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Daten

The Gunman

115 Min., Action, FR/GB/USA 2015

REGIE: Pierre Morel

DARSTELLER: Sean Penn, Jasmine Trinca, Javier Bardem, Mark Rylance, Ray Winstone, Idris Elba

 

Regie: Pierre Morel

Kinostart: 30. April 2015

 

Inhalt:

Kongo, 2006: Jim Terrier [Sean Penn] ist ehemaliger Soldat der Special Forces und soll als Mitglied des Sicherheitsdienst für Ordnung in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land sorgen. Tatsächlich jedoch ist er geheimes Mitglied einer Söldnergruppe. Als er den Auftrag erhält, einen korrupten Bergbauminister zu eliminieren, führt er den Auftrag aus, obwohl er weiß, dass er danach das Land verlassen und seine Geliebte Annie [Jasmine Trinca], die sich in dem von Unruhen und Gewalt gebeutelten Land als Ärztin verdient macht, ohne Erklärung zurücklassen muss. Acht Jahre später hat Terrier sein blutiges Geschäft niedergelegt und engagiert sich im Land mit humanitärer Hilfe. Doch eines Tages holt seine Vergangenheit ihn ein: Bewaffnete Männer verüben einen Anschlag auf ihn, dem er durch Glück und Können entrinnen kann. Er erfährt, dass zwei seiner damals ebenfalls am Anschlag beteiligten Kollegen bereits liquidiert wurden. Die Suche nach den Hintermännern führt ihn schließlich zu seinem alten Bekannten Felix [Javier Bardem] - der mittlerweile mit Annie verheiratet ist.

 

Kritik:

Regisseur Pierre Morel war unter anderem mit dafür verantwortlich, dass das Adrenalinkino im Jahre 2008 einen kleinen Schub erlebte, als er den bis dahin überwiegend als Charakterdarsteller in Erscheinung getretenen Liam Neeson zum Actionhelden umpolte und ihn in "96 Hours" leichenreich nach seiner entführten Tochter suchen lies. Dank des kompromisslosen Tons, der geradlinigen Erzählweise und der ebenso unkonventionellen wie treffsicheren Besetzung in der Hauptrolle wurde der eigentlich recht unspektakuläre Reißer zu einem Überraschungserfolg und inspirierte eine ganze Horde Nachahmer, die nun ebenfalls zu den Waffen griffen, um unrechtes Betragen entsprechend zu vergelten. Nach dem verunglückten "From Paris With Love" blieb Morel mit der Romanverfilmung "The Gunman" dem Genre auch weiterhin treu und inszenierte erneut ein feuriges, mit Explosionen, Nahkämpfen und Schusswechseln gespicktes Killerspektakel, dem es zwar an der einstigen rebellischen Frische fehlt, Freunden markiger Krawallveranstaltungen jedoch trotzdem ordentlich Zucker vor die Füße wirft.

 

Offenbar daran gelegen, den Besetzungscoup von "96 Hours" zu wiederholen, holte man sich dafür ebenfalls einen nicht mehr ganz taufrischen, doch allgemein geachteten Edelmimen ins Boot: Sean Penn, immerhin sogar zweifacher Oscar-Preisträger, gibt hier mit merklich aufgepumpten Oberarmen die gefährliche Tötungsmaschine, und in der Tat hat man kaum Schwierigkeiten damit, ihm diese auch abzunehmen. Penns Mitarbeit beschränkte sich jedoch nicht allein auf das Absolvieren der Titelrolle, er übernahm zusätzlich auch Funktionen in den Bereichen Produktion und Drehbuch. Vermutlich letzterem Umstand ist es zu verdanken, dass "The Gunman" für ein vorgebliches Actionvehikel ungewohnt gesellschaftskritisch geriet und zunächst wie ein Polit-Thriller beginnt, wenn er einen halbdokumentarischen Blick auf die zerfahrene Situation der vom Bürgerkrieg gebeutelten Republik Kongo wirft. Auch wenn nach geraumer Zeit die zu erwartenden bleihaltigen Meinungsverschiedenheiten der Protagonisten im Mittelpunkt stehen, so ganz fallengelassen werden die anklagenden Untertöne bis zum Schluss nicht wirklich.

 

Der weitere Verlauf erfindet das Rad dabei gewiss nicht neu. Das Geschehen läuft in altbekannten Bahnen und die pflichtbewusst ins Skript geschriebenen Wendungen geben sich nicht einmal großartig Mühe, einen wirklichen Überraschungseffekt zu erzielen: Wer hier am Ende der große Kontrahent sein wird, liegt ebenso auf der Hand, wie die Gewissheit, dass der einzige weibliche Teil der Belegschaft schließlich als zitternde Geisel herhalten muss. Doch trotz bewährter Story-Schablone gelingt dem "Gunman" durchgehend packende Unterhaltung ohne wirklichen Durchhänger, bei der selbst das eingesponnene, im Prinzip ebenfalls alles andere als originell erdachte Dreiecksdrama nicht aufgesetzt wirkt, sondern wie ein notwendiger Faktor, um emotionale Tiefe zu schaffen und den verzweifelten Gefechten der Hauptfigur einen glaubwürdigen Motor zu verleihen.

 

Die Kombination aus Anspruch und Action läuft zugegebenermaßen nicht immer ganz so rund, wie ihre Macher es wohl eigentlich im Sinn hatten; der humanitären Nachdenk-Botschaft stehen immer wieder doch reichlich trivialer Radau und eine eher banal konstruierte Ereigniskette gegenüber, bei der sich - fast schon genretypisch - vor allem gegen Ende Albernheiten und absurde Zufälle häufen. Zudem erweist sich der bei der Hauptfigur mal eiligst herbeidiagnostizierte Hirnschaden, der bei Stress zu Übelkeit, Ohnmacht, Gedächtnisverlust, wenn nicht sogar zum Tode führen kann, als reichlich billiger Drehbuchkniff, spielt diese Krankheit doch tatsächlich nur dann eine Rolle, wenn sie zufällig gerade ins dramaturgische Konzept passt, ist ansonsten jedoch überhaupt kein Thema.

 

Dass das Gesamtpaket dennoch passt, liegt in erster Linie an der straffen Inszenierung und der unkonventionellen Besetzung, die einmal mehr die halbe Miete ist: Sean Penns Rolle als Actionheld unterscheidet sich bereits im Ansatz grundlegend von seinen früheren Figuren und wirkt gerade deswegen erfrischend unverbraucht. Dabei geht sein Jim Terrier im Einsatz nicht gerade zimperlich zur Sache, und so mancher seiner Gewaltakte sorgt auch beim Betrachter für zusammengebissene Zähne und schmerzverzerrte Miene. Der reaktionäre Grundton allerdings, der "96 Hours" einst auszeichnete, fehlt hier quasi völlig. Der "Gunman" ist kein grimmiger Bestrafer, der schon von Haus aus niemanden mit heiler Haut davonkommen lässt, er ist ein verzweifelter Kämpfer, der eben tut, was er tun muss, wenn er dazu gezwungen wird, sein eigenes Leben oder das seiner Lieben zu retten. Jim Terriers Urteil würde nicht 'Selbstjustiz' lauten, sondern 'Notwehr'.

 

Nicht nur die Hauptrolle wurde mit Bedacht gewählt, auch an anderer Stelle macht der "Gunman" diesbezüglich so einiges richtig: Javier Bardem, der zuvor bereits in James Bonds "Skyfall" dem Genre einen Besuch abstattete, ist als Penns Rivale ebenfalls eine überaus gebührende Besetzung, für dessen Figur man im Wechsel Misstrauen und Mitleid empfindet. Die Italienerin Jasmine Trinca ("Das Zimmer meines Sohnes") bekam eine zwar antreibende, doch auf darstellerischer Ebene eher undankbare Rolle zugedacht und zieht sich aufgrund ungünstiger Umstände eigentlich ständig nur aus und an, während Idris Elba ("Pacific Rim") ebenfalls völlig unterfordert ist und erst kurz vor Schluss ins Spiel kommt, um noch schnell ein paar Weisheiten abzusondern. Ein wenig besser erwischte es da Ray Winstone ("Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels"), dem sein Part als kauziger Kumpel Terriers auf den nicht unerheblichen Leib geschneidert wurde und der dabei mit seiner lakonischen Art einige Sympathiepunkte sammeln kann.

 

"The Gunman" besitzt nicht mehr die anarchistische Aufbruchsstimmung eines "96 Hours", wirkt insgesamt wesentlich glatter und durchfrisierter. Doch trotz ähnlicher Anlage und Thematik sind beide Werke bereits dermaßen unterschiedlich konzipiert, dass sich ein Vergleich ohnehin nur noch aufgrund des identischen Regisseurnamens aufdrängt. Morel und seinem Team gelang ein engagierter, konzentriert durchexerzierter Feuerzauber, der weder ausufernd originell daherkommt, noch dem Genre etwas vollkommen Neues hinzufügen kann, aber dennoch gut zwei Stunden kompetent dargebotene Zerstreuung bietet, die gleichzeitig noch genug Intellekt besitzt, um dem Zuschauer kein schlechtes Gewissen aufzuhalsen. Die Antwort auf die Frage allerdings, warum das Finale in einer Stierkampfarena stattfindet, obwohl der Abspann sehr richtig darauf hinweist, dass zum Drehzeitpunkt in Barcelona bereits gar keine Stierkämpfe mehr stattfanden, bleibt bis zum Schluss unbeantwortet. Vermutlich war die Metapher vom rituellen Kampf Mann gegen kraftstrotzende Übermacht dann doch zu gut, um sie nicht zu verwenden.

 

gesehen von Boris Bertram

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