Mittelsdorf