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Schwierige Erklärung

Kurz vor Beginn des Camerimage Festivals überschattet eine unschöne Äußerung über Gleichstellung das Kamerafilmfestival. Alljährlich findet in Toruc, Polen, ein besonderes Festival statt, welches die Bildgestaltung bei Filmen feiert. Eine Woche lang kommen Kameraleute aus der ganzen Welt zusammen um die besten Arbeiten zu sichten und zu diskutieren. Jedes Jahr sind auch stets große Namen unter den Kameraleuten zu Gast, viele halten Masterclasses und Workshops über ihre Arbeitsweisen. Doch in diesem Jahr wird bereits vor dem Beginn des Festivals, am 16. November, mehr oder weniger wütend über die Frage der Programmauswahl diskutiert und leider auch auf seltsamste Weise polemisiert.

Vor Beginn der 32. Ausgabe des Festivals steht es im Mittelpunkt einer Kontroverse die der Gründer des Festivals, Marek Cydowicz in der Fachzeitschrift "Cinematography World" losgetreten hat. In seiner Kolumne in der Fachzeitschrift hat er auf eine Petition von "change.org" reagiert und sich zu einem Aspekt der Programmauswahl geäußert, die viele als Sexistisch bezeichnen. Cydowicz beschreibt in seinem Artikel die Veränderungen von einer in der Vergangenheit extrem männlich dominierten Landschaft der Kameraleute, hin zu immer mehr Kamerafrauen, eine wichtige Veränderung einer ein ganzes Jahrhundert andauernden Unausgewogenheit dieses Filmberufs. Und er beschreibt auch, wie das Camerimage Festival über die Jahre immer mehr Frauen auch in Juryfunktionen etc. in das Festival eingebunden hat.

Wogegen sich Cydowicz in seinem Artikel ausspricht, sind Quotenzwänge- er fordert für sein Festival eine künstlerische Integrität und Unabhängigkeit in der Auswahl hochwertiger Filme. Die Webseite "change.org" hatte eine Petition aufgesetzt, in welcher das Camerimage Filmfestival aufgefordert wird, größere Anstrengungen in Richtung einer gleichberechtigten Vertretung der Geschlechter bei Kameraleuten zu unternehmen.

 

Forderungen der Petition

  • Bei den Einladungen der Diskussionsteilnehmer, Juroren und vorgestellter Filmemacher ein faires Geschlechterverhältnis herzustellen.
  • Es sollen spezielle Programme aufgesetzt werden, welche Kameraleute und Filmprofis aus unterrepräsentierten Gruppen, darunter auch Frauen, fördern.
  • Es sollen jährliche Berichte über die Vielfalt der Teilnehmer und eingeladenen Filmemacher erstellt und veröffentlicht werden
  • Frauen sollen stärker in den Auswahlausschuss eingebunden werden
  • Die Richtlinien des Festivals sollen dahingehend geändert werden, dass sie die Inklusion in allen Aspekten des Festivals unterstützen

 

Reaktionen

Was die Gemüter in dieser Diskussion erhitzt ist der Umstand, dass Cydowicz den Aufruf zu mehr Gender-Vielfalt auf dem Festival gleichsetzt mit einer Absenkung der hohen Standards und Auswahlkriterien. In seiner Kolumne stellt der Festivalchef die Frage in den Raum, "ob man aus dem berechtigten Streben heraus, eine gerechte Verteilung der Wahrnehmbarkeit von Frauen und Männern hinter der Kamera die Frage was gut ist sei vernachlässigen dürfe. Ob man Werke und Künstler mit herausragenden künstlerischen Leistungen opfern dürfe, nur um Platz für mittelmäßige Filmproduktionen zu schaffen." Cydowicz weigert sich ausdrücklich, "sich den aktuellen politischen und ideologischen Trends zu unterwerfen und in die Fußstapfen der Filmfestivals von Cannes, Berlin und Venedig zu treten, die zunehmend kritisiert werden für ihre ausgewogene Filmauswahl."

Tatsächlich wird ja auch bei Fragen der Regie eifrig gestritten, ob Quoten die gesamte Bandbreite des Filmschaffens abbilden oder verzerren würden. In der Kolumne von Cydowicz wird jedoch der Eindruck erweckt, als wenn die Arbeiten von Kamerafrauen grundsätzlich weniger qualitätvoll wären.

Daraufhin hat die British Society of Cinematographers sich deutlich von dieser Betrachtung der männlichen Überlegenheit auf dem Kameragebiet distanziert und den "aggressiven Ton der Kolumne als symptomatisch für ein tief verwurzeltes Vorurteil" bezeichnet. Dieser Meinung hat sich daraufhin auch der amerikanische Berufsverband der Kameraleute, die American Society of Cinematographers (ASC) angeschlossen. Die Kamerafrau/Regisseurin Reed Morano, die als Jurymitglied bei Camerimage tätig war, äußerte inzwischen auf Instagram, "dass die meisten mittelmäßigen Werke, die sie auf dem Festival gesehen hat, von Männern gefilmt wurden."

Cydowicz hat sich nicht gerade klug auf dem vermintem Gelände der Gleichstellungsdiskussion bewegt und kann nicht verstehen, dass seine Äußerungen seltsam gestrig wirken.  Er fühlt sich falsch verstanden und bleibt grundsätzlich bei seinen Äußerungen ohne deren Bedeutung zu hinterfragen. Das Festival hat bereits ohne diese Diskussion mit anderen Kontroversen zu kämpfen. So wird dem Festival vorgeworfen, den Spielfilm „Rust“ uraufzuführen, jenen Western, bei dessen Dreharbeiten die Kamerafrau Halyna Hutchins durch eine Requisitenpistole des Schauspielers/Produzenten Alec Baldwin getötet wurde. Während das Festival die Uraufführung als eine Möglichkeit betrachten, das Werk und das Leben von Hutchins zu ehren, kritisieren andere, dass man dies nicht ausgerechnet mit dem Film tun dürfe, der sie getötet hat.

Der britische Filmregisseur Steve McQueen, dessen Film "Blitz" das Camerimage Festival eröffnet, hat die genannten Äußerungen bereits scharf kritisiert und seine ursprünglich geplante persönliche Teilnahme abgesagt. Da ist also jede Menge Zündstoff in der 2024 Ausgabe des Festivals und man darf gespannt sein, wie sich die Kameraleute, Gäste, Festivalorganisation, das Publikum und die Jury-Präsidentin Cate Blanchett dazu verhalten werden.

  • Die Kolumne in der Cinematography World könnte Ihr hier nachlesen: https://www.cinematography.world/cw-issue-24-digital/  
  • Die Petition findet Ihr hier: https://www.change.org/p/filmmakers-call-for-change-at-camerimage

 

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