The Soul Keeper
Daten |
The Soul Keeper I, F, GB 2003, 89
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Regie: Roberto Faenzas
"Das Leben ist ein einziges Spiel"
Nichts kann diesem Film mehr schaden, als eine knapp formulierte inhaltliche Vorankündigung. So wird diese als Spielort eine Nervenheilanstalt nennen und dabei die Methoden Siegmund Freuds erwähnen, wodurch das Vorurteil evoziert wird, es handele sich hierbei um einen schwerlastiges, zur Depressivität neigendes Psychodrama. Folgt dann im weiteren Handlungsverlauf eine Liebesaffäre zwischen einem Arzt und einer Patientin drängt sich der Verdacht auf, der Film drohe in eine eindimensionale Romanze abzugleiten. Tatsächlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen und schafft auf diese Weise das Spannungsfeld für ein brillantes und zugleich spannendes Kino.
Als Teil der diesjährigen Italien-Tetralogie des Münchner Filmfestes greift Regisseur Roberto Faenza auf einen zufällig entdeckten Briefwechsel zwischen Siegmund Freud und Carl Gustav Jung, einem Nervenarzt aus Zürich, zurück. Im Zentrum dieser Briefe steht Sabina Spielrein, Tochter russischer Emigranten, die im Alter von 19 Jahren von ihren Eltern in der Züricher Psychartrie zurückgelassen wird. Allein der Sigmund Freud Schüler Carl Gustav Jung findet zu der Patientin Zugang und kann auf diese Weise ihren Heilungsprozess vorantreiben. Dabei entwickelt sich zwischen Arzt und Patientin eine sinnliche Liebesaffäre, die insbesondere den verheirateten Familienvater in einen Gewissenskonflikt bringt. Letzen Endes ist überliefert, dass Sabina Spielrein in Russland selbst als Psychoanalytikerin praktizierte und 1942 von den Nazis erschossen wurde.
Hierbei wird deutlich, dass die Fiktion partiell von der Realität überlagert wird, wenn auch nicht jedes Detail im einzelnen widergegeben werden kann. Dass Roberto Faenza diesen Anspruch für sich nicht erhebt, verdeutlichen die dramaturgischen Eingriffe in dessen Bearbeitung. So integriert er z.B. ein fiktives Tagebuch von Sabina Spielrein, das von einer Moskauer Studentin Jahrzehnte später durch Zufall entdeckt wird. Ihre Rezeption des Buches bildet die Erzählperspektive und lenkt zugleich die Sichtweise des Filmes. Unter diesem Blickwinkel scheut Roberto Faenza nicht den Mut zur Drastik und Hässlichkeit. Insbesondere die ersten Minuten illustrieren das Leben hinter den Mauern einer Psychartrie um die Jahrhundertwende bestehend aus Blut, Suizid, unverarbeiteten Traumata, Eintönigkeit, Isolation und physischer Knechtung. Erst die Psychoanalyse von Carl Gustav Jung, die verdrängte traumatische Erfahrungen zum Vorschein bringt, projiziert in den Film die Sensibilität für das Irrationale und Unterbewusste der menschlichen Psychologie.
Das Leben, so erklärt Sabina Spielrein, habe allein Traumata und Ängste hervorrufen. Sie ist von der Wirklichkeit vergessen worden, ein "fair play", wie es ihr Name fordert, ist dabei nicht zu erwarten. Es gehört dabei zu den Stärken von Roberto Faenzas Film, diese leitmotivischen Depressionen nicht als eine singuläre Charakterstudie zu zeichnen, sondern auch auf den Arzt zu übertragen. Auf diese Weise räumt Faenza mit dem Vorurteil auf, psychologische Probleme seien allein Geisteskranken zuzuschreiben. In diesem Sinne basiert die einsetzende Liebesaffäre auf dem gegenseitigen Eingeständnis persönlicher Schwächen und verwischt so die ursprünglichen Grenzen zwischen Arzt und Patient. Diese seelische Einheit in all ihren Facetten schafft eine intime Nähe fernab jeglicher Konvention und durchläuft so einen schmalen Grad zwischen eindimensionaler Romanze und tiefenpsychologischer Wirksamkeit.
Dass letzten Endes der Nervenarzt Carl Gustav Jung dieser Unmittelbarkeit nicht mehr standhält und in sein konventionelles Familienleben ohne Sabina Spielrein zurückkehrt, macht die Schwäche der menschlichen Natur am Ende umso deutlicher. Während Sabina Spielrein inzwischen in Moskau lebt, verbleibt Carl Gustav Jung in Zürich der Gefangene seiner selbst. Allein die transzendentale geistige Übereinkunft mit seiner ehemaligen Patientin bildet den letzten Fluchtpunkt des alternden Mannes, der begreifen muss, daß "ein Leben ohne Seele kein Leben ist."
Welche Gründe nun auch immer eine Rolle gespielten haben mögen, weshalb am Eröffnungstag der Münchner Filmfestspiele der Kinosaal nur zu einem Drittel gefüllt war, soll hier nicht diskutiert werden. Fakt ist, dass die internationale Produktion aus Italien, Frankreich und Großbritannien in Deutschland noch immer keinen Verleih gefunden hat und mit großer Wahrscheinlichkeit der hiesigen Öffentlichkeit entgehen wird. Vielleicht war es im Hinblick dieser mäßigen Rahmenbedingungen auch besser so, dass Roberto Faenza auf dem Weg zum Arri-Kino einen Schwächeanfall erlitt und dem Geschehen fern blieb.
Gesehen von Bogdan Büchner
The Station Agent
Daten |
The Station Agent USA 2003, 88 Min REGIE: Thomas McCarthy
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Links zum Film |
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Regie: Thomas McCarthy
Kinostart: 03. Juni 2004
Finbar (Peter Dinklage) liebt Züge. Er arbeitet mit seinem einzigen Freund in dessen Modelleinsenbahnladen, ist in einem Zug-Club, wo sie "Train-Chaser"-Videos anschauen und bastelt im Hinterzimmer des Ladens an Modellen herum. Eines Tages jedoch fällt synchron zu einer kleinen Schaffnerfigur sein Freund einfach um, und steht nicht mehr auf. Laut Testament wird der Laden geschlossen und das Haus verkauft. Finbar erbt ein altes Bahnwärterhäuschen in Newfoundland, New Jersey.
Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt er sein altes Leben hinter sich, um in der Einöde in Newfoundland ein neues abgeschiedenes Leben zu beginnen und um sich den neugierigen Blicken und dem Spott zu entziehen, die der nur 1,30m große Mann auf sich zieht. Er will die Einsamkeit. Also macht er sich zu Fuß auf den Weg, da der Zugfan selbst noch nie mit einem Zug gefahren ist. Bereits am ersten Morgen muss er jedoch feststellen, dass sein abgeschiedenes Leben gar nicht so abgeschieden sein wird. Obwohl sein Bahnwärterhäuschen in der Einöde steht, baut sich gleich daneben täglich ein Imbisswagen auf, dessen Betreiber Joe (ein hinreißend nerviger, jedoch sympathischer Bobby Cannavale) ganz und gar nicht in das neue ruhige Leben Fins passen will. Selbst einsam, mit nur einem kranken Vater, der eigentlich den Imbiss führt, drängt er sich Fin mit seinem speziellen Latte und seiner kubanischen Herzlichkeit gutgelaunt Morgen für Morgen auf. Am ersten Tag begegnet Finbar außerdem Olivia (Patricia Clarkson), die ihn gleich zwei Mal nahzu überfährt. Olivia lebt in dem nahen Ort, zurückgezogen vom Leben und vom Ehemann, weil sie den Tod ihres Sohnes Sam nicht verkraften kann. Finbar würde beiden am liebsten aus dem Weg gehen, doch erst zwanghaftes Beieinandersein, gemeinsames Zugschauen, gemeinsame Essen, gemeinsame Spaziergänge.... und später echte Freundschaft bringen die Drei immer wieder auf ein gemeinsames Gleis.
Einsamkeit und Freundschaft stehen im Mittelpunkt dieser charmanten Geschichte, die langsam, aber nie langweilig und mit todernsten Humor erzählt wird. Drei einsame Menschen finden zueinander und zwischen ihnen knüpfen sich zarte Binde zu einer engen Freundschaft, bei der die drei ungleichen Menschen bei den unterschiedlichsten Problemen zusammenhalten und zusammenstehen. Es ist ein Film über Freundschaft und Unterschiede, die zu bewältigen sind. Ein Film der Hoffnung gibt, dass die Welt doch eigentlich doch ganz o.k. ist. Ein Film, den man mit seinen Freunden Sonntagabend auf der Couch ansehen möchte.
Man merkt, dass Tom McCarthy viel Liebe in sein Erstlingswerk gesteckt hat.
Gesehen von Kathrin Metzner