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Accordion Tribe 87 Min., Musikdokumentation CH, A 2004 REGIE: Stefan Schwiertert |
Regie: Stefan Schwiertert
Kinostart: 14. April 2005
Die Idee an sich ist nicht bahnbrechend. Fünf Profimusiker schließen sich zu einer Gruppe (Accordion Tribe) zusammen und gehen auf Tournee; die Kamera begleitet sie. Eher ungewöhnlich daran: alle fünf spielen Akkordeon, ein Instrument, das seit Jahren eher mit sentimental-angestaubter Volkstümelei assoziiert wird und ein Nischendasein in Schrebergärten und Alpenregionen führt. Umso erstaunlicher ist, was diese Musiker ihren Instrumenten entlocken. Kein bisschen von altbackenen Evergreens in geselliger Runde. Es ist schlicht atemberaubend, welche Klänge von dieser Gruppe kreiert werden. Zum Glück gibt Stefan Schwietert der Musik auch genug Zeit und Raum, ermöglicht es dem Zuschauer, sich ganz in sie zu versenken. Er schafft es, dass Film und Soundtrack eine Einheit ergeben; kommentiert nicht die Musik mit seinen Interviews, sondern umgekehrt. Worte sind Schall und Rauch, die Musik aber kommt direkt aus dem Herzen. Man erfährt, was an Emotionen in Musik stecken, wie sehr eine Melodie berühren kann. Man beginnt zu ahnen, was die Musiker an- und umtreibt und sieht, wie sie verzweifelt versuchen, sich von den musikalischen Wurzeln zu lösen, um doch immer wieder auf raffinierte Art auf sie zurückzukommen.
Ihren ganz eigenen Charme hat die Gruppe der fünf Akkordeonspieler. Der Österreicher Otto Lechner, der wie eine Musikerversion von Klaus Maria Brandauer wirkt, der Slowene Bratko Bibic, der direkt aus Loriots Violinspielersketch entsprungen zu sein scheint, die sensible Maria Kalaniemi (Finnland), Lars Hollmer (Schweden) und Guy Klucevsek (USA)- sie alle wirken auf liebenswürdige Weise schrullig. Jeder hat längst seinen eigenen Stil entwickelt und extra für die Tournee von "Accordion Tribe" Stücke komponiert. Man merkt schnell, dass Guy Klucevsek Recht hat: "bereits die Zusammenführung der richtigen Leute zur richtigen Zeit kann schon eine künstlerische Tat bedeuten und im geglückten Falle Energien freisetzen, die sich jedem vorauseilenden Kalkül entziehen."
Den einzigen Vorwurf, den man dem Regisseur vielleicht machen kann, ist, dass er die Musiker nicht ganz gleichberechtigt behandelt. Er fokussiert stark auf den blinden Otto Lechner, der zugegebenermaßen ein Glücksfall für das Projekt war (und offensichtlich auch auf Tournee zum Publikumsliebling geworden ist) und der Dokumentation einen Hauch Intimität verleiht. Dadurch wirken vor allem Lars Hollmer und Bratko Bibic ein wenig wie unter "ferner liefen" abgestellt. Schade ist auch, dass der mit "Musik als Reise" umschriebene Film einen filmischen Schlusspunkt erhält. Das im Abspann eingespielte Stück fügt sich deshalb nicht schlüssig in das Gesamtkonzept ein, die musikalische Reise kann sich nicht in den Alltag fortsetzen. Insgesamt ist es aber bemerkenswert, wie sensibel und unaufdringlich Schwietert seinen Film gestaltet. Eine tolle Dokumentation- einfach zurücklehnen und genießen.
gesehen von Johannes Prokop