Technische Gegebenheiten
Man verbindet es heute mit altem Fernsehen in Standard-Definition, mit alten Kinofilmen, mit Stummfilm. Das Höhen-Seiten Verhältnis welches nahezu ein Jahrhundert Filmgeschichte beherrschte, wurde einstmals festgelegt durch die Normierung des 35 mm Filmstreifens. Vermutlich orientierte der sich auch an dem häufigsten verwendeten Format in der Malerei. Diese Norm haben sich George Eastman und Thomas Edison einstmals ausgedacht, der Raum, der zwischen den beiden Perforationen blieb, konnte für die Filmbilder genutzt werden. Der so genannte "Old Silent Frame". Der hatte ein Bildseitenverhältnis von 1: 1,33. Als dann der Tonfilm kam und zusätzlicher Platz für die Lichttonspur benötigt wurde, änderte sich der Platz der für das Bild übrig blieb, nochmals.
Denn dann wurde das Bildseitenverhältnis 1: 1,37 der gängige Standard, auch Academy-Standard genannt. Und auch beim populärer werdenden 16 mm Schmalfilm wurde das gleiche Bildseitenverhältnis etabliert. Nicht nur für das Kino, sondern auch für das in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts beginnende Fernsehen. Dort galt Breitwand dann als Nachteil, schließlich musste auf dem 4:3 Fernsehbildschirm wertvolle Auflösung durch schwarze Balken oben und unten (Letterbox) geopfert werden. Wer für das Fernsehen produzierte, kämpfte gegen Windmühlen, wenn er/sie in einem Breitbildformat drehen wollte. Es war damals gar nicht möglich, Bildröhren zu produzieren, die ein breiteres Film wiedergeben könnten.
Erst als das Fernsehen drohte, dem Kino das Geschäft streitig zu machen, wurden plötzlich in den 50er und 60er Jahren andere Bildseitenverhältnisse in die Kinos gebracht- Breitwand war plötzlich modern. Man verwendete spezielle Objektive, Anamorphoten, um breitere Bilder auf dem begrenzetn 35mm Film unterzubringen. Die allermeisten Filmemacher haben die breiteren Bilder bevorzugt, haben Systeme wie Panavision und Cinemascope zu Qualitätssiegeln werden lassen.
Und als dann das Fernsehen sich aufmachte, High Definition einzuführen und man dank Flatscreens auch breitere Bildschirme herstellen konnte, wurde das 16:9 Bildseitenverhältnis gleich mit eingeführt, welches uns bis heute begleitet. Wir waren begeistert, endlich den Mief der schmalen Bilder hinter uns lassen zu können. Es waren also technische Entscheidungen, welche lange das Bildseitenverhältnis mitbestimmten. Angesichts der Möglichkeit, breitere Bilder aufzunehmen, erstaunt es sehr, dass manche Filmemacher das alte Bildseitenverhältnis auch heute bevorzugen.
4:3 als Gestaltungsmittel
Zunächst einmal begegnet uns 4:3 bei im 21. Jahrhundert gedrehten Filmen als Erkennungsmerkmal von alten, historischen Aufnahmen oder von Privatfilmen. Wer also Super 8, Normal 8, Amateur 16mm oder schlicht ältere Fernsehbeiträge visuell zitieren möchte, dreht seine entsprechenden Aufnahmen im Retro-Look in 4:3.
Dann liefern die meisten Fotoapparate, falls nicht anders eingestellt, ein 4:3 oder 3:2 Bild ab, also auch deutlich höher als 16:9.
Darüber hinaus ist 4:3 in den Augen mancher Filmemacher besser geeignet, um Personen und Gesichter zu kadrieren. Beide sind eher länglich als breit und deshalb kann man mit ihnen die Bildschirmhöhe optimal ausnutzen.
Kameramann Robbie Ryan fotografierte Andrea Arnolds "Fish Tank" in 4:3 zu einem Zeitpunkt, als praktisch jeder Film der entstand, mindestens in 16:9 gedreht wurde. Das war eine ästhetische Entscheidung und entstand angeblich aus dem Gedanken heraus, den quadratischen Wohnblock in dem die Hauptfigur lebt, auch auf das Filmformat zu übertragen.
Doch auch Andrea Arnolds "Wuthering Hights", ebenfalls von Robbie Ryan fotografiert, wurde in 4:3 gedreht. Die Regisseurin begründete dies technisch damit, dass sie einerseits keine Cinemascope Verzerrung und das volle 35 mm Negativ nutzen wollte.
Stanley Kubrick hat alle seine Filme in 4:3 gedreht, liess sie aber so kadrieren, dass sie auch in 1,66 und 1,85 funktionieren.
"Zack Snyder's Justice League" (2021) ist ebenfalls in 4:3 gedreht. Dies liegt aber nicht an einer ästhetischen Entscheidung des Regisseurs, sondern an dem Umstand, dass der Film ursprünglich für IMAX Kinos gedacht war und die haben eben ein sehr ähnliches Seitenverhältnis von 1,43 : 1.
Auch bei "Das Lehrerzimmer" (Regie Ilker Catak, Kamera: Judith Kaufmann) wurde 4:3 gewählt. Einer der Gründe war, dass das Format die Kamerafrau und den Regisseur an die eigene Schulzeit und das zu jener Zeit übliche 4:3 Fernsehen erinnert hat. Zugleich haben die beiden auch die bessere Möglichkeit geschätzt, Personen im Kader leichter isolieren zu können. Um die Lehrerin aber auch die Kinder (etwa an der Schulbank sitzend) im Bild einzeln zeigen zu können, wäre 16:9 zu weit gewesen.
In seinem Film "FC Gundlach - Pioneer" arbeitet der Kameramann Jan Brockmann mit unterschiedlichsten Formaten von Quadratisch 1:1 bis hin zu extremen Breitwand Seitenverhältnissen.
Noch heftiger beschnitt Regisseur Xavier Dolan in seinem Film "Mommy" das Bildseitenverhältnis und drehte im 1:1 Format, also Quadratisch. Nur in ganz wenigen Szenen öffnet sich das Bildfeld auf Breitwandformat. Dolan begründete seine Entscheidung damit, dass er sich maximal auf die Filmfiguren konzentrieren und Ablenkungen links und rechts von diesen eliminieren wollte.
Schauspielerformat
Die andere Begrenzung des Bildes ist heutzutage eine bewusste Entscheidung.so wie man einen bestimmten Bilderrahmen für eine Grafik wählt. 4:3 lässt Personen sich weniger in der weiten Umgebung verlieren, es konzentriert insbesondere auf deren Gesichter. Wer sich daraufhin einige Klassiker der Filmgeschichte anschaut, die sich besonders auf die Psychologie der Filmfiguren konzentrieren, ist diese Ansicht verständlich. Man denke nur an diverse Ingmar Bergmann Filme wie "Persona", "Wilde Erdbeeren" oder "Das Schweigen". Bergmann war bekannt dafür, dass in seinen Filmen Gesichter wie Landschaften präzise als Spiegel der Seele untersucht wurden.
Andrea Arnold hat ihre 4:3 Entscheidungen in verschiedenen Interviews auch damit begründet, dass die das Format als Portrait-Format betrachte, welches mehr Respekt vor den Personen und mehr Bedeutung für sie habe und in dem sie sich nicht in visueller Konkurrenz mit Landschaften etc. befänden.
Manchmal verwenden Filmemacher innerhalb eines Filmes auch mehrere Bildseitenverhältnisse. So kann man beispielsweise im ersten Teil eines Filmes eine etwas beengtere Welt oder Lebenssituation der Protagonisten erzählen und später dann wie mit einem sich öffnenden Vorhang das Seitenverhältnis verbreitern, wenn sich auch die Welt für die Hauptfiguren weitet.
Technische Umsetzung
Wer heutzutage aus welchen Gründen auch immer in 4:3 drehen möchte, begegnet bei aktuellen Videokameras in der Regel nur noch Breitbild Formaten. Man muss also bei seinem Display Markierungen aufkleben oder, falls die Kamera bzw. der externe Monitor das noch beherrscht, einen 4:3 Frame einblenden. Überraschend begegnet man ihnen auf den breiten Flatscreens oder breiten Kinoleinwänden wieder, den schwarzen Balken der alten "Letterbox" Vorführungen,- nur diesmal nicht unten und oben sondern links und rechts.
Fast ist es eine Ironie der Geschichte, das durch 16:9 ersetzte und von Kinofans geschmähte 4:3 Format zeigt heute in mancher Hinsicht wieder Flagge: Auf den Bildschirmen der Social Media Formate hat 4:3 gegenüber 16:9 entscheidende Vorteile, es wird schlicht und einfach mehr Fläche genutzt. Das wird nur noch von Hochformaten getoppt, die inzwischen für viele Blogger zum Alltag geworden sind.