"Cachorro" von dem spanischen Regisseur Miguel Albaladejo ist keine Hochkultur filmischer Finesse. Der Film ist auch kein schwerlastiges Drama mit tiefenpsychologischer Wirkungsbreite. Doch eines ist durchweg unbestritten - es ist ein ehrliches, authentisches Werk, das die festgesetzten Tabus (auch in den Kinosälen) aufbrechen möchte und auf diese Weise eine Lanze für die Aufklärung bricht. Miguel Albaladejo widmet sich in seinem Film, der nicht zu den offiziellen Wettbewerbsbeträgen der Berlinale zählt, dem Thema Homosexualität und dessen Verständnis in der Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht Pedro, ein beleibter homosexueller Spanier, wie er von seiner Mentalität her im Buche steht. Er nimmt zu Beginn der Handlung seinen Neffen bei sich auf, da seine Schwester einen Kurztrip nach Indien plant. Als sie jedoch von den indischen Behörden wegen Drogenkonsums für unbestimmte Zeit verhaftet wird, muss Pedro von einem Tag auf den anderen die Rolle des Vaters übernehmen. Von diesem Augenblick an gerät die Welt des gelernten Zahnarztes auf eine sympathische Art und Weise aus den Fugen.
Doch trotz aller Widrigkeiten ist es aber stets Pedro, der als einziger in der Figurenkonstellation moralisch und menschlich für den jungen Bernardo als Vorbild dienen kann. In diesem Sinne verwachsen Onkel und Neffe im Handlungsverlauf zu einer Einheit, die wertfrei von jeglicher sexueller Orientierung funktioniert. Natürlich werden Pedro im Laufe der Handlung Steine in den Weg gelegt. Da gibt es beispielsweise die Großmutter des Neffen, die dieser funktionierenden Einheit ein Ende setzen möchte und Bernardo in ein bilinguales Internat steckt. Miguel Albaladejo unterbindet vor allem in diesem Zusammenhang keine Gefühlsregung der Figuren und verdeutlicht den Hass der Protagonisten, die Großmutter umbringen zu wollen. Am Ende des Dramas ist schließlich nichts mehr beim Alten. Die Mutter ist noch immer in Haft und die Großmutter an Altersschwäche gestorben. Allein das Verhältnis zwischen Pedro und Bernardo hat allen Widerständen Stand gehalten.
Miguel Albaladejo spielt mit den tradierten Bedenken gegenüber Homosexuellen, er provoziert und löst die Spannung doch in einer natürlichen Hamrlogikeit auf. Auf diese Weise gelingt es ihm, über 90 Minuten eine wechelseitige Dialektik zwischen Moral, Formalität und Vorurteil aufrechtzuerhalten. Kann es denn für das Kind gut sein, mit Kreise Homosexueller aufzuwachsen? Sind Homosexuelle als Väter geeignet? Mit Sicherheit ein großes Fragezeichen in der Gesellschaft, mit dem jedoch Miguel Albaladejo aufräumen möchte. Er demonstriert eine selbstverständliche Erziehung im Umgang mit sexueller Orientierung, die letztlich ein freies Denken fernab der tradierten Vorstellungen ermöglicht. Die sexuelle Orientierung ist in diesem Sinne kein ausschlaggebender Punkt für die erzieherische Qualität eines Menschen. Eine Quintessenz, die im Ergebnis überzeugt, nicht zuletzt durch das wirkungsvoll spanisch emotionale Lokalkolorit, das den Flair südländischer Lebensfreude vermittelt.
Gesehen von Bogdan Büchner