Regie: Patrice Chéreau / Wettbewerb / 11.02.2003
Zehn Jahre leben zwei Brüder ohne jeglichen Kontakt zueinander. Und wie es das Schicksal will, finden sie einander wieder, allerdings über ein tragisches Ereignis. Der ältere Bruder namens Thomas wird von einer schweren Krankheit in Besitz genommen und muss mit seinem baldigen Tod rechnen. Er sucht sofort den Kontakt zu Luc, der aber ebenso nur schwer mit der neuen Situation umgehen kann. Für Beide gilt es nun eine schwierige Hürde zu überwinden, die nicht nur ein Auskommen mit dieser unbarmherzige Krankheit, sondern auch das Lösen alter, tiefgreifender Konflikte umfasst. Dies soll ihnen gelingen. Einerseits durch Lucs regelmäßige Besuche im Krankenhaus, bei denen er sich dem fast schon unwürdigen Leben seines Bruders stellt, und anderseits durch ihren Rückzug in das Haus ihrer Kindheit. So tragisch es auch klingen mag, gerade durch Thomas todbringende Krankheit finden die beiden Brüder wieder zueinander.
Dieser Film ist ergreifend und abstoßend zugleich. Als Zuschauer spürt man beide Charaktere äußerst intensiv in ihren Gedanken und Emotionen, was nicht nur auf die großartige schauspielerische Leistung von Bruno Todeschini und Eric Caravaca zurückzuführen ist, sondern auch auf die überzeugende und nahe Erzählung beider Lebensgeschichten. Regisseur Patrice Chéreau bringt seinem Publikum das Leiden des erkrankten Thomas, als auch das Mitleiden von Luc nahe, der den körperlichen Verfall seines Bruders nur schwer ertragen kann. Sehr stark im Zusammenhang mit diesem emotionalen Aspekt stehen die abstoßenden Szenen im Krankenhaus, die dem Zuschauer mit Blutergüssen, geröteten Narben, Eiterungen, bloßgestellten Körpern, sowie einer insgesamt kalten Atmosphäre Bilder aufzwingen, denen man sich nur ungern stellt. Sehr gut gelungen ist der feinfühlige Einsatz von Musik. Erst zum Schluss des Films arbeitet der Regisseur mit einer musikalischen Untermalung der Szenen, welche dadurch emotional stark betont werden und die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich richten.
"Son Frère" vermittelt, wie viele andere Filme der Berlinale, eine sehr depressive Stimmung, findet aber wegen seiner wunderbaren Umsetzung großen Zuspruch, zumindest meinerseits.
Gesehen von Christian Schall