Drama von Chang-Dong
Der leicht minder bemittelte, nervöse Chong Du ist das schwarze S chaf der Familie. Kaum aus dem Gefängnis wegen Fahrerflucht und Totschlag entlassen, befindet er sich schon nach kürzester Zeit, diesmal wegen Zechprellerei, wieder auf dem Polizeirevier. Widerwillig bemüht sich seine Familie darum, aus ihm wieder einen anständigen Menschen zu machen. Eines Tages beschließt Chong Du sich bei der Familie des Opfers, das bei dem von ihm verursachten Unfall starb, zu entschuldigen. Auf diese Weise lernt er deren spastisch gelähmte Tochter Kong Ju kennen. Die junge Frau lebt von der Außenwelt abgeschnitten und ohne soziale Kontakte in einem kleinen Apartment. Lediglich fürs Essen wird von einer Nachbarin gesorgt. Wenn sich allerdings der Kontroll-Besuch vom Amt ankündigt, wird Kong Ju herausgeputzt und in die Wohnung ihres Bruder gebracht, wo sie wie ein Dekorationsstück vorgeführt wird. Schließlich will man sich ja nicht unterstellen lassen, sich nicht richtig um sie zu kümmern. Danach steht der Rücktransport in ihr Apartment an. Chong Du ist fasziniert von der ungewöhnlichen Frau. Immer öfter sucht er ihr Apartment auf und läßt Ihr Blumen und Präsente zukommen. Doch da sie die Wohnung nicht verlassen kann, verschafft er sich notgedrungen Zutritt zum Apartment. Ihr nun endlich nahe zu sein, verstärkt sein Begehren. Er kann sich kaum zurückhalten, was fast zu einer Vergewaltigung führt. Völlig entsetzt über sein Verhalten, hinterlässt er die verstörte Frau. Im Laufe der Zeit gelingt es jedoch den beiden sich anzunähern und eine innige Beziehung aufzubauen. Zusammen schaffen sie sich ihre eigene kleine Welt, in der ihre Behinderung keine Rolle spielt. Liebevoll kümmert sich Chong Du um sie, hilft ihr bei der Bewerkstelligung alltäglicher Dinge wie Haare waschen, Wäsche aufhängen, die für sie problematisch sind. Im Gegensatz zu ihr, ist er mit der Welt außerhalb des Apartments bestens vertraut. Auch wenn er dort eigentlich gar nicht richtig hinzugehören scheint. Mit absoluter Selbstverständlichkeit nimmt er sie mit nach draußen und entdeckt mit ihr zusammen das Alltägliche neu.
Es ist wunderschön mit anzusehen, wie Kong Ju wieder Freude an ihrem Leben hat und ihre Behinderung vergessen kann. In Traumsequenzen erfährt der Zuschauer die Sicht der Dinge aus ihrer Perspektive. Endlich wird sie nicht mehr verleugnet, sondern bildet den Mittelpunkt im Leben eines anderen Menschen. Auch für Chong Du stellt die Liebesbeziehung eine Bereicherung dar. Er ist nun ernsthaft bemüht ein besseres Leben zu führen. Sogar einen Job sucht er sich. Je mehr man an dieser liebevollen Beziehung teil hat, desto trauriger ist es mit ansehen zu müssen, wie diese von der Außenwelt aufgenommen wird. Nicht einmal die eigenen Familien nehmen die Liebe und Verbundenheit der beiden wahr. Ihre Liebe scheint fast an diesem Unverständnis zu zerbrechen. Die Schlussszenen des Films sind in dieser Hinsicht besonders tragisch. Das Liebespaar wird, als sie das erste Mal miteinander schlafen, von Kong Jus Familie überrascht. Keiner kann sich vorstellen, dass dieser Liebesakt von beiden gewollt ist. Chong Du wegen Vergewaltigung festgenommen. Kong Ju ist von dem Vorfall völlig geschockt. Auch wenn sie die Möglichkeit hätte, die Wahrheit zu schildern, würde es keiner glauben. Chong Du gelingt es aus dem Polizeirevier zu flüchten. Bevor er ins Gefängnis muss, will er noch eine Sache erledigen: Die Äste des Baumes absägen, deren Schatten Kong Ju in ihrer Wohnung Angst bereiten. Für die Außenwelt ist Chong Du nun völlig verrückt geworden.
„Oasis" ist ein aufwühlender Film, der durch die glaubhafte Darstellung der Charaktere berührt. Besonders Schauspielerin Moon So-Ri spielt die spastisch-gelähmte Frau so überzeugend, dass man völlig überrascht ist, wenn sie sich in den Traumsequenzen aus ihrem Rollstuhl erhebt und sich wie eine ganz normale Frau bewegen kann. Hochachtung. Regisseur Chang-dong zeigt eindrucksvoll diese ungewöhnliche Beziehung, die nicht wegen Kong Jus Behinderung problematisch ist, sondern durch das Unverständnis der Mitmenschen. Sehenswert.
Gesehen am 29.06.03 von Birgit Bagdahn