Sie nannten sich "Asta", "Apollo", "Capitol", "Cinema", "Filmpalast", "Imperial", "Luna", "Luxor", "Metropol", "Schauburg", "Universum" etc. und versprachen den Atem der großen weiten Welt. Bereits in der Stummfilmzeit wurden sie wie große Theater konzipiert, mit Bühne und Vorhang. Mit dem Aufkommen des Tonfilms wurden alte Säle modernisiert und viele neue extra für den Tonfilm neu gebaut. Während viele Theater, Opernhäuser und Bühnen noch heute bestehen, hat sich die Zahl der Kinos in den verschidenen Phasen, die man als Kinokrisen bezeichnet, massiv reduziert. Die Zeiten, in denen das Kino das wichtigste Medium war, sind lange vorüber und unzählige Kinosäle sind schlichtweg verschwunden. Manchmal kann man es an der typischen Architektur noch erahnen, an den Portalen, manchmal Säulen, den Schaukästen oder der Höhe der Räumlichkeiten, dass in dem Gebäude mal etwas anderes gewesen sein muss, oft aber sind sämtliche Spuren verschwunden.
Allein in meiner Heimatstadt Düsseldorf gab es über 100 Kinos, die Säle waren überschaubar, 100 bis 200 Zuschauer hatten darin Platz. Nach dem zweiten Weltkrieg gehörten die Kinos zu den wichtigsten Orten für Abendveranstaltungen. Von den drei Kinos, die ich in meiner Kindheit im Düsseldorfer Stadtteil Rath regelmäßig besucht habe, ist keines mehr vorhanden. Der Kinosaal in Oberrath ("Stadtwald-Lichtspiele") ist zu einem Wohnhaus geworden, das ehemalige "Stern-Kino" am Rather Bahnhof (bis 1985) wurde ein Fitnesscenter und in dem früheren "Stern-Kino" an der Ecke Rather Kreuzweg/Westfalenstraße (1955 bis 1966) werden inzwischen Möbel verkauft.
In München gab einmal es deutlich über 200 Kinos. Das älteste Kino Europas, das "Gabriel" (The American Bio-Cie. - Carl Gabriels Theater lebender Bilder) wurde 1907 eröffnet und befand sich an der Dachauerstraße 16. 1919 wurde es ungeachtet vieler Proteste endgültig geschlossen. Sein Begründer, Carl Gabriel hatte bereits seit 1897 in seinem Panoptikum in der Neuhauser Straße die ersten Filme der Lumiere Brüder aufgeführt und dann 1907 in der Dachauer Straße das "Gabriel" aufgemacht. Wirklich unfassbar, wie man zulassen konnte, dieses wichtige Stück Kulturgeschichte nach 113 Jahren Kinogeschichte einfach so aufzugeben.
Und just zum Erscheinen dieses Beitrags erreicht uns die traurige Nachricht, dass das schönste alte Kino in München, das Filmtheater Sendlinger Tor nach 112 Jahren Betrieb zum 15. Januar 2025 schließen muss, weil die Hausbesitzer der Familie Preßmar, die das Kino seit 80 Jahren betreibt, gekündigt hat. Was für ein Verlust! Es geht, wie so oft, wieder einmal ums Geld, man will die Miete auf 20.000 Euro verdoppeln und das spielt das Kino schlicht nicht ein. Auch dieses Kino wurde von Carl Gabriel, dem Begründer des "Gabriel" erbaut. Ob das Kino vielleicht noch als Kino weiterbetrieben wird ist ungewiss, immerhin stehen die Räume unter Denkmalschutz.
Nicht weit vom Movie-College entfernt, quasi um die Ecke in der Preysingstraße 42 befand sich der "Preysing - Palast" in München Haidhausen. Von 1928 bis 1961 wurden hier Filme gezeigt. Seitdem haben sich verschiedene Gastronomie-Betriebe dort niedergelassen. Ebenfalls nur wenige Gehminuten entfernt befanden sich bis 1978 an der Franziskanerstraße 19 die "Franziskaner - Lichtspiele", in dem Eckgebäude sind heute ein Cafe und daneben ein Reisebüro. Nur der "RIO Filmpalast" an der Rosenheimerstraße 46 ist in dem Stadtteil zum Glück noch aktiv. Verschwunden auch das Deli, die "Denninger Lichtspiele" an der Ostpreußenstraße 3, wo sich heute ein Modegeschäft befindet. Im Münchner Münchener "Filmtheater am Lenbachplatz" ist heute ein Einrichtungshaus. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wer genauer hinschaut wird an vielen Gebäuden, oft Eckhäuser, noch großzügige Eingangsportale erkennen können oder langezogene Säle mit Notausgängen.
Kulturerbe um die Straßenecke
Und genauso we in Düsseldorf oder München sieht es in all den anderen Orten und Städten aus, in denen das Kino dereinst Triumphe feierte, wo es für kleines Geld Träume und Ausflüge in Fantasiewelten bereitstellte. Und was ist aus Euren Kinos der Kindheit oder denen aus der Kindheit Eurer Eltern und Großeltern geworden?
Wer nachschauen möchte, was sich in der eigenen Heimatstadt in Deutschland, Österreich und der Schweiz so an ehemaligen Kinogebäuden verbirgt wird auf der Webseite http://www.allekinos.com/ fündig.
Dass so viele Kinos geschlossen haben, hat natürlich viele Ursachen, das Fernsehen, die Streaminganbieter wie Netflix und später die Flatscreens haben das Filmeschauen von einer gemeinsamen Seherfahrung mit anderen Menschen zu einem privaten Erlebnis werden lassen. Die rein kommerziell aufgezogenen Multiplexe haben den kleinen Kinos sicher auch nicht gut getan. Oft genug lag es schlicht daran, dass Kinos als Kulturbetriebe sich ohne jede weitere Unterstützung allein über Wasser halten müssen. Wären Opernhäuser und Theater so finanziert, es gäbe sie längst nicht mehr. Es ist schon lange überfällig, dass sich die Städte und Gemeinden zusammen mit der Filmförderung um die Kinokultur bemühen, Kinos mit kulturell anspruchsvollem Programm zu subventionieren und Verantwortung übernehmen für die Erhaltung der Kinos.
Leuchtturmprojekte
Es sind unzählige Kinos die untergegangen sind, die abgerissen wurden oder einer anderen, nur wenig bis gar keinen Zauber versprühenden, Nutzung zugeführt. Manchmal, in ganz seltenen Fällen kommt es tatsächlich dazu, dass so ein altes Kinotheater am Leben gehalten, ja sogar aufwändig restauriert wird. Manche sind nur als Säle erhalten geblieben, die nicht mehr bespielt werden, andere wurden aufwändig restauriert und zugleich modernisiert um den heutigen Standards der digitalen Projektion und des Rundum-Sounds gerecht zu werden. So hat beispielsweise die NRW-Stiftung bereits mehrfach geholfen, diese wichtigen Zeugnisse unserer Kulturgeschichte in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Beispiele für erfolgreiche Restaurierungen von Kinos sind auch das "Apollo Kino" in Hannover, eröffnet 1908, das "Metropol-Kino" in Bonn von 1929 welches leider seit 2010 eine Buchhandlung ist, die "Astor Film Lounge" in Berlin, die 1959 eröffnet wurde, das "Kino International" in Berlin, welches das bekannteste Kino der DDR war, das "Kino Eiszeit", ebenfalls in Berlin, welches 1961 eröffnet wurde oder auch das "Lichtburg Kino" in Essen, welches aus dem Jahr 1928 stammt. Sehenswert auch das "Caligari-Kino" in Wiesbaden aus dem Jahr 1926 oder das "Filmtheater am Sendlinger Tor" in München.
Eines der beeindruckendsten Projekte in diesem Zusammenhang, auf welches mich Winfried Raffel, ehemals Pressesprecher der NRW Stiftung aufmerksam gemacht hat, ist der "Kinosaal Vogelsang", ein von den Belgiern in den 50er Jahren erbautes und liebevoll restauriertes Truppenkino mit 1000 Sitzplätzen. Wer sich davon überzeugen möchte, welcher Zauber von vielen dieser Lichtspielhäuser ausgegangen sein muss, findet unter den nachfolgenden Links ein paar spannende Beispiele:
https://www.nrw-stiftung.de/entdecken/foerderprojekte/kinosaal-vogelsang-schleiden.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtburg
In Kinos wie diesem treffen historische Architektur und Moderne auf gelungene Weise aufeinander, sie bewahren unsere Kino-Geschichte und ermöglichen so nostalgische Erfahrungen, manchmal sogar mit moderner Vorführtechnik.