MC18 NOV17x2

Social Media Icons Shop 55

 

Regisseur Steven Soderbergh, den eine ambivalente Liebe mit dem Fernsehen verbindet, hat eine siebenstündige interaktive Miniserie samt zugehöriger App für mobile Geräte namens "Mosaic" herausgebracht. Die Story rankt sich um einen mysteriösen Mord an einer Kinderbuch Autorin und entstand in einer Loft-Wohnung in Chelsea, bei der die Zuschauer in gewissen limitierten Grenzen selbst entscheiden können, welche Informationen sie wann sehen und welchen Figuren sie bevorzugt folgen wollen.

 

Jeweils nach einer festen Sequenz, die minutenlang oder aber 30 Minuten dauern kann, erhalten sie Optionen angeboten, wie sie weiter schauen möchten. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Serie einfach ablaufen zu lassen. Dabei werden vermutlich nicht alle Story-Verzweigungen gezeigt, aber so wird es möglich, auch einfach passiv der Geschichte folgen zu können.

 

Damit hat die Serie durchaus Verwandschaft mit manchen Games, ist aber mit realen Schauspielern gedreht und folgt einem über 500 Seiten langen Drehbuch. Soderbergh hat jahrelang mit seinem Team an der Story und der Umsetzung gearbeitet, schließlich würden bestimmte Informationen, welche die Zuschauer zu früh erhalten, die gesamte Geschichte zunichte machen.

 

Der große Arbeitsaufwand und die Kosten der Entwicklung erklären auch, weshalb man nicht mal eben interaktive Filme aus dem Ärmel schütteln kann. Sie sind aufwändiger und teurer als herkömmliche Geschichten und bergen unter Anderem das Risiko in sich, dass der Zuschauer nicht den optimalsten dramaturgischen Ablauf zu sehen bekommt.

 

Teuer und aufwändig

Es ist nicht ganz einfach, derartige Geschichten mit ihren verschiedenen Verzweigungen zu entwerfen. Dafür müssen mitunter recht komplexe Ablaufpläne entwickelt werden, die U-Bahnsystemen von Millionenstädten ähneln können. Zwei große Medienunternehmen lehnten das Projekt ab, bis HBO zusagte und das Vorhaben finanzierte. Letzlich kostete das Projekt 20 Millionen US Dollar und HBO finanzierte nur deshalb mit, weil Soderbergh auch eine klassisch, linear erzählte Serie in sechs Teilen für den Bezahlsender schnitt, die ganz klassisch und ohne jede Interaktivität von den Zuschauern abgerufen werden kann.

 

Soderbergh erkannte in den letzten Jahren immer mehr, dass sich das Storytelling im Hollywood System kaum weiterentwickelt hat und suchte nach neuen Wegen. In eine Ähnliche Richtung dachte Casey Silver, der frühere Leiter von Universal Pictures, mit dem er sich zusammen tat.

 

Erzählerischer Anachronismus

Gemeinsam mit dem Drehbuchautor Ed Solomon bezog Soderbergh ein Apartment in Chelsea und sie entwickelten nicht nur die Geschichte der Hauptfigur sondern auch aller anderen beteiligten Figuren. Sie pinnten unterschiedlich farbige Karteikarten mit Abläufen an die Wände um Schnittstellen und Abläufe besser überblicken zu können. Eine recht altertümlich anmutende Arbeitsweise in unserer hochcomputerisierten Welt, erst recht wenn man damit moderne Erzählformen strukturieren möchte.

 

Die Schwierigkeit bestand unter anderem darin, zu verhindern, dass Zuschauer versehentlich an Punkte springen könnten, wo etwa Filmfiguren auftauchen, deren Einführung sie verpasst haben. Oder dass sie bestimmte Zusammenhänge schlichtweg nicht verstehen können, weil ihnen wichtige Voraussetzungen fehlen. Solomon schrieb praktisch für jede Figur ihre eigene Version der Geschichte, die ganz klassisch Einleitung, Hauptteil und Schluss hatte. Und jede Schauspielerin und jeder Schauspieler konnte sich tatsächlich als Hauptfigur fühlen, eine Ehre die in klassischen Serien nicht Jedem zukommt.

 

Die Dreharbeiten dauerten 49 Tage, gedreht wurde von Ende 2015 bis Anfang 2016. Dabei sind acht Stunden geschnittenes Material entstanden, welche über die aktuell nur für Mac erhältliche "Mosaic"-App interaktiv abrufbar sind.

 

Banner Regie GK 4000

Banner Regie GK 4000

Weitere neue Artikel

Es ist kein gutes Signal, dass die öffentlich rechtlichen Sender einen erhöhten „Finanzbedarf“ anmelden, statt dringende Reformen anzugehen

Der professionelle Sound Devices 633 Audiorecorder ist gebraucht inzwischen günstig zu haben. Lohnt sich das? Wir nennen seine Stärken und Schwächen...

Der Zoll Wahnsinn wird mit ziemlicher Sicherheit auch unsere Preise für Technik beeinflussen

Vieles im frühen Film war inspiriert durch das Theater und bis heute steht auch das Theater selbst im Mittelpunkt vieler Filme...

Dass Produktionsfirmen ächzen und stöhnen, hängt mit dem Bürokratie,- und Regulierungswahn Deutscher Behörden zusammen

Die NYFA bietet in Florenz einen Filmstudiengang an, ein Erfahrungsbericht über ein Trimester "Filmmaking" am Campus "Italy"

In den USA startet ein Kinofilm, bei dem dank KI nicht nur die Sprache sondern auch die Lippenbewegungen synchronisiert wurden

Geht es nach ChatGPT und Co soll das seit mehr als einem Jahrhundert gültige Copyright für ihre Modelle nicht mehr gelten...

Der einstige Hype um die visionären Brillen hat sich trotz teilweise genialer Inhalte etwas abgekühlt, wie wird es weitergehen?

Auch heute noch sieht analoger Film anders aus als digitale Aufnahmen. Eine Renaissance lässt das 2Perf. Verfahren wieder aufblühen...

Wie geht es zu im Writers Room und warum läuft es in den deutschsprachigen Rooms ganz anders ab als in den USA?

Wie funktioniert das hochindustrielle Schreibkonzept für Fernsehserien und was macht es besser, als das individuelle Schreiben ?

Früher gab es häufiger andere Schauspieler als heute, solche die vorher ein anderes Leben lebten...

Werden Bilder oder ganze Filme mit der KI generiert, sind die Ergebnisse oft zufällig. Wie schreibt man bessere Prompts und bringt der KI Konsistenz und Verlässlichkeit bei?

Auf der Berlinale 2025 sprachen wir mit der Dänischen Regisseurin und Drehbuchautorin Jeanette Nordahl über ihren berührenden Film "Beginnings"

Das extrem beliebte Genre hat sich durch immer bessere VFX Effekte stark verändert. Kommt mit, wir tauchen da tiefer hinein...

In der Berlinale-Reihe "Panorama" erzählt die Regisseurin in "Schwesterherz" sehr beeindruckend von einem moralischen Dilemma

In der Berlinale-Reihe "Panorama" erzählt der Film "Hysteria" von Dreharbeiten zu einem politischen Thema, die immer schwieriger werden...