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Frau mit VR Brille 

Point of View und Ethik

Welche Wirkung haben virtuelle Begegnungen auf den Betrachter? Zunächst einmal spielt eine Rolle, auf welche Weise der Betrachter integriert ist. Reagieren die handelnden Personen auf den Zuschauer, oder bleibt er unsichtbar und beobachtet nur? Ist das dann Voyerismus, ist man ein Geheim-Agent, ein Spanner?

 

Bleibe ich in einem virtuellen Umfeld der gleiche Mensch, der ich auch real bin oder erlaube ich mir Einblicke und Verhaltensweisen, ich in der Realität nicht einnehmen würde? Diese Frage stellt sich nicht nur in Zusammenhang mit Games, wo man beispielsweise extrem intensiv an Gewalt teilhaben kann. Was tut dies mit dem Betrachter? Viele Armeen weltweit senken die Hemmschwellen ihrer Soldaten durch virtuelle Kampfsituationen. Es liegt nahe, dass dieser Effekt auch bei Nicht-Soldaten, also ganz normalen Konsumenten eintritt. Wie geht man damit um?

 

Kinder

 

Wenn Eltern mit ihren kleinen Kindern das Kino besuchen oder mit ihnen Zuhause einen Film schauen, beobachten sie immer wieder ihre Kinder, wie bestimmte Szenen auf diese wirken. Auch Kinderfilme haben manchmal traurige Szenen und diese Art der Kontrolle wird von den meisten Eltern gewünscht. VR nimmt den Eltern diese Möglichkeit, weil die Kinder hinter der Brille abgeschottet sind und ihre Emotionen weitaus weniger erkennbar.

 

Kinder und Jugendliche reagieren häufig viel emotionaler als Erwachsene. Man kann davon ausgehen, dass in VR und AR die Inhalte deutlich intensiver wirken und deshalb auch mögliche Altersgrenzen neu überdacht werden sollten.

 

Augmented Reality

Microsofts Ansatz der ergänzten Realität (Augmented Reality) mit einer halbdurchsichtigen Brille ermöglicht weitere Erzählvarianten. Hier wird reale Umgebung und generiertes Bild miteinander verknüpft.

 

Ganz gleich welche technischen Lösungen auch genutzt werden, in diesem Bereich kommt den Machern eine große moralische Verantwortung zu. Und natürlich müssen die Menschen es erst erlernen, mit diesen Erlebniswelten kritisch umzugehen,- eine solche Nähe zwischen eigener Identität und einem externen Medium hat es in der Geschichte der Menschheit bisher nicht gegeben.

 

Immersive Journalism

 

Manch einer nennt sie kurze Dokumentarfilme, andere sprechen von Beiträgen. Mit Hilfe von VR werden ferne Orte, Personen und Situationen eindringlicher denn je vermittelt. Der Zuschauer kann sich selbst einen Eindruck mitten aus dem Flüchtlingscamp, dem Kriegsschauplatz, den Slums einer Großstadt verschaffen.

 

Durch das intensivere Erleben unter der VR Brille (HMD, Head-Mounted Display), werden Bilder, wie wir sie inzwischen aus vielen Nachrichtensendungen gewohnt sind, emotional ungleich gewichtiger. Traumatische Erfahrungen, Leid und Ungerechtigkeit, wie sie in der Welt ständig vorkommen, übertragen sich in ganz anderer Weise auf die Zuschauer.

 

Der Realitätseindruck ist gleichzeitig ein Glaubwürdigkeitsfaktor. Genau so muss es gewesen sein, denkt und vor allem fühlt der Betrachter. Kann das manipuliert werden? Kann man nicht auch solche Situationen nachstellen? Wie verhält sich der Pressecodex dazu?

 
Beispiele hierzu auf: www.immersivejounalism.com

 

Rechtslage

Noch immer gilt in Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild, dass ab sieben in etwa gleichwertig groß abgebildeten erkennbaren Personen im Bild diese als Gruppe zu betrachten sind und nicht merh individuell ihre Genehmigung erteilen müssen. Doch bei VR, wo man durchaus sieben und mehr Personen in einer Aufnahme haben kann, diese aber trotzdem höchst individuell durch die Verteilung im 360 Grad Raum betrachtet werden können, scheint diese Definition nicht wirklich zu greifen.

 

Intensiverer Zugang zum Unterbewussten

VR erlaubt einen viel direkteren Zugang in die Psyche des Zuschauers. Dies kann man, insbesondere, wenn man auf humanitäre Missstände, Schicksale von Menschen aufmerksam machen möchte, starke Wirkung haben. Aber selbstverständlich kann dieser Zugang in jeder Richtung genutzt werden. Die Werbeindustrie steht bereits in den Startlöchern um ihre Verkaufsbotschaften mit bisher ungeahnter Unausweichlichkeit auf die Betrachter abzufeuern. Für Industrieunternehmen bietet der aktuelle Hype die Möglichkeit, Aufmerksamkeit aus Neugier auf eine neue Abspielplattform umzulenken auf die eigenen Produkte. Autohersteller wie Volvo oder Smart bieten virtuelle Probefahrten an.

 

Aber auch politische, religiöse Botschaften gelangen ohne jegliche Störfaktoren wie die Wirklichkeit zu den Betrachtern. Chancen und Gefahren liegen hier ganz dicht beieinander. Interesse, Begeisterung, Beeinflussung und Überlastung liegen dicht beieinander.

 

Keine der bisherigen Technologien war so nah an der Realitäts,- und Traumwahrnehmung dran wie diese, entsprechend intensiv geht diese auch im Menschen weiter. Aufwühlende Inhalte sollte man vor dem Schlafengehen vermeiden, sonst sind schlaflose Nächte garantiert.

 

Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, die kleingedruckten Hinweise zu konventionellen Computerspielen bereits ab Ende der 90er Jahre durchzulesen, wird dort überraschend auf mögliche Nebenwirkungen gestoßen sein. Die aktuellen Warnungen, die den VR Brillen beigepackt werden, lesen sich wie eine Horrordiagnose aus der Psychiatrie. Da wird bei entsprechenden visuellen Eindrücken (Flimmern) vor schweren Schwindelanfällen, Krampfanfällen, Augen- oder Muskelzucken, Ohnmachten und sogar epileptischen Anfällen gewarnt. Nicht wenige Darbietungen lösen die sogenannte Simulatorkrankheit aus.

 

Grenzen des Darstellbaren

Festzustellen ist, dass VR den Zuschauer deutlich mehr in die dargestellte Wirklichkeit einbindet, sie realistischer präsentiert und emotionaler auf den Zuschauer einwirkt. Dass dies nicht nur positive Aspekte hat, sondern auch nach einer neuen VR Ethik ruft, zeichnet sich bereits angesichts der bisherigen Erfahrungen ab.

 

Viele in Filmen und Spielen dargestellte bedrückende Momente, die der Zuschauer dank der klassischen Betrachtungssituationen Display (TV,Tablet,PC oder Handy) und Kino stets abstrahieren und von der eigenen Person trennen konnte, lassen sich dank der hohen immersiven Erfahrung nur noch schwer bis gar nicht mehr differenzieren.

 

Tod, Sterben, Leid rücken durch VR um ein Vielfaches dichter an den Betrachter heran und involvieren diesen deutlich stärker. Der emotionale Transfer virtueller Aufnahmen ist ungleich stärker als bei konventionellen Film,- oder Game- Erlebnissen. Entsprechende Darstellungen im VR Raum wirken verstörend und brennen sich in das Unterbewusstsein ihrer Betrachter viel intensiver ein. Über psychische Folgeerscheinungen gibt es zumindest im Anfangsstadium einer so jungen Technologie noch keine Untersuchungen.


Spieleentwickler kennen diesen Effekt bereits und sind bemüht, etwa Todeserfahrung aus massentauglichen Spieletiteln fernzuhalten.

 

Dies sind nur einige der vielen neuen Aspekte im Umgang mit einem neuen Medium. Wie wir damit verantwortungsvoll umgehen, müssen wir erst noch erlernen.

 

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