Am Arsch der Welt
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Im hintersten Winkel von Vorpommern liegt Klein Jasedow, laut Bürgermeister ‚Der Arsch der Welt'. Nach der Wende lief dem Dorf die Bevölkerung davon, seitdem wetteifern die Bürgermeister der Orte in der Gegend um die minimalste Abwanderung. 1997 stand Klein Jasedow fast vor der Auflösung und sollte weiteren Ackerflächen Platz machen. Damals ließ der Bürgermeister das A-Wort gegenüber dem Spiegel fallen, der über die Abwanderung von jungen Leuten aus dem Osten in den Westen berichtete.
Klein Jasedow scheint den Wettbewerb jetzt jedoch zu gewinnen. Nicht nur, dass niemanden mehr abwandert, auch scheint ein Bevölkerungsmagnet am Arsch der Welt platziert worden zu sein, denn ausgerechnet an diesem heruntergekommenen Ort weht jetzt ein neuer Wind. Eine Gruppe von sechzehn Wessis ließ sich in der Ossi-Gemeinde nieder und brachte neue Impulse in die Gegend: Instrumente-Werkstatt, Verlag und Ökogarten inmitten eines großflächigen Ackergebietes, beherrscht von einem einzigen Agrar-Unternehmen, das seine Claims schon vor langer Zeit abgesteckt hatte. Genau dieser Gegensatz brachte auch die Konflikte im Sommer 2001, als ein Wind das Herbizid Brasen von den Feldern in den Ökogarten wehte. Die Landkommune erstattete Anzeige, was die Alteingesessenen sich nicht bieten ließen.
Der Konflikt eskalierte: aufgehetzte Bevölkerung, die mit Plakaten - ‚Wir brauchen Eure Weisheiten nicht!' - gegen die ‚Zugereisten' vorgingen, böse Verleumdungen (Lesben, Sekte, Hexe...), eine brodelnde Gerüchteküche und nackte Intoleranz der alten Dorfbevölkerung gegen jegliches Neue und Unbekannte. Sie scheinen sich überrannt zu fühlen, nach dem Motto ‚die Wessis kommen um unsere Gegend wieder wirtschaftlich hoch zu bringen, als ob wir das nicht selber können'. Ihr Stolz scheint verletzt. Trotzdem gaben die ‚Neulinge' ihren Existenzkampf nicht auf. Mittlerweile wächst ihr kleines Unternehmen in guter Siedler-Manier stetig und sie beschäftigen und renovieren die halbe Ortschaft.
Der ganze Konflikt inspirierte den Regisseur Claus Strigel aus seiner Dokumentation eine Western-like, oder besser Eastern-like Doku zu machen. Unterlegt von Western-Melodien a la "Spiel mir das Lied vom Tod" kommen beide Parteien und Außenstehende zu Wort. Immer wieder sind Schrifttafeln eingeblendet, die die Geschichte der Siedler auf ihren Weg in den Osten beschreiben und dadurch das eigentlich ernste Thema ab und zu ins Komische verlagern. Auch wenn manchmal nicht alles gleich ganz klar ist und der Regisseur auch mal etwas weiter vom Thema abschweift, so ist es doch eine gelungene Dokumentation geworden, die jetzt allerdings die Redaktion der ARD spaltet: Kommentare dazu? Welcher Sendeplatz? Und vor allem der Titel ist nicht allen so ganz recht.
gesehen von Kathrin Metzner